Déi Lénk wollen sich als sozial-ökologische Programmpartei neu erfinden. Eine konsequente Klimapolitik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Bis Luxemburgs Linke damit bei der Stammwählerschaft der grünen Konkurrenz punkten kann, ist es aber noch ein weiter Weg.
Das Wahlprogramm strotzt geradezu vor grünem Idealismus. Den „Preis für Diesel-Kraftstoffe für die KonsumentInnen schrittweise und berechenbar erhöhen“, eine „progressive Preisstruktur“ für Strom und Wasser einführen, der „Ernährung mit pflanzlichen Proteinen“ mehr politische Bedeutung geben: In Sachen Klimaschutz liest sich das Programm von Déi Lénk wie ein Forderungskatalog, den man eigentlich von Déi Gréng erwartet.
Luxemburgs Linke wird an vielen Stellen allerdings konkreter und scheut sich nicht zu sagen, dass Klimaschutz etwas kostet. Wenn es nach der Oppositionspartei geht, sollen aber vor allem die wohlhabenden Haushalte und Unternehmen für die große Klima-Transformation zahlen.
Es handelt sich dabei um eine programmatische Wende, die sich in den vergangenen Jahren nahezu europaweit durchgesetzt hat. Der sozial gerechte Klimaschutz ist eines der Kernthemen der Linksparteien geworden. Oft fehlte es den Parteien jedoch an der nötigen Glaubwürdigkeit. Als Regierungspartei im deutschen Brandenburg hat die Linke etwa noch 2014 den Ausbau eines Kohletagebaus beschlossen. In Frankreich setzte sich die „France Insoumise“ im Wahlkampf eigentlich für einen höheren Dieselpreis ein. Als sich die Protestbewegung der Gelbwesten gründete, hat die Partei ihre Position jedoch geändert.
Der Konflikt zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit bleibt also bestehen. Auch bei Luxemburgs Linkspartei steht ihr Anspruch, Arbeiter und Geringverdiener politisch zu vertreten, einer konsequenten Umweltpolitik noch im Weg. Es ist ein Problem, das sie mit der LSAP teilt. Rhetorisch versucht man zwar, nicht zwischen beiden Politikbereichen entscheiden zu müssen. Dieses Anliegen gelingt jedoch nur theoretisch, also etwa im Wahlprogramm.
„Zu wenig, zu spät“
Das Credo der Regierung, wonach es durch die Klimapolitik keine Verlierer geben dürfe, lehnt Myriam Cecchetti ab. „Wohlhabende Menschen, die etwa für ein Wochenende nach Rom fliegen, sind die wahren Klimasünder, sie sollten auch entsprechend zur Kasse gebeten werden“, so die kürzlich im Parlament vereidigte Abgeordnete im Gespräch mit Reporter.lu. Zurzeit müssten sich viele Menschen noch fragen, ob sie sich Investitionen für den Klimaschutz leisten können. Daran würden auch die vielen Prämien der Regierung nichts ändern, sagt die klimapolitische Sprecherin von Déi Lénk.
Die Grünen sind seit ihrer Regierungsbeteiligung zu weit in die Mitte gerutscht. Zwar passiert endlich was in Sachen Klimaschutz, aber es ist noch immer viel zu wenig.“Myriam Cecchetti, Abgeordnete von Déi Lénk
Die aktuelle Regierungspolitik gehe für die Partei nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Geringverdienern ein. Auch die Klimaaktivistin Zohra Barthelemy kritisierte den Ansatz von Blau-Rot-Grün. „Einem Geringverdiener, der einen Gebrauchtwagen für 3.000 Euro kauft, nützt auch eine Prämie von 8.000 Euro für ein Elektroauto nichts“, sagte die Klimaaktivistin von „Youth for Climate“ kürzlich im Interview mit Reporter.lu.
