Die jüngste Dienstreise von Paulette Lenert zeigte: Laos ist ein verletzliches Partnerland, das auf Hilfe angewiesen ist. Doch auch die Lage der Menschen- und Freiheitsrechte ist ein akutes Problem. Kritik wäre deshalb dringend notwendig gewesen – blieb aber größtenteils aus. Eine Analyse.

„Ich werde mich bemühen, Themen anzusprechen. Wir müssen nur den richtigen Ton finden“, kündigte Paulette Lenert am ersten Abend ihrer Dienstreise in Laos an. Rechtsstaatlichkeit sei ein Thema, das ihr am Herzen liege, so die Ministerin für Entwicklungshilfe weiter. Das zeigte: Der Wille, um Kritik am totalitären laotischen Regime auszuüben, war zu dem Zeitpunkt da. Doch am Ende fehlte offenbar der Mut, sie auch auszusprechen.

Laos zählt weltweit zu den am wenigsten entwickelten Ländern. Fest steht: Infrastrukturen wie Krankenhäuser und Schulen in abgelegenen Gegenden wären ohne Unterstützung aus dem Ausland sicherlich nicht möglich. Luxemburgs Entwicklungshilfe ist wichtig und absolut notwendig für die Menschen, die dort leben.

Doch Kritik an einem freiheitsfeindlichen Regime ist offenbar schwierig, wenn die Menschen vor Ort stolz zeigen, was ihnen durch die luxemburgische Hilfe alles gelungen ist. Was sie umsetzen konnten. Wie es ihnen dadurch besser geht. Aller Armut, allen Problemen zum Trotz.

„Wir haben ein Auge auf die Probleme“, sagte Paulette Lenert im Gespräch mit REPORTER. Diese Probleme wurden aber eher unter Delegationsmitgliedern, als offen mit der laotischen Regierung diskutiert. Denn es war der Partnerschaftsgedanke, der letztlich bei dieser Reise überwog.

Der Umgang darf nicht naiv sein

Das ist ein löblicher Gedanke. Ebenso wie der von Paulette Lenert: „Wir arbeiten für die Menschen, nicht für die Regierung.“ Es bringt das Land aber nicht oder nur schwer weiter. Und es blendet letztlich einen Teil der Missstände vor Ort aus. Denn unter Unterdrückung, Korruption und mangelnden Grundrechten leidet natürlich genau dieselbe Bevölkerung, der man eigentlich helfen will.

Laos ist seit 22 Jahren Partnerland von Luxemburg. Man kennt sich also. Und Luxemburg investiert seitdem viel Geld, um den Menschen vor Ort zu helfen. Das Budget für Laos beläuft sich von 2016 bis 2020 auf 75 Millionen Euro. Weitere 11 Millionen wurden dem Land während der Reise bis 2020 zugesagt. Doch hinter die Kulissen des Regimes konnte während der Zeit vor Ort niemand so richtig blicken.

Laos hat nicht nur Armutsprobleme, sondern auch ein Regime-Problem.“

Bei jeder Besichtigung lächelten die Menschen oder klatschten der Delegation im Takt zu. Der rote Teppich wurde ausgelegt, zur Begrüßung gab es einen Blumenstrauß für die Ministerin, zum Abschied ein Gastgeschenk. Alles lief nach Protokoll. Alles nach Plan. So wie es üblich ist bei so einer Reise.

Dass der Gast zunächst tatsächlich kritische Themen ansprechen wollte, war zwar gut gemeint, ging aber meist unter. Von wirklich kritischen Auseinandersetzungen ging jedenfalls nichts an die Presse weiter. Ein diplomatischer Umgang ist sicherlich wichtig. Dabei darf er mit einem Land, das nicht nur von den Vereinten Nationen, sondern auch von Organisationen wie „Human Rights Watch“ heftig kritisiert wird, aber kein naiver sein.

Politische Kritik wird im Keim erstickt

In Laos herrscht nämlich eine totalitäre sozialistische Regierung, es gibt Menschenhandel, Unterdrückung, Korruption, praktisch keine Presse- oder Meinungsfreiheit. Das Land hat nicht nur Armutsprobleme, sondern auch ein Regime-Problem.

„In Laos regiert das Geld“, sagt ein NGO-Mitglied vor Ort. „Und das wird unter dem Tisch verteilt.“ Internetseiten werden zwar nicht gesperrt. Wer aber einem „falschen“ oder kritischen Post ein Like gibt, kann am nächsten Tag die Polizei vor der Haustür stehen haben. Die einzige kritische Onlinezeitung „The Diplomat“ gibt als offizielle Adresse einen Sitz in Japan an. Die Journalisten schreiben quasi aus sicherer Entfernung. Kritik an der Regierung? Ist in Laos nicht erlaubt. Wenn es sie doch gibt, wird sie schnell im Keim erstickt.

Bisher hatte der Polizeistaat auch kein Strafgesetzbuch. Luxemburg hat an der ersten Version mitgearbeitet und Paulette Lenert das Buch während ihrer Reise offiziell dem Justizminister überreicht. Der zaghafte Fortschritt wurde als großer Erfolg gefeiert – sowohl von laotischer als auch von luxemburgischer Seite. Doch wenn man bedenkt, dass Luxemburg an der Ausarbeitung beteiligt war, werfen einige Punkte im Text Fragen auf.

