Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Notleidende Staatsdiener und andere Luxemburger Evergreens.

Die Pandemie ist aus den Köpfen, die Energiekrise mit Steuergeldern ertränkt und der Premier hat auf der COP27 den Klimawandel im Alleingang wegschwadroniert. Oder anders ausgedrückt: Endlich ist Zeit, sich den wahren Problemen des Landes zu widmen.

Gemeint ist natürlich die Rettung der am Hungertuch nagenden Staatsbeamten. Über zwei Jahre lang haben sie sich in heldenhafter Zurückhaltung geübt. Um in der Krisenzeit ihre Solidarität durchblicken zu lassen, verzichteten sie sogar gönnerhaft auf ihre gottgegebene Punktwerterhöhung. Damit ist nun aber endlich Schluss. „Eine Gehaltsaufbesserung ist mehr denn je gerechtfertigt“, so die Beamtenlobby CGFP. Sonst leide die „Attraktivität“ des ganzen Öffentlichen Dienstes. #NoJoke

Punktwerterhöhung or Die!

Wie eine rezente Studie in der Tat bestätigt, greifen die Staatsdiener nur läppische 8.688 Euro im Monat ab – im Durchschnitt aller Gehaltsklassen versteht sich. „Minister“ Marc Hansen findet das schlicht „korrekt“. Wenn Sie jetzt denken #Whaaat?! – sollten sie direkt damit aufhören, denn Sie sind ja nur neidisch. Eine Debatte darüber, ob die Gehälter im Öffentlichen Dienst noch verhältnismäßig sind, ihre weitere Erhöhung wirklich notwendig und warum die Politik stets rechtzeitig vor den Wahlen ihr wertvollstes Stimmvieh bei Laune hält, bringt uns wirklich nicht weiter.

Und überhaupt: Jeder Mindestlohnverdiener ist selbst schuld, wenn er nicht auch längst den Weg in den Schoß von Vater Staat gefunden hat. Privatwirtschaft ist eh nur was für prätentiöse Freigeister, Nicht-Luxemburger und sonstige Nullchecker – naja ok, und für jene, die den Luxemburger Beamtentraum mit ihren Steuerzahlungen überhaupt erst möglich machen. Aber auch diese Frage, woher all das gute Geld nur kommt, und ob das alles so nachhaltig ist, ist natürlich Teil jener Neiddebatte, die man tunlichst vermeiden sollte. #EisFinanzplazDatSiMirAll

Der wahre Grund, warum die krisengebeutelten Staatsbeamten mehr Cash in de Täsch verdient haben, ist aber nicht ihr lachhafter Lohn inklusive noch lächerlicherer Zulagen. „Irgendwann muss der pausenlose Einsatz der staatlichen Beschäftigten, die sich Tag für Tag in den Dienst der Bürger stellen, entsprechend honoriert werden“, schreibt der Wohlfahrtsverband CGFP. #EtGeetLoDéckDuer

Auch wir finden: Dass man „Tag für Tag“ auf der Arbeit auftaucht und „im Dienst der Bürger“ arbeitet, darf für Staatsbeamte nicht selbstverständlich sein. So viel Einsatz muss endlich mal belohnt werden. Zur Sicherheit könnte die CGFP eine neue „Allocation de présence“ aushandeln, die allen Beamten ausbezahlt wird, die morgens irgendwann ihre Tätigkeit beginnen und sie abends (naja gut, spätestens um Punkt 17.00 Uhr) beenden, und in der Zeit dazwischen auch durchaus anwesend waren. #FairGame

Lëtz chat about it

Es gibt aber Dinge, die selbst ein Staatsbeamter sich mit seiner Essenszulage, Familienzulage und 13. Monatsgehalt nicht kaufen kann: Zugehörigkeit, Geborgenheit, sozialer Kontakt, ja sogar Liebe! Und in diesem Punkt kann man der Regierung nicht vorwerfen, dass sie sich nicht kümmert. Also zumindest sieht es so aus.

Ein Mann, der vorgibt „Minister für Digitalisierung“ zu sein, kündigte vergangene Woche einen Messengerdienst namens „Luxchat“ an. Staatsbedienstete könnten sich über eine App „made in Luxembourg“ über das neue Menü der Staatskantine unterhalten oder Tipps für den Weihnachtsurlaub in New York austauschen – 100 Prozent sicher dank Verschlüsselung. Total praktisch!

Aber Sie werden es schon ahnen: Es ist ein Hoax – genau wie dieses Digitalisierungsministerium. Gäbe es eine Messenger-App für Beamte, würde diese natürlich „Lëtz‘ Chat“ heißen und man könnte nur Nachrichten mit dem Inhalt „Lëtz make it happen“ kombiniert mit „EmoXies“ verschicken. Das kann ja gar nicht anders sein.

Zweiter Hinweis, dass es sich wieder um eine Aktion des berüchtigten Ministerimitators Marc H. handelt: Es ist ein Produkt von der Stange – nix „made in Luxembourg“, wie die Kollegen von der „Woxx“ herausfanden. Es bleibt den armen Beamten also nichts anderes übrig, als über ihre AppleWatch zu kommunizieren oder standesgemäß über Formulare mit dreifachem Durchschlag. Oder sie machen es einfach wie der Chef-Chef Xav: Ganz lässig WhatsApp in einem diktatorischen Überwachungsstaat nutzen und damit in den Medien angeben. Was soll da schon schiefgehen? #Super!!!

Xav, der Kompilator

A propos Xav: Der hat es diese Woche dem frechen Knirps aus dem Parlament mal so richtig gezeigt. Sven Clement – der sich seine Haare grau färbt, um seiner Zielgruppe der über-60-jährigen Wutbürger*innen näher zu sein – wollte die Namen und Ränge aller hohen Beamten erfahren.