Das Problem sei viel tiefgreifender, meint Myriam Cecchetti. Selbst höhere Prämien würden nicht ausreichen, um die Gesellschaft auf ein umwelt- und klimaschonendes Leben umzustellen. „Durch die Wohnungskrise leben Geringverdiener weit von ihrem Arbeitsplatz entfernt und sind oft schlecht an den öffentlichen Transport angebunden“, erklärt die Abgeordnete. Es benötige deshalb einen „transversalen Ansatz“, um die Klimakrise zu bekämpfen.
Myriam Cecchetti war selbst lange Mitglied von Déi Gréng und trat vor rund vier Jahren aus der Partei aus. Bei Déi Lénk fühlt sie sich heute mit ihren ökologischen Überzeugungen zu Hause. Sie spricht von Wohnungsbau, lokalen Produktionsketten, dem Ausbau des Zugnetzes, erneuerbaren Energien und Fleischverzicht. In vielen Bereichen habe die Regierung zwar erste Schritte unternommen, doch die Maßnahmen würden zu spät kommen und nicht ausreichen, kritisiert die Abgeordnete.
Sozial-ökologische Wende
Der Diskurs der Partei unterscheidet sich dabei grundsätzlich von den Grünen. Während spätestens die Regierungsbeteiligung die Partei zu Realpolitik und somit auch weniger ambitionierten Zielen verleitete, kann die Linke weiterhin Maximalforderungen stellen. Anders als Déi Gréng setzt sie dabei auch auf messbare Ziele und Maßnahmen. So schreiben die Grünen in ihrem Wahlprogramm etwa eher abstrakt, dass sie die „Abhängigkeit der öffentlichen Finanzen vom Tank- und Tabaktourismus“ verringern wollten. Déi Lénk fordern ihrerseits konkret eine schrittweise Erhöhung des Dieselpreises.
In der Landwirtschaft wollen die Grünen langfristig vollständig auf Bio setzen. Déi Lénk auch, doch sie legen gleichzeitig schon ein erreichbares Zwischenziel von 20 Prozent bis 2025 fest. Während die Grünen vegetarische Alternativen in Mensas fordern, will Myriam Cecchetti das Fleischangebot auf ein bis zwei Tage pro Woche reduzieren. In fast allen umweltpolitischen Fragen geht die Programmatik von Déi Lénk mindestens einen Schritt weiter als die der Grünen.
Der Grund für den radikaleren Kurs liegt auch bei den Parteimitgliedern. Nach einem internen Streit im Gemeinderat von Sassenheim, der fast zu ihrem Parteiausschluss führte, verließ Myriam Cecchetti die Partei freiwillig und wechselte zu Déi Lénk. „Die Grünen sind seit ihrer Regierungsbeteiligung zu weit in die Mitte gerutscht. Zwar passiert endlich was in Sachen Klimaschutz, aber es ist noch immer viel zu wenig“, sagt die Abgeordnete heute. Dabei hat der Parteiwechsel einer ehemaligen Schöffin der Grünen der Glaubwürdigkeit der Linken sicher nicht geschadet.
Dieses Verdienst teilt sich die neue Abgeordnete mit Katy Fox. Die Mitgründerin des „Centre for Ecological Learning Luxembourg“ kandidierte bei den letzten Parlamentswahlen im Nordbezirk für Déi Lénk. Die Organisation ist Teil der Transition-Bewegung, die sich für greifbaren Klimaschutz auf lokaler Ebene einsetzt. Diese Mitgliedschaften sind bezeichnend für die Fortschritte, die Déi Lénk in der Umwelt- und Klimapolitik gemacht hat. Für viele Menschen, die sich ehrenamtlich oder beruflich für Klimathemen einsetzen, ist die Partei zu einem neuen Zuhause geworden.
