Erbschaftssteuer, Steuern auf Immobilienfonds, Vermögen und Finanztransaktionen: CSV-Präsident Frank Engel fordert im Gespräch mit REPORTER konkrete Maßnahmen zur Schärfung des sozialpolitischen Profils der CSV. Hochrangige Parteifreunde widersprechen. 

Die CSV müsse wieder die Partei der „kleinen und normalen Leute“ werden, sagt Frank Engel. Besonders angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise plädiert der Parteivorsitzende der CSV für eine stärker sozial ausgerichtete Politik und damit ein entsprechend stärker ausgeprägtes „soziales Profil“ der Partei. „Wir brauchen eine Politik zugunsten von jenen Bürgern, die Unterstützung am meisten nötig haben“, so der CSV-Parteichef im Interview für den REPORTER-Podcast „De Briefing“.

Um jene Menschen zu unterstützen, die aktuell oder nach der Krise von Arbeitslosigkeit oder sozialem Abstieg betroffen sind, müsse der Staat laut Frank Engel mehr Einnahmen generieren. An dieser Stelle vertritt der CSV-Präsident einen klassischen Ansatz der Umverteilung. Zur Finanzierung der Kosten der Krise dürfe es keine Steuererhöhungen für die unteren und mittleren Einkommen geben. Stattdessen müsse es einen zusätzlichen Beitrag von jenen Bürgern geben, denen es finanziell „gut geht“ und die nicht auf Lohneinkommen angewiesen sind.

Eine „Solidaritätsanstrengung“ der Wohlhabenden

Der Parteichef nennt in diesem Zusammenhang mehrere Maßnahmen, die er in den kommenden Wochen in die politische Diskussion einbringen wolle. Erstes Beispiel: Laut dem CSV-Parteichef könne man durchaus „etwas an der Vermögensteuer drehen“. Der wirkliche Reichtum im Land werde momentan viel zu niedrig besteuert, so Frank Engel. Bei der finanziellen Bewältigung der Corona-Krise müsse man deshalb auf die Fähigkeit und die Bereitschaft der Wohlhabenden des Landes zählen. Der CSV-Präsident nennt es eine „Solidaritätsanstrengung“.

Die Meinung des CSV-Präsidenten ist in diesem Fall die Meinung des CSV-Präsidenten.“Gilles Roth, Vize-Fraktionschef der CSV

Auch bei den steuerlich bevorteilten Immobilienfonds, sogenannte „Fonds d’investissements spécialisés“, will der CSV-Politiker ansetzen. „Es ist nicht normal, dass hier Milliarden über Milliarden Euro gebunkert werden, die der Staat nur im Promille-Bereich besteuert“, so Frank Engel. Diese Art von Spekulation gehöre „intensiv besteuert“ – übrigens gehört laut Engel „jegliche Form von Spekulation intensiv besteuert“.

In diesem Sinn spricht sich der CSV-Politiker auch für eine Steuer auf Finanztransaktionen aus. Er sei immer für eine solche Steuer gewesen, so der ehemalige Abgeordnete im Europäischen Parlament. Für einen nationalen Alleingang sei er zwar nicht, so Engel. Der luxemburgischen Regierung legt er jedoch ans Herz, sich einer solchen Maßnahme auf EU-Ebene nicht weiter zu verschließen. Ebenso spricht sich der Parteivorsitzende für eine klimapolitisch wirksame CO2-Steuer aus.

Frank Engel: Die Zeit der „Großzügigkeit“ ist vorbei

Auch eine Erbschaftssteuer in direkter Linie dürfe für seine Partei kein Tabu mehr sein, sagt Frank Engel. „Normale Bürger“, die „ein Gehalt von ein paar Tausend Euro“ und sonst keine Einkünfte haben, „sollte man in Ruhe lassen“, so der CSV-Präsident. Stattdessen müsse sich die Politik endlich mit den Personen beschäftigen, „die ganz andere Einkommen und Vermögen haben“. Konkret nennt Engel das Vermögen, zu dem Menschen gekommen sind, „die in ihrem Leben keine andere Leistung vollbracht haben, als geerbt zu haben“.

Ich kann mich nicht erinnern, dass in der CSV ein liberaler Flügel, der das Soziale als untergeordneten Politikbereich aufgefasst hat, jemals in der Mehrheit gewesen wäre.“Frank Engel, CSV-Parteivorsitzender

Auf die Frage, ob solche traditionell von linken Parteien stammenden Forderungen in der CSV mehrheitsfähig seien, sagt Frank Engel: „Ich kann mich nicht erinnern, dass in der CSV ein liberaler Flügel, der das Soziale als untergeordneten Politikbereich aufgefasst hat, jemals in der Mehrheit gewesen wäre.“ Die CSV sei eine Partei des Ausgleichs und um diesen müsse man sich natürlich auch innerhalb einer Volkspartei stets bemühen, so der seit Januar 2019 amtierende Parteichef.

