Wer in Phadai ankommt, taucht in eine andere Welt ein. Das kleine laotische Dorf liegt abgelegen, weit entfernt von der Hauptstadt Vientiane und dem Touristenort Luang Prabang. Die Gewohnheiten dieser Menschen zu ändern, ist alles andere als einfach. Eine Reportage.
Geduscht wird entlang der rot-braunen Schlammstraße. Ohne Kabine, ohne Vorhang, ohne Privatsphäre. Nackt oder mit Tuch und Unterhose mitten in einem Dorf. Zwei Mütter stehen gerade mit ihren Kindern bei der Wasserpumpe, als die weißen SUVs der Luxemburger Delegation an ihnen vorbeifahren.
Der Weg in das abgelegene Dorf ist ein holpriger. Von der asphaltierten Straße kämpfen sich die Autos irgendwann über die glitschigen Schlammwege, die bis zum Ziel führen sollen. Es geht vorbei an Wäldern, Reisfeldern, Berglandschaften. Noch ist Regenzeit in Laos. Die Sonne drückt zwar an diesem Tag vom Himmel, doch der Regen hat in Form von Pfützen und Schlamm seine Spuren hinterlassen.
Ein Bild von Armut und Spärlichkeit
Entwicklungsministerin Paulette Lenert ist auf Arbeitsvisite in Laos und schaut sich eine ganze Reihe an Projekten an, die von Luxemburg unterstützt und finanziert werden. Sie macht auch Halt in Phadai, einem Dorf in der Provinz Bolikhamxay, das von großer Armut betroffen ist.
In Phadai angekommen werden die Gäste mit Hitze, Luftfeuchtigkeit und vielen Eindrücken begrüßt. Erst finden alle es heiß, später fast schon unerträglich. Auf eine offizielle Zeremonie mit Reden, Tänzen und einem Essen im örtlichen Versammlungsraum, folgt ein Rundgang durch das Dorf.

Die Hunde laufen durch die Straßen, es geht vorbei an kleinen Kindern, an ihren Eltern und an älteren Menschen, denen ihr Alter ins Gesicht geschrieben steht. Sie alle sitzen entweder im oder vor dem Haus und schauen sich an, was da gerade passiert. Wer da durch ihr Dorf marschiert. Dort, wo sonst so gut wie niemand von außerhalb hinkommt.
Wie ihr Alltag aussieht, lässt sich nur anhand dessen erahnen, was man an diesem Tag sieht. Die Menschen haben eigentlich nur sich selbst. Ihr Haus, ihre Familie, ihr Dorf. Nur selten einen Beruf, keine Stadt in der Nähe, keine Abwechslung.
Eines der ersten Hilfsprojekte
Ein Haus ist hier nicht viel mehr als ein zerbrechliches Gartenhäuschen. Mal aus Bambus, mal aus Holz – wenn es stabil ist, dann aus Stein. Die Menschen hängen ihre Kleider entweder draußen an Wäscheleinen, Stangen, an den Traktor oder einen Gartenzaun. Sie essen das, was bei ihnen wächst und leben mit dem, was sie haben. Holz holen sie aus dem Wald, Reis von den Feldern, Eier von ihren Hühnern. Vielleicht haben sie auch ein Telefon, wer Glück hat, hat sogar ein Auto.
Die meisten Menschen hier haben allerdings keine Arbeit, mit der sie Geld verdienen. Sie leben vor allem von der Landwirtschaft. Von dem, was sie selbst anbauen und benötigen, um überleben zu können.
In Phadai wird seit 2016 Hilfe geleistet. „Es war eines der ersten Dörfer, in dem Luxemburg aktiv geworden ist“, sagt Paulette Lenert während ihrer offiziellen Ansprache im Dorf. Insgesamt profitieren 229 Laotische Ortschaften von einem Budget von 30 Millionen Euro. Während der Reise in Laos wurde das Budget noch einmal um 7 zusätzliche Millionen von Luxemburg erhöht. Das Projekt aus Luxemburg nennt sich LAO/030 wird von der staatlichen Agentur Lux Development geleitet und läuft unter der Bezeichnung der ländlichen Entwicklung.
Will heißen: In der Ortschaft haben durch die Unterstützung aus Luxemburg mittlerweile 80 Prozent der 280 Haushalte Strom, 90 Prozent haben eine eigene Toilette, es gibt eine neue Grundschule im Dorf und die Gemeinschaft hat durch mehrere Wasserpumpen Zugang zu sauberem Wasser. Alles Infrastrukturen, die gut bei den Menschen ankommen.