Todesstrafe kaum infrage gestellt

Dort ist nämlich auch die Todesstrafe festgehalten. Das wird als halb so schlimm abgetan, immerhin wird sie offiziell nicht mehr angewendet, heißt es. Doch noch immer verschwinden Aktivisten in Laos von heute auf morgen, noch immer werden Menschen einfach weggesperrt – bis sie irgendwann in einem Gefängnis sterben. Auch das ist eine Form der Todesstrafe, des autoritären Drucks, kritisieren Menschenrechtler. Paulette Lenert sprach zunächst bei der Zeremonie von einem „modernen Code Pénal“. Im Nachhinein sagt sie, hätte sie das anders formuliert.

Die offizielle Übergabe wäre demnach ein guter Zeitpunkt gewesen, um die versprochene Kritik deutlich zu machen. Oder sie wenigstens im „richtigen Ton“ anklingen zu lassen. Dieser Gedankenanstoß kam jedoch nicht von Luxemburger Seite, sondern vom EU-Kommissar für Entwicklungshilfe und Kooperation, Neven Mimica. Der Kroate hat bei der Übergabe öffentlich kritisiert, dass die laotische Regierung an der Todesstrafe festhält. Hinter den Kulissen hieß es, dass es lange Gespräche mit der Regierung zum Thema Todesstrafe gegeben habe – mit dem Ergebnis, dass sie heute im Strafgesetzbuch steht.

Luxemburg darf zwar helfen, aber im Gegenzug keine großen Bedingungen stellen. Luxemburg will ja auch helfen, vergisst aber manchmal, mit wem man es zu tun hat.“

Anhand dieses Beispiels lässt sich auch andeuten, wie die Partnerschaft zwischen Luxemburg und Laos abläuft, wo die Grenzen liegen und wie weit Entwicklungshilfe auch eine Wirkung auf das politische Geschehen hat. Luxemburg darf zwar helfen, aber im Gegenzug keine großen Bedingungen stellen. Luxemburg will ja auch helfen, vergisst aber manchmal, mit wem man es zu tun hat.

Der UN-Sonderbeauftragte Philip Alston kritisiert genau diese Haltung in seinem Bericht über Laos. Er listet nicht nur alle Probleme auf, die im Land herrschen. Er sagt auch, dass die Partner, die Entwicklungshilfe leisten, oft die Augen vor diesen Problem verschließen. Sich nicht trauen, etwas aufzuzeigen oder gar anzusprechen. Und so hat die laotische Regierung weiterhin die Möglichkeit, so zu agieren, wie sie es bisher getan hat. Niemand hält sie dabei auf.

Von China gezahlt, von Luxemburg akzeptiert

Vielleicht ist es auch einfach nicht glaubwürdig, wenn Luxemburg große Kritik ausübt. International wird Laos auch vorgeworfen, blind Investitionen aus China zu akzeptieren. Der große Nachbar hat dabei praktisch freie Hand, immerhin bringt er ja viel Geld mit.

Also baut China Staudämme, Krankenhäuser, Plantagen – aber auch eine Zugstrecke. Jene Zugstrecke, die durch ganz Laos laufen wird und für die ganze Dörfer umgesiedelt werden. Zu genau dieser Zugstrecke hat Luxemburg erst im März ein Memorandum of Understanding mit China unterschrieben. China wird profitieren, weil es Güterzüge nach Europa bringen kann. Luxemburg wird profitieren, weil es als Drehkreuz für die Waggons aus Asien fungieren kann. Großer Profit für Laos wird allerdings kaum abfallen.

Der luxemburgischen Politik fehlt es also auch an Kohärenz. Einerseits wird den Ärmsten der Armen geholfen. Andererseits werden Projekte unterstützt, die Menschenrechtsverletzungen und möglicherweise weitere Armut fördern. Dass Laos seinerseits das Einwirken von China akzeptiert, liegt dagegen auf der Hand. Ebenfalls kommunistisch und streng traditionell. Nur stärker business-orientiert.

Der Westen hat seine Spuren hinterlassen

Dass die Hemmschwelle in Richtung Westen jedoch hoch ist, kann man Laos auch kaum verübeln. Der Vietnam-Krieg hinterlässt bis heute seine Spuren, viele Landesteile sind immer noch regelrecht mit Minen verseucht. Kinder, die draußen spielen, greifen nach ihnen, weil sie denken, es wären Bälle. Bei der Feldarbeit treten Bauern darauf, werden im besten Fall nur leicht verletzt oder sterben noch an Ort und Stelle.

Schätzungsweise wird es noch 20 Jahre dauern, bis das Land von den Minen befreit ist. Die USA haben nach den Attacken und dem Krieg übrigens keine Verantwortung übernommen und die Menschen dort ihrem Schicksal überlassen.

Paulette Lenert sagt, sie versuche als Ministerin für Entwicklungshilfe, das Glas „lieber halbvoll statt halbleer“ zu sehen. Sie will in Zukunft auch verstärkt in die Bildung der Menschen investieren. Damit sie selbstständiger und selbstbewusster werden. Vielleicht erheben sie ja dann irgendwann ihre Stimme. Bis es so weit ist, wird es aber noch dauern. In einer so langen Partnerschaft wie sie zwischen Luxemburg und Laos besteht, hätte aber auch schon jetzt Kritik erlaubt sein müssen. Denn es geht nicht nur um die Akzeptanz eines Regimes, sondern auch um die eigene Glaubwürdigkeit der Entwicklungshilfe.