Etwa 1.800 Menschen nehmen zurzeit in Luxemburg an der CON-VINCE-Studie teil. Die Untersuchung soll Aufschlüsse über die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung geben. REPORTER-Redakteur Pol Reuter berichtet über seine Erfahrungen als Studienteilnehmer.

Als ich noch mit Tränen in den Augen die Glastür des Labors hinter mir zufallen ließ, hoffte ich, bald Gewissheit zu haben. Im Prinzip müssten die Antikörpertests innerhalb kurzer Zeit überprüfen können, ob ich bereits mit dem Virus infiziert war oder nicht. Eigentlich spricht nichts dafür: Ich war weder wissentlich mit einem Infizierten in Kontakt noch war ich viel unterwegs. Abgesehen von regelmäßig auftretender Müdigkeit und Kopfschmerzen fühle ich mich kerngesund. Und trotzdem …

Bei der Vorstellung der „CON-VINCE“-Studie dachte ich mir bereits, dass sie für die Teilnehmer eine einzigartige Gelegenheit sein kann, um wieder ein einigermaßen normales Leben zu führen. Vorausgesetzt ein Antikörpernachweis führt zu einer bleibenden Immunität. Nur dann könnte man mit einem positiven Testergebnis mit halbwegs gutem Gewissen wieder Freunde und Familie besuchen, ohne ein Risiko für sie darzustellen. Dieser Funken Hoffnung begann erneut zu glimmen, als die E-Mail von TNS Ilres in meinem Postfach auftauchte.

Nun ging es also an den eigentlichen Test. Durch das, was folgte, lernte ich die Steigerungsformen von ‚unangenehm‘ kennen.“

Mit einer Mischung aus Egoismus – eine mögliche Exit-Strategie für mich – und Altruismus – die Forscher benötigen bessere Daten – nahm ich die Einladung an. Sie führte zunächst zu einem Fragebogen von dem Meinungsforschungsinstitut, der lediglich die Studie und damit verbundene Risiken thematisiert.

Der Kern der Studie, der Antikörpertest, wird per Nasen- und Rachenabstrich vorgenommen. Ein durchaus unangenehmer Vorgang, wie ich heute aus eigener Erfahrung weiß. In dem Fragebogen werden aber auch Gefahren bei der Verwendung einer Smartphone-App aufgezählt. Eine Methode also, die eigentlich vom Ministerium sehr kritisch gesehen wird. Als „minimales Risiko“ werden Hackingangriffe und die Gefährdung der Vertraulichkeit von Gesundheitsdaten genannt.

Die Forschungsleiter haben allerdings „umfangreiche Datenschutzmaßnahmen, um das Risiko zu minimieren“ ergriffen, wird mir versichert. Weitere Informationen gab es nicht. Widerwillig stimmte ich zu, ohne zu wissen, um welche App es sich genau handeln könnte. Es ist eine von vielen Informationen, die ich nicht erhalten werde.

Neue Daten für die Exitstrategie

In vielerlei Hinsicht setzen die Forscher lieber auf zu viel als zu wenig Daten. Für die Antikörpertests sind neben den Rachen- und Nasenabstrichen auch Blut- und Stuhlproben erforderlich. So soll nicht nur geprüft werden, ob man zum Zeitpunkt des Tests den Virus in sich trägt. Es geht auch um die Früherkennung von anderen Vorerkrankungen oder genetischen Veranlagungen. Bei einer Erkrankung an Covid-19 können diese den Krankheitsverlauf erschweren, so die Erklärung.

Ferner stellen die Forscher mehrere Fragen zur Gemütslage der Studienteilnehmer. Diese psychologischen Daten könnten auch für andere Studien weiterverwendet werden. Die Beantwortung der Fragen steht allerdings jedem frei. Etwa eine halbe Stunde musste ich mich durch diverse Informationen und Hinweise klicken und Fragen beantworten. Zur Belohnung gab es zehn Euro vom Umfrageinstitut und einen Termin im Labor für den nächsten Tag.

Überzeugungsarbeit …

Im Wartesaal des Labors trägt jeder eine blaue Maske. Vor mir warten drei Menschen darauf, von der Krankenpflegerin aufgerufen zu werden. Durch die schlecht isolierte Tür hört man, wie sie einen Mann auffordert, den Mund zu öffnen, um eine Probe zu entnehmen. Der Abstrich steht mittlerweile fast symbolisch für die Sars-CoV-2-Tests. Ich wechsele den Sitzplatz, um mich noch weiter von den anderen Wartenden zu entfernen. Niemand sieht krank aus. Jeder scheint nur für diesen einen Test dort zu sein.