Die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen seien keine linke, sondern „christlich-soziale Politik“, so Engel weiter. Im Prinzip habe die CSV schon immer für eine solche dezidiert solidarische Politik gestanden. Allerdings habe Luxemburg eben Zeiten hinter sich, in denen es dem Land und dem Staatshaushalt außerordentlich gut ging, und in denen man bei manchen Exzessen „nicht so genau hingeschaut“ habe. Diese „Großzügigkeit“, die laut Engel von Regierungen unterschiedlicher politischer Couleur ermöglicht wurde, sei aber spätestens mit der Corona-Krise vorbei.

Offener Bruch mit christlich-sozialer Programmatik

Die von Frank Engel ins Spiel gebrachten steuerlichen Maßnahmen stehen übrigens allesamt im Widerspruch zur regierungspolitischen Vergangenheit der CSV. Die Vermögensteuer für Privatleute wurde 2005 abgeschafft, die „Fonds d’investissements spécialisés“ in ihrer heutigen Form 2007 eingeführt, also jeweils von einer CSV-LSAP-Regierung. 2012 legten Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker und Luc Frieden auf EU-Ebene ihr Veto gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein.

Auf die programmatischen Denkanstöße des Parteivorsitzenden angesprochen, äußern sich denn auch gleich mehrere CSV-Politiker skeptisch. Fraktionschefin Martine Hansen betont etwa auf Nachfrage, dass eine Erbschafts- oder Vermögensteuer nicht mit dem Wahlprogramm der CSV vereinbar seien.

In diesen zwei Punkten bricht der CSV-Vorsitzende in der Tat offen mit der bisherigen Programmatik seiner Partei. Im Wahlprogramm von 2018 heißt es ausdrücklich: „Wir sagen Nein zur Einführung der Vermögenssteuer für Privatpersonen.“ Ebenso findet man dort den Satz: „Eine Erbschaftssteuer in direkter Linie ist für die CSV kein Thema.“

Gilles Roth: „Meinung des CSV-Parteipräsidenten“

Auch Gilles Roth, steuerpolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der CSV-Fraktion, erteilt den Forderungen von Parteichef Frank Engel eine höfliche, aber klare Absage. „Ich kann mich nicht erinnern, dass solche Programmpunkte in letzter Zeit jemals in Partei- oder Fraktionsgremien besprochen wurden“, sagt der Abgeordnete auf Nachfrage von REPORTER.

Der CSV sei ihr soziales Profil zwar seit jeher wichtig, erklärt Gilles Roth. Dabei müsse man als Volkspartei aber besonders die Mittelschicht im Blick haben, also jene Bevölkerungsgruppe, „die sich bald kein eigenes Haus mehr leisten kann“. Der Wohnungsbau und der Abstieg der Mittelschicht betreffe den Kern der sozialen Frage in Luxemburg und bedrohe mittelfristig den sozialen Zusammenhalt im Land, so der CSV-Parlamentarier.

Richtig ist, dass meine persönliche inhaltliche Ausrichtung von einer Reihe von Leuten in der Partei nicht zu 100 Prozent geteilt wird.“
Frank Engel, CSV-Parteivorsitzender

Allerdings sei er kein Verfechter einer radikalen steuerlichen Umverteilungspolitik. Die CSV sei gegen eine Erbschaftssteuer in direkter Linie und bleibe auch bei der Finanztransaktionssteuer skeptisch, so Gilles Roth. Nur bei der Besteuerung der „Fonds d’investissements spécialisés“ im Immobilienbereich könne man sich in Zukunft unter Umständen eine neue Position vorstellen, so der Steuerexperte der CSV-Fraktion. Ansonsten gelte: „Die Meinung des CSV-Präsidenten ist in diesem Fall die Meinung des CSV-Präsidenten.“

Parteivorsitzender pflegt sein Image als Querdenker

Welche Meinung wird sich in diesen Fragen also durchsetzen? „Richtig ist, dass meine persönliche inhaltliche Ausrichtung von einer Reihe von Leuten in der Partei nicht zu 100 Prozent geteilt wird“, sagt Frank Engel, der aktuell kein Mandat im Parlament hat. Man müsse nun parteiintern die unterschiedlichen Ansichten und Positionen vereinbaren, damit man am Ende eine Schnittmenge hat, mit der man Politik machen kann. „Das muss aber meiner Auffassung nach eine stärker sozial orientierte Politik sein“, so der Parteivorsitzende.

Frank Engel fällt nicht zum ersten Mal mit Positionen auf, die im klaren Widerspruch zur offiziellen Parteilinie stehen. Schon als EU-Parlamentarier wich der 45-Jährige öfters vom Mainstream der CSV und der Europäischen Volkspartei ab. In Luxemburg sprach er sich anders als viele seiner Parteikollegen konsequent für das Ausländerwahlrecht aus. Im vergangenen Jahr plädierte Engel zudem für einen neuen Anlauf, um das Wahlrecht für Nicht-Luxemburger im Rahmen der geplanten Verfassungsreform wieder auf die politische Agenda zu setzen. Eine Forderung also, mit der er sich bisher innerhalb der CSV nicht ansatzweise durchsetzen konnte.


Mehr zum Richtungsstreit in der CSV hören Sie in der neuen Ausgabe des REPORTER-Podcast „De Briefing“.


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