Die Nebenverdienste von Politikern sind in der Regel kein Skandal. Allerdings hat die Öffentlichkeit ein Recht auf grundlegende Transparenz. Dass dies für manche Volksvertreter nicht selbstverständlich ist, zeigt der Fall Viviane Reding. Ein Kommentar.

Zwei Posten in Verwaltungsräten, lukrative Redeaufträge und ein Ruhegehalt als ehemalige EU-Kommissarin: Viviane Reding konnte sich in den vergangenen Jahren über ihre finanzielle Situation nicht beklagen. Neben ihrem Mandat als Abgeordnete des Europäischen Parlaments verdiente die Luxemburgerin reichlich hinzu und schaffte es gar in die Top 30 der Spitzenverdiener des Europäischen Parlaments. Allein als Mitglied im Verwaltungsrat des Konzerns Agfa-Gevaert erhielt sie eine jährliche Vergütung von 57.500 Euro.

Dass sie solche Posten annimmt und dafür entlohnt wird, ist ihr gutes Recht. Da die meisten ihrer anderen Tätigkeiten ehrenamtlicher Natur sind, sei es ihr sogar vergönnt. Ebenso ist es aber das gute Recht der Öffentlichkeit, die Verdienste von Abgeordneten zu kennen – sei es auf europäischer oder nationaler Ebene. Dabei geht es nicht um Neid oder Voyeurismus, sondern um die Frage, welche Interessen gewählte Abgeordnete außer ihrem demokratischen Auftrag sonst noch vertreten.

Denn eine Nebentätigkeit kann natürlich nie unabhängig von einem politischen Amt gesehen werden. Oft genug kommen Parlamentarier oder Ex-Minister nur durch ihre politische Tätigkeit für diese Nebenberufe in Frage. Die schlichte Frage darf erlaubt sein, ob die Nebentätigkeiten in der Privatwirtschaft mit dem Anspruch der Vertreter des Volkes auf den Einsatz für das Gemeinwohl kompatibel sind. Dabei gilt die wohlbegründete Vermutung, dass mit der Höhe der Vergütung auch die Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen Interessenvertretung steigt.

Transparenz und Glaubwürdigkeit

Nebenverdienste sind an sich nicht anrüchig. Man sollte Politiker auch nicht unter Generalverdacht stellen. Am einfachsten wäre dies jedoch zu bewerkstelligen, wenn die Volksvertreter jeglichen Verdacht selbst aus dem Weg räumen und Transparenz walten lassen würden. Dann könnte sich die Öffentlichkeit ganz unbefangen selbst ein Bild davon machen. Nicht nur die Glaubwürdigkeit der Politik, sondern auch das Vertrauen in sie würde steigen.

Transparenz ist also nicht nur im Sinn der Öffentlichkeit. Sie hat auch den entscheidenden Vorteil, dass man damit Kritik leicht entkräften kann. „Seht her, wir haben nichts zu verbergen“, könnte die Botschaft der Politiker sein, mit der sich die meisten Bürger wohl zufrieden geben würden. Stattdessen wählte Viviane Reding das Motto „Seht lieber alle weg, und wenn ihr mich dafür kritisiert, werde ich pampig“.

Auf Nachfrage von REPORTER hatte die ehemalige Vize-Präsidentin der EU-Kommission zwar noch sachlich und nüchtern auf die Recherchen im Zuge einer Studie von „Transparency International“ reagiert. Ihre Nebentätigkeiten seien alle konform zum Verhaltenskodex für Ex-Kommissionsmitglieder. Sie habe auch nie eine Tätigkeit ausgeübt, die sie von ihrem „Einsatz für das Gemeinwohl“ hätte abbringen lassen können.

Viviane Redings unsouveräne Reaktion

In einer zweiten Reaktion bei „RTL“ legte die CSV-Kandidatin bei den kommenden Wahlen jedoch nach. Sie halte nicht viel von „Transparency International“, sagte Reding etwa. Im Gegenteil bezichtigte sie die NGO, die sich weltweit gegen Korruption einsetzt, des „Trumpismus“. Und ganz konkret verbat sie sich jegliche Kritik an ihrem Posten als Kuratoriumsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, „weil Bertelsmann für linksgerichtete Leute ein rotes Tuch ist“. Wie viel Geld sie von dieser auf EU-Ebene offiziell als Lobbygruppe registrierten Stiftung genau erhält, sagte sie auch auf wiederholte Nachfrage nicht.

Von Transparenz hält Viviane Reding also wenig und gegen Kritik an ihrer Person scheint sie allergisch zu sein. Ihre Reaktion war nicht nur deplatziert, wie es die Vereinigung „StopCorrupt“ ausdrückte, sondern auch politisch nicht allzu klug. Indem sie eine weltweit tätige gemeinnützige Organisation verunglimpft, wirkt sie wenig souverän. Indem sie den Verdacht von Interessenkonflikten mit stark klingenden Worten abzuwehren versucht, macht sie sich umso verdächtiger. Damit leistet sie nicht nur sich selbst, sondern letztlich all ihren Politikerkollegen einen Bärendienst.

Dabei ist Transparenz die absolute Minimalanforderung, die man an Berufspolitiker stellen und erwarten kann. Ohne ein Mindestmaß an Transparenz wird Interessenkonflikten und Machtmissbrauch Tür und Tor geöffnet. Dass ausgerechnet die CSV in Person ihrer heimkehrenden Ministerinnen-Hoffnung ein Problem mit diesem politischen Prinzip hat, darf einem zu denken geben. Die große Oppositionspartei scheint nicht viel aus der Vergangenheit gelernt zu haben. Ein Grund mehr dafür, dass die interessierte Öffentlichkeit nicht locker lassen und ihr etwas Nachhilfe geben sollte.