Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Woche zurück. Dieses Mal: Britische Murmeltiere und mehr Transparenz im EU-Parlament.
Das Karussell des Brexit dreht sich weiter und den EU-Korrespondenten gehen inzwischen die Metaphern aus. Das Murmeltier ist ausgelaugt und grüßt nicht mehr.
Nach einer Debatte und Abstimmung im britischen Parlament am vergangenen Dienstag, sind wir in der Frage „Deal oder No-Deal“ nicht weiter als davor. Der einzige Vorschlag, auf den sich die britischen Abgeordneten einigen konnten, war nämlich der, dass Theresa May nochmals nach Brüssel reisen sollte, um Teile des Brexit-Abkommens neu zu verhandeln – also das Abkommen, das die EU nicht mehr verhandeln will. Es geht natürlich weiterhin vor allem um die Grenze mit Nordirland.
Auf den Punkt brachte das Dilemma die britische Zeitung „The Independent“. Bereits kurz nach der Entscheidung der Briten ließ nämlich der EU-Ratspräsident über seinen Sprecher verkünden, dass Brüssel das Abkommen nicht mehr neu verhandeln werde.
Der Brexit-Deal ist wohl die einzige Frage, bei der sich alle EU-Institutionen einig sind. Wie aus einem Munde lautet die Antwort auf Mays Plan weiterhin „No“. Wie der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei der Brexit-Debatte im Straßburger Plenum wiederholte: „Das von beiden Parteien gebilligte Austrittsabkommen ist der beste und der einzig mögliche Deal“.
My message to PM @theresa_may: The EU position is clear and consistent. The Withdrawal Agreement is not open for renegotiation. Yesterday, we found out what the UK doesn’t want. But we still don’t know what the UK does want. #brexit
— Donald Tusk (@eucopresident) January 30, 2019
.@JunckerEU to MEPs on #Brexit : 1. W.A. the best and only deal possible, will not be renegotiated 2. Ireland´s border is Europe’s border, no slipping back into darker times past 3. We are preparing for all possible scenarios 4. EU will stay calm and united. pic.twitter.com/LoXbBW5UTV
— Margaritis Schinas (@MargSchinas) January 30, 2019
Die EU-Kommission hat in der Zwischenzeit weitere Notfallmaßnahmen für einen No-Deal beschlossen. Sie betreffen etwa die Fischereiwirtschaft, das Erasmus-Programm und die Berechnung von Sozialleistungen.
Bereits die Dachzeile des entsprechenden Presseschreibens zeigt, wie sehr sich der Optimismus der Brüsseler Beamten und Presseleute inzwischen verflüchtigt hat. Die neuen Maßnahmen seien von Nöten, „da es zunehmend wahrscheinlicher wird, dass das Vereinigte Königreich die EU am 30. März dieses Jahres ohne eine Vereinbarung verlassen könnte“, ist dort zu lesen. Von Theresa Mays neu gewonnenem Tatendrang ist in Brüssel nichts zu spüren. Geht es um den Brexit, hilft Asselborns „il faut rester optimiste, sinon c’est foutu“ auch nur bedingt weiter.
Parlament akzeptiert Guaidó
Wer nach so viel Brexit-Einigkeit vermutet, dass Parlament, Rat und Kommission bei wichtigen außenpolitischen Problemen auf einer Linie sind, wird bei der Diskussion um den rechtmäßigen Staatsschef Venezuelas wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Sollt die EU Juan Guaidó als Interimspräsidenten akzeptieren oder nicht? Auf diese Frage konnten sich die EU-Vertreterin für Außenpolitik Federica Mogherini, Ratsschef Donald Tusk und einzelne EU-Minister bereits letzte Woche nicht einigen.
Diese Woche legte das Europäische Parlament seine Position in der Venezuelakrise fest. Die Abgeordneten beschlossen, den venezolanischen Oppositionschef als Übergangspräsidenten anzuerkennen. Sie forderten die EU-Vetreterin für Außenpolitik auf, es dem Parlament gleichzutun.
Währenddessen haben mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, ein Ultimatum an Nicolas Maduro gestellt: Er solle binnen acht Tagen freie Wahlen organisieren, sonst würden auch sie Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen. Die Frist lief am Sonntag ab, die Staaten hielten ihr Wort.
Venezuela: EU-Parlament erkennt Juan Guaidó als Interimspräsidenten an.
Mehr Infos: https://t.co/bHaPsNI3Iw#EPlenum pic.twitter.com/LouCAxHREZ— Europaparlament (@Europarl_DE) January 31, 2019
Am Montag hat auch Luxemburg Juan Guaidó offiziell als Übergangspräsidenten anerkannt.
Jean #Asselborn: like most #EU partners #Luxembourg recognizes the President of the democratically elected National Assembly Juan #Guaidó as interim President of #Venezuela with the authority to implement process leading to free, fair & democratic presidential elections @jguaido
— MFA Luxembourg 🇱🇺 (@MFA_Lu) February 4, 2019
Migrations-Déjà-vu
Wieder musste ein Rettungsschiff mit Migranten an Bord vor der europäischen Küste ausharren und darauf warten, dass die EU-Staaten ihre Umverteilung regeln. Am Donnerstag konnte die „Sea Watch 3“ nach fast zwei Wochen Wartezeit im Hafen von Catania anlegen – und zwar nachdem sich mehrere EU-Staaten dazu verpflichtet haben, einige der 47 aus dem Mittelmeer geretteten Migranten aufzunehmen. Auch Luxemburg ist wieder unter jenen, die sich solidarisch zeigen.
