Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Papa Xav macht Mut und weitere beruhigende Wahrheiten.
Jetzt mal ehrlich: Haben Sie sich in letzter Zeit schon mal bei der Regierung bedankt? Dafür, dass sie stets an Sie denkt und Ihnen immer so beherzt unter die Arme greift? Dafür, dass sie Sie durch den harten Winter bringen wird? Dafür, dass sie Verantwortung übernimmt, was ja für eine Regierung keine Selbstverständlichkeit sein darf?
Nein? Dann lassen Sie es sich noch mal gesagt sein: „Mir loossen d‘Bierger net eleng“, lautete die klare Ansage von Papa Premier Xavier Bettel in seiner Rede am Familientisch der Nation. In einfachen Worten, die auch wir unmündigen Wichte verstehen, sprach er uns richtig viel Mut zu. „Mir loossen eis net decouragéieren.“ „Mir stinn dat hei duerch. Zesummen. Sou wéi mir als Vollek scho vill schwéier Zäiten duerchgestan hunn. Dat ass Lëtzebuerg. Dat mécht eis aus.“ #LëtzebuergForLife
Noch besser als Lëtzebuerg ist bekanntlich nur seine absolute Weltklasse-Regierung. Was hat sie nicht alles schon in Grund und Boden regiert in den letzten neun Jahren: Die Staatsfinanzen „saniert“, mit „Rekordinvestitionen“ die Wirtschaft fit gemacht, „Flüchtlingswellen“, „Tornado“, „Überschwemmungen“, „Covid-Pandemie“ – Papa Xavs Aufzählung der eigenen Errungenschaften kannte kein Ende. All das schaffte zwar ganz Luxemburg, aber natürlich irgendwie auch nur diese endgeile Regierung, so der väterliche Premier in seiner Rede.
Papa Xav macht das schon
Und wie die politischen PR-Profis unter uns wissen: Die eigene Regierung im Parlament in den Himmel loben, das reicht in den heutigen Zeiten nicht mehr aus. Nach dem Motto: Tue Gutes, rede und drehe ein dramatisches Video darüber, ging die Premierpartei mal wieder in die sozial-mediale Offensive.
Und, da zeigt sich dann doch tatsächlich: Lëtzebuerg ist schon ziemlich nice, die Regierung noch besser und unfehlbarer. Doch so richtig tight ist natürlich der einzig wahre Premier, der aufopferungsvoll die Hände jedes Bürgers des Landes schüttelt, den Weltfrieden sichert und der gewohnt bescheidenen liberalen Erzählung nach den Krisen der vergangenen Jahre quasi im Alleingang den Garaus machte.

Da macht es dann auch nichts, dass in der Rede des Premiers keine wirklich neue Ankündigung drin war. Oder, wie es nur die besten Familienväter können: Etwas Tolles ankündigen, das nicht datiert oder budgetiert ist. Und Koalitionsgeschwister, die zwar da draußen vor den „RTL“-Mikros den großen politischen Wurf fordern, über mehr Gerechtigkeit, Klimaschutz und so’n Zeug quatschen, dann im Parlament aber plötzlich wieder handzahm sind und alles super finden, was Papa Xav da so alles nicht ankündigte. So macht Regieren richtig Spaß! #MirXaffenDat
Me, myself and I …
Ähnlich Ich-bezogen fiel diese Woche auch die Rede der Finanzministerin zum Budget aus. „Mat mir gëtt et kee finanzpoliteschen Harakiri!“, tönte Yuriko Backes, die das liberale Motto des „Me, Myself and I“ offenbar in Rekordzeit verinnerlichte. Dass die Staatsschulden rasant steigen und diese Regierung das Geld mittlerweile nicht mehr mit der Gießkanne, sondern mit dem Feuerwehrschlauch unter die Leute bringt, stört dabei freilich nur die schwarzen Schafe der Luxemburger Wohlfühlfamilie aka. parlamentarische Opposition.
Aber, wie nicht nur die japanophile Ministerin weiß: „Gegenfinanzierung“ oder „Steuergerechtigkeit“ sind bekanntlich fernöstliche Fremdwörter, die man bei bestem Willen nicht ins Luxemburgische übersetzen kann. Stattdessen machen wir es einfach so: Geld ausgeben, das man nicht hat – und dann ganz stark hoffen, dass die Wirtschaft bald wieder richtig brummt, die Staatskassen füllt und später behaupten, dass man als Regierung den Haushalt selbst saniert hat. Wenn man dann noch über die Chuzpe von Pierre „Kopernikus“ Gramegna verfügt, vergleicht man sich am Ende noch mit irgendeinem Revolutionär der Weltgeschichte, um die Genialität der eigenen Politik zu unterstreichen. #MissYou
Speak Truth to the Powerless
Andererseits: Laut den anderen Top-Ministern dieser Regierung hat das ganze Politikmachen ohnehin keinen Sinn mehr. Wer jedenfalls dachte, der Wohnungsbauminister sei dafür zuständig, die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt einzudämmen, dem rief Henri Kox diese Tage ein lautes „Denkste!“ #LOL #ROFL entgegen. Bei „RTL“ erklärte der Minister für Wohnungsbau, Spekulation und Partikularinteressen etwa, dass die Wohnungspreise nicht fallen sollen. Immerhin muss der „Invest“ sich ja noch lohnen!
Auch wir finden: Wo kämen wir denn bitte hin, wenn die Happy Few ein paar Tausend Euro weniger scheffeln, nur damit die Allgemeinheit auch in Zukunft ein erschwingliches Dach über dem Kopf hat?!

