Alle Parteien sind sich einig, dass die aktuelle Besteuerung der „Stock options“ nicht mehr haltbar ist. Doch abschaffen will Blau-Rot-Grün das umstrittene Steuersparmodell für Manager nicht. Und das liegt nicht ausschließlich am fehlenden politischen Mut.
Die Abgeordneten der blau-rot-grünen Mehrheit ließen sich Ende September von der Opposition vorführen. In einem Antrag im Parlament forderten Vertreter von CSV, Déi Lénk und Piraten die Steuervergünstigung in Form von „Stock options“ abzuschaffen. Es sei ein ungerechtes und verfassungswidriges Instrument, dessen Auslaufen auch im Koalitionsvertrag festgehalten sei, so die Argumentation der Oppositionsparteien.
Die Antworten der Koalition zeigen, dass Blau-Rot-Grün keine klare Richtung hat. Dabei schwelt die Frage mindestens seit der Arbeit an der vorigen Steuerreform von 2017. LSAP-Fraktionschef Georges Engel meinte im Parlament, dass er vollstes Vertrauen in die Regierung habe, die in Kürze Vorschläge auf den Tisch legen werde. Aus Koalitionskreisen ist inzwischen zu hören, dass eine Reform 2021 Realität werden könnte.
Aus der Reaktion des DP-Fraktionschefs Gilles Baum lässt sich erahnen, warum es bei der Reform der „Stock options“ weitere Verzögerungen gibt. Die Folgen, wenn dieses Instrument ersatzlos gestrichen würde, seien nicht absehbar, meinte der Liberale in der Debatte. Und tatsächlich machte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) bis heute keine Angaben über die Auswirkungen seiner vorigen Reform der „Stock options“. 2017 hatte die Regierung die effektive Besteuerung der Aktienoptionen von 12,5 auf knapp 21 Prozent erhöht. Eine gesetzliche Regelung lässt aber weiter auf sich warten.
Eine teure Steuervergünstigung
Das Prinzip hinter den „Stock options“ ist relativ simpel: Unternehmen können ihren leitenden Angestellten bis zur Hälfte ihres Gehalts in Form von Aktienoptionen zahlen – üblicherweise geht es um Bonuszahlungen. Der Staat besteuert anschließend diese Zahlungen mit knapp 21 Prozent (vor 2017: 12,5 Prozent), statt der 43 Prozent die „normale“ Angestellte auf ihre Boni zahlen.
Das Finanzministerium schätzte die Einnahmeverluste des Staates durch diesen Steuervorteil Mitte 2018 auf 60 bis 80 Millionen Euro pro Jahr. Die höhere Besteuerung der „Stock options“ trat aber erst zum Januar 2018 in Kraft. Für das Jahr 2017 ging der Finanzminister von 135 Millionen Euro Mindereinnahmen aus. Es fehlen jegliche Angaben des Finanzministeriums zum Steuerausfall der Jahre 2018 und 2019 aufgrund dieser Maßnahme. Entsprechende Zahlen würden bis heute nicht vorliegen, heißt es auf Nachfrage von Reporter.lu aus dem Ministerium.
Pi-mal-Daumen-Schätzungen
Der einzige Anhaltspunkt bleibt also die Pi-mal-Daumen-Schätzung von 60 bis 80 Millionen Euro. Damit stehen die „Stock options“ in den Top-Fünf der teuersten Steuervorteile. Nur vier Maßnahmen für Privatpersonen kosten den Staat laut Budget 2020 mehr: der Mehrwertsteuersatz von drei Prozent beim Bau des Eigenheims (267 Millionen), der „bëllegen Akt“ (190 Millionen), der steuerbefreite Verkauf des Eigenheims (112 Millionen) und die Absetzbarkeit von Zinsen auf Immobilienkrediten (87 Millionen).
„Stock options sind sehr wichtig, um Talente anzuziehen und an ein Unternehmen zu binden.“Marie-Aline Peetermans, Handelskammer
Ein großer Unterschied: Diese Fördermaßnahmen für Eigenheimbesitzer sind politisch unumstritten und klar per Gesetz geregelt. Für die „Stock options“ gilt weder das eine, noch das andere. Denn das kostspielige Instrument ist nur per Rundschreiben des Steuerdirektors („circulaire“) geregelt.