Derweil haben 50 Nichtregierungsorganisation am Freitag einen gemeinsamen Brief an die europäischen Regierungschefs geschrieben. Darin weisen sie auf die Schattenseiten des EU-Libyen Deals hin. Die Zustände in den Lagern seien unmenschlich, die Mittelmeerroute werde immer tödlicher. Die Hilfsorganisationen fordern die EU-Staaten auf, sich schnellstens auf eine nachhaltige Lösung für die Ausschiffung und Umverteilung von Migranten zu einigen – eine Rückkehr nach Libyen sei nämlich keine Option, genauso wenig wie die ad-Hoc Verteilungen von in europäischen Häfen gestrandeten Flüchtlingen.
Die „Sea Watch 3“ darf den sizilianischen Hafen vorerst nicht mehr verlassen: Die italienische Küstenwache wirft der Crew vor, Sicherheitsvorgaben missachtet zu haben. Auch das ist ein Déjà-vu: Die „Aquarius“ der französischen Hilfsorganisation „Médecins sans frontières“ wurde im November aufgrund von ähnlichen Vorwürfen von den italienischen Behörden beschlagnahmt. Die „Sea Watch 3“ war das letzte Rettungsboot einer Hilfsorganisation im Mittelmeer.
Mehr Lobby-Transparenz im Parlament
Recht unerwartet kam indes die Entscheidung des Europäischen Parlaments, die Regeln in Sachen Lobby-Transparenz zu verschärfen. Künftig müssen Ausschussvorsitzende und Berichterstatter im Parlament ihre Treffen mit Interessenvertretern veröffentlichen. Aktuell ist das nicht der Fall. Welcher Abgeordnete sich mit wem trifft, ist kaum zu erfassen. Viele EU-Abgeordnete, und auch der Parlamentspräsident Antonio Tajani, gelten nicht unbedingt als Vorreiter in Transparenz- und Lobbyfragen.
Überraschend kommt die Entscheidung deshalb, da die europäischen Abgeordneten sich lange gegen diesen Vorschlag gewehrt haben. Der Beschluss sei mit dem Verständnis des freien Mandats unvereinbar, lautete eine der Kritiken, die auch von vielen Parlamentariern der größten Fraktion EVP geteilt wurden.
„Wir werden im Dunkeln gelassen“, meinte ein Vertreter von „Transparency International“ noch letzte Woche im Gespräch mit REPORTER. Denn bisher führte das Parlament lediglich ein freiwilliges Lobbyregister. Und das sei alles andere als komplett. „Transparency International“ machte sich im Vorfeld der Abstimmung wenig Hoffnungen in Bezug auf strengere Regeln. „Die Reform wird wahrscheinlich scheitern“, warnte ein Mitarbeiter.
#BREAKING – @Europarl_EN adopts historic amendment on lobby #transparency! This is the first ever measure requiring MEPs to publish lobby meetings. We applaud members who have fought for these changes! pic.twitter.com/2NrUkZ2Lpz
— Transparency Int. EU (@TI_EU) January 31, 2019
Die Haltung der Luxemburger Abgeordneten
Die vorausgehende Skepsis lässt sich auch dadurch erklären, dass die Abgeordneten im Geheimen über die Verschärfung der Transparenzregeln abgestimmt haben. Vor den EU-Wahlen ist ein „Nein“ zu mehr Transparenz wohl nicht unbedingt die beste Taktik, um Wähler von sich zu überzeugen. Der Wunsch auf Geheimhaltung kam übrigens von der Europäischen Volkspartei (EVP), der Parteifamilie der CSV.
So kam es auch, dass die luxemburgischen EU-Vertreter (oder ihre Mitarbeiter) diese Woche ihre ganz eigenen Meinungsverschiedenheiten in Sachen Transparenz ausfechten mussten. Nachdem der Noch-Bürochef der grünen Abgeordneten Tilly Metz und Kandidat bei den Europawahlen, Meris Sehovic auf Twitter die EVP-Position kritisierte, fragte sich der CSV-Abgeordnete Christophe Hansen, ob denn schon Wahlkampf sei. Hansen war übrigens der einzige der drei CSV-Abgeordneten im Parlament, der sich zumindest beim Umgang mit den Kostenvergütungen der EU-Abgeordneten für mehr Transparenz aussprach.
Laut der Brüssel-Korrespondentin des Radio 100,7, Danièle Weber, haben alle drei CSV-Abgeordneten gegen die Abstimmung im Geheimen und für mehr Transparenz gestimmt. Lediglich der DP-Abgeordnete Charles Goerens hat sich gegen die neuen Regeln ausgesprochen. Er würde seine Treffen zwar öffentlich machen, doch hält es für falsch, dass Abgeordnete dazu gezwungen werden. Das müsste jeder mit seinem eigenen Gewissen ausmachen, sagte er „Radio 100,7“.
Sehovic und Hansen konnten ihre Auseinandersetzung schließlich auch noch beilegen: Mit einem Kuss-Emoji. EU-Politik muss also nicht immer im Streit enden.
Muer gëtt am Europäesche Parlament iwwert nei Reegele fir méi #Transparenz am Gesetzgebungsprozess ofgestëmmt. EVP ass dogéint & wëll dowéinst en geheime Vote. Feigheet pur! Wei stinn d’CSV-Deputéierten dozou? @CHansenEU https://t.co/jPe8jIBKEf
— Meris Sehovic (@MerisSehovic) January 30, 2019
Also ech weess net wei s du dat handhabs mat denge Mataarbechter, mä bei eis dierfen se eng eege Meenung hunn. 😂 D’Campaign vun där s du schwätz fänkt an e puer Méint un, mir schaffen nach un Dossieren, ënnert anerem #Transparenz am EP. Let’s see how the vote goes tomorrow… 😘
— Meris Sehovic (@MerisSehovic) January 30, 2019