„Wei den Honorabelen Deputéierte selwer a senger Fro schreift, sinn déi Informatiounen der Ëffentlechkeet zougängeg. D’Regierung verweist den Honorabelen Deputéierten dowéinst op de Mémorial B an och op d’Telefonsbuch vum Staat unhand vun deene sech déi gewënschten Informatioune compiléiere loossen“, so die hochoffizielle Antwort Seiner Exzellenz, des Staatsministers. #OhSnap

Man hätte dem pfiffigen Fragesteller natürlich auch raten können, regelmäßig die Medien zu verfolgen – aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls haben wir die Background-Story zu dieser Antwort erfahren – frisch aus der gut besetzten Abteilung „Wir warten einen Monat und dann antworten wir nichts“ des Staatsministeriums. Denn in Wahrheit war die Antwort der Prank eines Beamten, der sich mit dem Wort „kompilieren“ an einem gewissen Copy-und-Paste-Premier rächen wollte …

Auszüge aus dem exklusiven Gesprächsprotokoll:

– „Wie soll ich das formulieren? ‚Der honorable Abgeordnete möge sich die Informationen selbst zusammensuchen‘. Das klingt fade.“

– „Schreib ‚kopieren‘! Der Clement ist doch Pirat, der findet das lustig!“

– „Meinst du?“

– „Ich habe eine noch bessere Idee: Schreib ‚kompilieren‘. Das traust du dich nicht. Wetten?“

– „Du wirst staunen … Wetteinsatz: eine Essenszulage?“

Dr. Tanson und Mr. Mosar

Sie wissen es vielleicht noch nicht, aber die halbe Retrospect-Redaktion ist im „Chômage technique“. Denn die Justizministerin (und unter anderem Fränz Biltgen) hat uns unser liebstes Spielzeug weggenommen: das Register der wirtschaftlichen Eigentümer (RBE). Und das so kurz vorm „Kleesschen“! #NotFunny

Etwas hat uns aber stutzig gemacht. Einen Tag später hat Laurent Mosar, Feind von allem Grünen und besonders von Sam Tanson, etwas Erstaunliches gesagt: „Und dann muss ich sagen – und das kommt mir selten vor –, dass ich die Justizministerin loben muss für ihre Reaktivität!“

Also, wenn das kein Glitch in der Matrix ist. Wenn man drüber nachdenkt: Eine „grüne“ Ministerin, die ein „Sicherheitspaket gegen Drogenkriminalität“ umsetzt. Ein „konservativer“ Abgeordneter, dessen Herz für Datenschutz schlägt – wir haben da einen schrecklichen Verdacht …

Nun könnte man sagen: Die Ministerin und ihr Bewunderer sind oft im gleichen Raum zu sehen. Aber: Sie kennen nicht die supergeheime AI-Deep-Fake-Technologie „100 percent made in Luxembourg“ des Marc H., die so einiges möglich macht. Und es wäre ja auch genial: Eine grüne Ministerin, die die Politik einer DP-CSV-Koalition umsetzt. Wir finden: Das „Luxemburger Wort“ sollte unbedingt Daniele Ganser zur Theorie befragen, ob Sam Tanson und Laurent Mosar ein und dieselbe Person sind. Der hat bestimmt eine Antwort.

Eréischt méi, dann manner

Antworten gaben auch wieder einige Wählerinnen und Wähler (1.072, um genau zu sein) im Rahmen des Politmonitors. Die extrem repräsentativen Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, oder vielmehr völlig abwegig! Denn laut der Umfrage soll doch tatsächlich der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum die Hauptsorge der Luxemburger sein. Gefolgt von den hohen Energiepreisen oder auch noch der größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich. Kein Wort zu den wirklich Leidenden unserer Gesellschaft, dem Luxemburger Beamtenprekariat – das kann sich nur um eine üble Fälschung der Anti-CGFP-Verschwörung handeln, die unsere Politik seit Jahrzehnten unterwandert hat.

Der Chef-Astrologe von TNS Ilres meinte übrigens im RTL-Interview, dass die Sorgen der Menschen im nächsten Jahr Thema im Wahlkampf sein könnten. #NoShitSherlock Ebenso meint er, dass die Wertverluste eines gewissen Lex Delles daran liegen würden, dass der DP-Präsident sich in letzter Zeit mehr zu kontroversen Themen geäußert habe. An dieser Stelle trifft die Analyse natürlich voll ins Schwarze, also ins Blaue. Denn das große Problem der Luxemburger Liberalen ist bekanntlich, dass sie sich immer so klar und konsequent zu politischen Fragen äußern. Wir finden: Im Wahlkampf soll damit ein für alle mal Schluss sein!

Vorbei sind auch die langen, mitunter etwas peinlichen Spekulationen über Pierre Gramegnas berufliche Zukunft. Musste sich der Ex-Finanzminister monatelang bei seinen Ex-Kollegen anbiedern, hat er sich nun endlich den Top-Job schlechthin gesichert: Direktor des Europäischen Stabilitätsmechanismus! #WhoopWhoop

Für all jene, die sich noch daran erinnern, warum Gramegna überhaupt aus der Regierung zurücktrat: Er wollte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Jetzt zeigt sich, dass der Kopernikus des Luxemburger Triple-A-Fetischismus doch volksnäher ist als man lange dachte. Denn nachdem er mehr Zeit mit seiner Familie verbrachte, will er jetzt doch weniger Zeit mit seiner Familie verbringen. Nach dem bewährten DP-Motto: Eréischt méi, dann manner!

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein schönes Wochenende und eine besinnliche Adventszeit!


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