2016 und 2017 profitierte jeder Nutznießer von „Stock options“ im Schnitt von einem Steuervorteil von 36.500 Euro. Gleichzeitig ist ungewiss, was diese Begünstigung von weniger als einem Prozent der Beschäftigten dem Staat bringt. „Der Kostenpunkt von 60 bis 80 Millionen Euro ist ein maximaler Verlust, denn das Instrument hat an anderer Stelle positive Effekte auf die Staatseinnahmen. Nur sind diese Auswirkungen kaum messbar“, betont der Direktor des Think-Tanks Idea, Muriel Bouchet.
Ein vielschichtiges Instrument
Aus Unternehmenssicht ist der Vorteil klar: Der Manager hat mehr Netto vom Brutto. „Stock options sind sehr wichtig, um Talente anzuziehen und an ein Unternehmen zu binden“, erklärt Marie-Aline Peetermans, Senior Legal Advisor der Handelskammer. Sie warnt: „In jedem Fall muss verhindert werden, dass das aktuelle System der ‚Stock options‘ abgeschafft wird, ohne ein gleichwertiges und wettbewerbsfähiges Instrument der Mitarbeiterbeteiligung als Ersatz vorzusehen. In 24 europäischen Ländern gibt es einen solchen Steuervorteil oder Pläne die Maßnahme einzuführen.“
Das undurchsichtige Instrument der Stock options wird graduell durch transparentere und gerechtere Maßnahmen ersetzt werden.“Premier Xavier Bettel in 2018
Hinter dem Begriff „Stock options“ verbergen sich dabei unterschiedliche Instrumente. Man müsse klar unterscheiden zwischen Optionen auf Aktien des Unternehmens selbst und Optionen auf sogenannte ‚warrants‘, die keinen direkten Bezug zum Arbeitgeber haben, so Marie-Aline Peetermans.
Große Unternehmen wie etwa SES, ArcelorMittal oder Amazon bieten ihren Managern Optionen auf Aktien des jeweiligen Unternehmens oder daran angelehnte Werte. Bei Banken oder den „Big Four“ sind es meist sogenannte „Warrants“, die an einen Aktienindex angelehnt sind. Im ersten Fall hängt die Bezahlung des Managers also mit dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Firma zusammen, im zweiten Fall ist dieser ohne Wirkung.
Verfassungsrechtliche Grauzone
Das ist auch die einzige konkrete Spur der Reform, die in Luxemburg geplant ist. Die Regierung wolle „die Teilhabe der Angestellten am Gewinn ihrer Unternehmen begünstigen“, heißt es im Koalitionsabkommen. „Es ist vorstellbar, in einer Reform die Bedingungen anzupassen und die Steuervergünstigung mit einer stärkeren Verbindung zur Leistung des Unternehmens zu verknüpfen“, sagt auch Marie-Aline Peetermans von der Handelskammer.
In der Praxis ist eine solche Anpassung aber nicht so einfach. Welche Form von „Stock options“ lässt man zu? Wie hoch bewertet man den geldwerten Vorteil, den der Arbeitnehmer daraus zieht? Jene europäischen Länder, die eine ähnliche Steuervergünstigung haben, geben darauf unterschiedliche Antworten. Häufig frieren Unternehmen die Aktienoptionen während mehreren Jahren ein, um die betroffenen Mitarbeiter an sich zu binden. Auch dies wird in den Ländern steuerlich unterschiedlich bewertet.
Ein Gesetz müsste also deutlich transparenter und detaillierter auf diese Fragen eingehen, als es das aktuelle Rundschreiben tut. Mit der gegenwärtigen Praxis bewegt sich die Regierung zudem verfassungsrechtlich in einer Grauzone. Weitere Anpassungen der außergesetzlichen Regeln würden die Lage demnach nicht besser machen.
„Das undurchsichtige Instrument der Stock options wird graduell durch transparentere und gerechtere Maßnahmen ersetzt werden“, versprach Premierminister Xavier Bettel in seiner Regierungserklärung von 2018. Doch auch zwei Jahre später hapert es noch an der Transparenz sowie an der Ausarbeitung konkreter Maßnahmen.
Lesen Sie mehr zum Thema