Paulette Lenert schaut sich das Haus einer Familie genauer an. Bereits beim Eintreten steigt ein rauchig-heißer Duft in die Nase. Die Luft steht praktisch im Haus. Die Familie erntet ihren eigenen Reis und hat auch eine Feuerstelle, auf der sie ihn in einem Topf erhitzen kann. So soll er trocknen, damit sich später seine Schale leichter lösen lässt.
Hinter dem Wohn- und Schlafraum steht der Kochtopf auf offener Flamme. Dort soll sich die Küche befinden, viel mehr als eine Feuerstelle gibt es aber nicht. Die Familie hat offenbar Glück, denn nicht jeder hat eine solche Feuerstelle. Wer keine hat, kommt hier vorbei, um seinen Reis zu kochen.
Ohne Vertrauen geht es nicht
Früher sind die Frauen aus Phadai in den Wald gegangen, um ihre Kinder zur Welt zu bringen. Die Menschen hatten keine Ausbildung, kein sauberes Wasser. Sie haben das getrunken, was der Regen ihnen brachte.
Doch es tut sich durch LAO/030 viel in Phadai. Die Hilfe besteht einerseits aus einer Verbesserung der Infrastrukturen und einem Zugang zu Wasserpumpen. NGOs kommen regelmäßig vorbei, um die Menschen zu impfen und ihnen eine medizinische Unterstützung zu bieten.
Sie besteht aber auch darin, dass die Menschen lernen, sich selbst zu helfen. Sie lernen, sich und ihre Familien ausgewogener zu ernähren, ihr Land besser zu nutzen und zu bepflanzen. Entscheidungen, die das Dorf betreffen, sollen in der Gruppe besprochen und beschlossen werden.
Doch wie nachhaltig kann Entwicklungshilfe an einem Ort wie Phadai sein? „Durch mehr Gruppenzusammenhalt soll auch eine Dynamik entstehen, die das Dorf voranbringt“, sagt Peter Hansen von Lux Dev. Wenn jeder mit eingebracht werde, würde das helfen. Hansen führt die Gruppe durch das Dorf. Er leitet das Projekt LAO/030. Und er sagt, dass es deutliche Fortschritte gibt.

Es geht demnach nicht nur darum aufzulisten, was dort umgesetzt werden soll. Von den Teams wird auch analytische Arbeit verlangt. Das alles braucht nicht nur Zeit, sondern auch das Vertrauen der Menschen in die NGOs. Beide Seiten müssen zusammenarbeiten, die Menschen müssen mit eigenen Augen sehen, dass das, was die NGOs vorschlagen, ihnen auch wirklich etwas bringt.
An alten Traditionen festhalten
In Phadai leben ausschließlich Menschen, die der ethnischen Hmong-Gruppe angehören. Das Dorf besteht aus 280 Haushalten mit 369 Familien und rund 2040 Personen. Ein Durchschnittshaushalt zählt sieben Personen.
Die Hmong leben sehr zurückgezogen und vor allem in bewaldeten Berggebieten. Sie werden häufig von der Regierung umgesiedelt, damit die auf ihr Land zugreifen kann. Die Geschichte der Gruppe in Phadai ist aber eine andere. Sie war lange Zeit im Streit mit der Laotischen Regierung und hat schließlich dieses Land zugesprochen bekommen, um den Frieden zu wahren.
Das Problem bei dieser ethnischen Gruppe: Sie hat ihre eigene Sprache, ihre eigenen alten Traditionen, ihre eigenen Gewohnheiten. Sie hat auch keinen Bezug zur Außenwelt. Dass in ihrem Dorf die NGOs die Armut in den Griff bekommen wollen, ist an sich gut – aber unter diesen Bedingungen auch schwierig. Alte Gewohnheiten langfristig zu ändern, wird auch in Zukunft eine Herausforderung sein.
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