Die neue radikalgrüne Realpolitik setzt sich jedenfalls durch. Wie schon Vizepremier François Bausch, ebenso bei „RTL“, sagte: „Wir retten ja nicht das Klima in den nächsten fünf Monaten. So blöd sind wir ja nicht als Grüne.“ Dem Vernehmen nach wollen sich bald auch schon andere Kabinettskollegen ein Beispiel an den grünen Straighttalkern nehmen. Umweltministerin Joëlle Welfring will demnach schon bald dazu aufrufen, das lästige Recycling zu boykottieren. „Schmeißt euren Dreck ab sofort einfach in die Natur. Das ist viel einfacher, als Müll zu trennen. So blöd sind wir ja nicht als Grüne.“
Doch auch die anderen Parteien werden schon bald die Wahrheit auf den Tisch legen. Paulette Lenert hat sich offenbar schon den Spruch zurechtgelegt: „In der Gesundheitspolitik geht es eigentlich nicht darum, dass die Leute gesund bleiben. Es geht nur ums Geld der Ärzte und der Pharmaindustrie.“ Kooperationsminister Franz Fayot wird seinerseits zugeben, dass all die humanitäre Hilfe einfach nichts bringt. „Investieren Sie das Geld besser zu Hause in Immobilien. Wir garantieren auch, dass die Preise nicht fallen.“ Und sogar Jean Asselborn wird bald offenbaren, dass Frieden, Sicherheit und Solidarität reine Illusionen sind und er auch nie mehr ein Interview in einem ausländischen Medium geben will, weil er ja sowieso nicht den Hauch eines Einflusses auf das Weltgeschehen hat.
Deng Schoul, däi Beruf, keng Zukunft
Auch Claude Meisch, der alte Politfuchs, macht sich längst keine Illusionen mehr. Deshalb kündigte der Bildungsminister bereits an, wie er sich die Zukunft vorstellt. Der Dauerreformer hat nicht nur wieder irgendeine internationale Schule eröffnet, sondern auch die neue „Maison de l’Orientation“. Symbolisch schnitt er dort einfach mal die Zukunft der Jugend durch. Immerhin ist es eine ehrliche Ansage des Ministers: Geh zur Schule, geh arbeiten, aber erwarte nur nicht, dass wir auch noch das Klima und deine Zukunft retten.

Wahrscheinlich war das nun aber eine der letzten Amtshandlungen vor den Wahlen. Denn das nächste Motto steht bereits fest: „Deng Schoul, däi Beruf, keng Zukunft“ war gestern, jetzt heißt es vom Bildungsministerium: „Mir si raus„. Auch wir finden: Nach neun Jahren Non-Stop-Reformen ist es auch mal gut. Die Schule regelt sich ab morgen selbst, die Meisch’sche Liberalisierung ist vollendet. #MicDrop
Ooooooooh!
Wir geben an dieser Stelle zu: Falls Sie nicht zu den ultrarealistischen Zeitgenossen gehören, gab es bisher für Sie wohl eher wenig zu lachen. Wenn Sie dann noch immer nicht anerkennen wollen, dass unsere Regierung so Lets-Make-It-Happen-Awesome ist, dann bleiben wohl nur noch zwei Alternativen bis zu den Wahlen: Resignation oder Schmalspur-Populismus à la Piraten.
An dieser Stelle raten wir Ihnen denn auch: Wenn in Ihrem Leben irgendetwas schief läuft, schreiben Sie einfach eine E-Mail an die Piratenpartei. Marc „Pinky“ Goergen wird Ihr Anliegen unverzüglich, also carrément brühwarm und ungeprüft in die Welt hinauszwitschern. Und im Zweifel bezahlen die Piraten mit ihren einwandfrei gemanagten Parteifinanzen auch noch Ihre Stromrechnung. #WinWinWin…
So richtig geholfen ist Ihnen aber erst, wenn Sven „The Brain“ Clement sich der Sache annimmt und der Regierung in klassischer Svenni-Manier „Liggen“ (o.Ä.) vorwirft. Oder wie in diesem Fall so tut, als ob Papa Xav persönlich den Leuten den Strom abdreht. Am Schluss ruft er den Mächtigen dann noch inbrünstig, wenn auch sorgfältig und durchschaubar inszeniert, hinterher: „Halt Äert Wurt. Nondidjö!“ Aber, Vorsicht! Monni Ferni findet das mitunter überhaupt nicht lustig …
…
Mit einem gut gemeinten „Ooooooooh“ wünschen wir Ihnen an dieser Stelle ein schönes Wochenende – und machen vorerst auch mal „Game over“.