Klimaschutz vs. Klimagerechtigkeit
Offenbar können allerdings auch Déi Lénk das Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit nicht auflösen. Auf die Frage, ob sie etwa für eine höhere CO2-Bepreisung sei, weicht Myriam Cecchetti aus. Das Thema gilt innerhalb der Partei als heikel. „Während die Regierung die Klimakrise als Vorwand für weitere Steuervorteile für Wohlhabende macht, werden Arbeitnehmer bestraft, wenn sie sich nicht klimakonform verhalten“, formulierte es David Wagner während der parlamentarischen Debatte zum Staatshaushalt 2021. Die CO2-Steuer sei in ihrer aktuellen Form eine weitere finanzielle Belastung für Geringverdiener, so der ehemalige Abgeordnete von Déi Lénk.
Wohlhabende Menschen, die etwa für ein Wochenende nach Rom fliegen, sind die wahren Klimasünder, sie sollten auch entsprechend zur Kasse gebeten werden.“Myriam Cecchetti, Abgeordnete von Déi Lénk
Der beschlossene soziale Ausgleich würde die höheren Ausgaben auch nicht wettmachen, so David Wagner weiter. „Die, die am stärksten betroffen sind, haben trotz Beihilfen große Verluste.“ Er forderte anschließend die CO2-Steuer in den Verbraucherpreisindex einfließen zu lassen. Die Motion wurde jedoch von den Regierungsparteien ohne Begründung verworfen. Somit war der soziale Ausgleich für die Partei trotz einer Erhöhung des Steuerkredits und der Teuerungszulage nicht sichergestellt.
Während ihres Neujahrsempfanges bezogen Déi Lénk dennoch eine klare Position zur neuen Steuer. „Die CO2-Steuer ist ineffizient, sie vertraut blind dem freien Markt und sie verstärkt soziale Ungleichheiten“, sagte etwa Parteisprecher Gary Diederich laut dem „Luxemburger Wort“. Im Zweifel überwiegt also auch bei den Linken die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Auch aus diesem Grund gibt es noch keine Massenbewegung von den Grünen zu den Linken.
Die ewige Oppositionspartei
Für sozial und ökologisch bewusste Wähler ist die Partei allerdings auch aus anderen Gründen noch keine Option. Déi Lénk machen kein Geheimnis daraus, dass sie an einer Regierungsbeteiligung nicht interessiert sind. Zudem stehen die Chancen dafür, anders als etwa in Deutschland, seit jeher schlecht. In Luxemburg gab es seit dem Zweiten Weltkrieg rechnerisch noch nie die Möglichkeit eines Linksbündnisses auf nationaler Ebene. Auch die Positionen der Partei in der Außen- und Sicherheitspolitik wären wohl ohnehin nicht nur für potenzielle Koalitionspartner, sondern auch für mögliche Wähler eine unüberbrückbare Hürde.
Ein klares Parteiergreifen im Nahostkonflikt gilt bei den Linken als heißes Eisen. Das Gleiche gilt für die Position, wonach Luxemburg aus der NATO austreten soll. Auch das Verhältnis der Partei zur Europäischen Union ist angespannt. In ihrem Wahlprogramm zu den Europawahlen lehnten Déi Lénk die aktuelle „neoliberale Ausrichtung“ der EU ab und forderten grundlegende Reformen der Europäischen Verträge. Beides fordert auch ihre französische Schwesterpartei. Anders als „France Insoumise“ setzen sich Luxemburgs Linke aber zumindest nicht offiziell für den Austritt aus der EU ein, falls diese Reformen nicht kommen sollten.
Demnach kann das dezidiert grüne Programm von Déi Lénk nicht über größere inhaltliche Divergenzen hinwegtäuschen. Vor allem hat die Partei noch keinen glaubwürdigen Weg gefunden, um ihr ambitioniertes ökologisches Konzept in Einklang mit ihrem Einsatz für eine sozial gerechtere Gesellschaft zu bringen. Dadurch sind Déi Lénk in der Selbstwahrnehmung vielleicht die besseren Grünen. Doch ansatzweise verwirklichen können sie diese Politik in absehbarer Zeit nicht.