‚CON-VINCE‘. Ein eigenartiger Name. Wer soll hier bitte von was ‚convinced‘, also überzeugt werden?“

Meine Gedanken schweifen in das Irrationale ab: Es wäre schon ironisch, wenn ich mich ausgerechnet in einem Testlabor anstecken würde. Im Versuch, mich von der Infektionsgefahr abzulenken, schaue ich wieder auf die E-Mail auf meinem Handy mit dem Betreff: „CON-VINCE“. Ein eigenartiger Name. Wer soll hier bitte von was „convinced“, also überzeugt werden? Die Bürger von der so ersehnten Immunität? Die Regierung davon, dass die Dunkelziffer der Infizierten viel höher ist als die offiziellen Zahlen hergeben? Oder soll die Studie die Forscher von der Qualität ihrer eigenen Tests überzeugen?

Ein wenig Leiden für die Forschung

Schließlich ruft mich die Pflegerin herein. Sie greift nach einer Tüte, die in der Ecke des Raums steht, nimmt mehrere Rohrbehälter heraus, bittet mich, mich hinzusetzen und notiert die Referenznummer. Nun geht es also an den eigentlichen Test. Durch das, was folgte, lernte ich die Steigerungsformen von „unangenehm“ kennen.

Die Blutentnahme störte mich nicht weiter. Beim Tupfer im Rachen spürte ich einen Brechreiz. Der Tupfer in der Nase brachte mich dann aber zum Weinen. Nach drei Minuten waren alle Proben entnommen. Das unangenehme Stechen in der Nase spürte ich aber noch über mehrere Stunden. „Für das weitere Vorgehen werden die Studienleiter sich bei Ihnen melden“, sagte die Pflegerin und rief den nächsten ins Zimmer.

Test-Auswertung unter Zeitdruck

Zunächst herrschte allerdings Funkstille. Weder die Resultate des PCR-Tests noch die des Antikörpertests wurden mir mitgeteilt. Auf Nachfrage erklärt das Forschungsteam, dass die Tests noch gewisse Einschränkungen in Bezug auf die Zuverlässigkeit aufweisen. Außerdem seien sie sich nicht sicher, ob man nach einer Infektion immun ist, daher „wäre es verfrüht und wissenschaftlich unpräzise, wenn wir Sie über das Vorhandensein einer möglichen Immunität informieren würden.“

Erst nach weiteren Kontrolltests sollen die Studienteilnehmer über ihre Ergebnisse informiert werden. Sollte der PCR-Test allerdings positiv ausfallen, würde man den Betroffenen über den Nachweis des Virus informieren – und wohl erstmal unter Quarantäne stellen.

Die Teilnehmer bleiben also über den Zeitraum der Studie im Dunkeln. Auch für welche Zwecke die Daten letztlich verwendet werden, bleibt unklar. Die Einwilligung der Weiterverwendung der Daten mutet wie ein Blankoscheck an: Den Teilnehmern wird weder mitgeteilt, welche Informationen genau und über welchen Zeitraum verwendet werden noch für welche Untersuchungen diese Daten infrage kommen könnten.

Alle zwei Wochen ein bisschen Folter

Die vielen Fragezeichen offenbaren die Schwäche einer schnellen Rekrutierung von Studienteilnehmern über ein Meinungsforschungsinstitut. Für die Teilnahme an einer Studie werden Menschen normalerweise per Zufall ausgewählt und persönlich über den Umfang sowie Risiken informiert.

In der jetzigen Situation konnte man nur durch die Unterstützung von TNS-Ilres den vorgegeben Zeitrahmen einhalten, sagte Prof. Rajko Krüger im Interview mit dem „Tageblatt“. Der Druck auf die Forscher ist groß, sie müssen schnell Ergebnisse liefern. Die Informationspolitik mit den Teilnehmern kommt notgedrungen zu kurz.

Mit dem Gefühl, die Wissenschaft zu unterstützen und zehn Euro mehr auf dem Konto warte ich auf die nächste Einladung.“

Heute müsste eigentlich mein nächster Termin anstehen. Trotz Verstreichen der Zwei-Wochen-Frist, habe ich aber noch immer keine Einladung erhalten. Unter anderen Umständen wäre diese Funkstille auch normal. Bei den wenigsten Studien werden Teilnehmer über vorläufige Ergebnisse informiert. Die wenigsten Studien haben jedoch eine vergleichbar große Auswirkung auf das eigene und auf das öffentliche Leben wie „CON-VINCE“.

Was ich weiß: Für zweieinhalb Monate soll ich für weitere Proben zur Verfügung stehen. Von Vorfreude kann angesichts der prägenden Erfahrung mit den Stäbchen in meinem Rachen und meinen Nasenhöhlen nicht wirklich die Rede sein.

Was das ganze soll und bringt, werde ich wohl erst durch eine Pressekonferenz erfahren. Ob ich dann unter denen bin, die Antikörper gebildet haben: Diese Information folgt hoffentlich auch noch. Bis dahin warte ich mit dem Gefühl, die Wissenschaft zu unterstützen, und zehn Euro mehr auf dem Konto auf die nächste Einladung.


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