500.000 Coronavirus-Tests hat der Staat von einer Luxemburger Firma gekauft. An der Zuverlässigkeit des Produkts von „Fast Track Diagnostics“ regen sich jedoch Zweifel. Das Unternehmen hielt sich in der Vergangenheit nicht immer an alle Spielregeln. Auch die Regierung räumt Unregelmäßigkeiten ein.

Das Unternehmen „Fast Track Diagnostics“ liefert die 500.000 Tests, mit denen erst Schüler und Lehrer, später alle Einwohner auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet werden sollen. Die Tochterfirma des deutschen Konzerns Siemens mit Sitz in Esch-Belval verspricht eine 100-prozentige Zuverlässigkeit und Genauigkeit ihres Produkts. Das Produkt wurde in Luxemburg entwickelt und produziert.

Das „Luxemburger Wort“ berichtete am Dienstag, dass „Fast Track Diagnostics“ die 500.000 Tests für die breit angelegte Strategie der Regierung geliefert habe – allerdings ohne Quellenangabe. Auf Nachfrage von REPORTER wollten weder das Gesundheitsministerium noch die Forschungsgruppe, die das Projekt leitet, den Namen des Lieferanten nennen. Obwohl es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt, der mit 4,7 Millionen Steuergeldern bezahlt wurde.

Ein Sprecher von „Siemens Healthineers“, der Mutterfirma von „Fast Track Diagnostics“, bestätigte die Lieferung allerdings gegenüber REPORTER. Die Gesundheitssparte des deutschen Konzerns kündigte am Dienstag an, dass pro Monat bis zu 1,3 Millionen Tests hergestellt werden könnten. Der Luxemburger Auftrag soll demnach nur der Auftakt sein.

Rückrufaktion von Tests im Dezember

Doch der Kauf dieses Produkts durch die Regierung sorgt für Kritik aus der Branche. Das Verhalten von „Fast Track Diagnostics“ lässt Zweifel an der Zuverlässigkeit des Tests aufkommen. Die Siemens-Tochter hatte in den vergangenen Monaten erhebliche Probleme mit ihren Produkten.

Ende Dezember 2019 startete die Firma eine Rückrufaktion einer breiten Palette an Tests. Die Firma gab weltweit Warnhinweise zu möglichen Gesundheitsrisiken heraus. Die entsprechenden „Sicherheitshinweise“ gaben etwa das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und die französische Behörde ANSM. Luxemburg hat bisher keine eigenständige Agentur, die sich um Sicherheitsaspekte von Medizinprodukten kümmert.

Es gab interne Probleme, die aber inzwischen gelöst wurden.“Ein Sprecher von „Siemens Healthineers“

Konkret ging es unter anderem um Testkits für die Diagnose bei Atemwegsbeschwerden, etwa auf Grippeviren. Es habe „Leistungsprobleme“ bei diesen Tests gegeben, unter anderem aufgrund von „fehlenden Verifizierungs- und Validierungsdaten“, heißt es im Warnhinweis von „Fast Track Diagnostics“. Sprich: Die Ergebnisse waren nicht vertrauenswürdig.

„Es gab interne Probleme, die aber inzwischen gelöst wurden“, sagt ein Sprecher von Siemens Healthineers auf Nachfrage von REPORTER. Zwei der zurückgerufenen Tests will Siemens nun in Kombination mit dem Sars-Cov-2-Test verkaufen, geht aus einer Pressemitteilung hervor. So könne man andere Krankheitsursachen ausschließen.

Für die junge Firma aus Esch-Belval geht es dabei um viel: Der staatliche Auftrag in Höhe von 4,7 Millionen Euro entspricht der Hälfte des Nettoumsatzes der Firma von 2018 (die letzten verfügbaren Zahlen).

Das Management von „Fast Track Diagnostics“ war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Die frühere Generaldirektorin der Firma schied im Februar aus der Direktion aus. Das geht aus dem Luxemburger Handelsregister hervor. Der Zusammenhang mit dem Rückruf der Tests ist nicht klar. Die Ex-Managerin reagierte nicht auf eine Anfrage von REPORTER.

Nicht genehmigte Nutzung des Tests

Hinzu kommt: Der Test von „Fast Track Diagnostics“ erhielt erst Ende vergangener Woche die CE-Zertifizierung. Diese Qualitätsbescheinigung, die das Gesundheitsministerium registrierte, ist die Bedingung, dass die Tests außerhalb der Forschung für das Aufspüren des Virus bei Patienten genutzt werden dürfen.

Doch an diese Regel hielt sich „Fast Track Diagnostics“ nicht. Laut Informationen von REPORTER nutzte das private Labor „Laboratoires Réunis“ den Sars-CoV-2-Test der Firma in der Diagnostik bereits vor der CE-Zertifizierung. Das bestätigte das Gesundheitsministerium auf Nachfrage. Die Behörde forderte deshalb eine CE-Zertifizierung, heißt es weiter. Ob diese nicht genehmigte Nutzung Folgen für das Labor haben wird, ließ das Ministerium offen.

„Es waren keine anderen Testkits zur Verfügung in Europa. Eine große Lieferung Testkits an unser Labor ist auch in Spanien beschlagnahmt worden“, erklärt Bernard Weber, CEO von „Laboratoires Réunis“ auf Nachfrage von REPORTER. In Luxemburg habe es Ausnahmen zur Marktzulassung gegeben, „Fast Track Diagnostics“ habe bei der Regierung eine entsprechende Genehmigung beantragt.

Doch die fehlende Genehmigung des Tests verschleierte „Laboratoires Réunis“ offenbar, indem es den Produzenten auf den Ergebnissen, die Patienten erhielten, nicht aufführte. Das sei eine Anomalie, schreibt das Gesundheitsministerium auf Nachfrage von REPORTER. Der Chef des Labors verteidigt sich dagegen mit dem Argument, dass eine solche Nennung nicht notwendig sei.

Die Tests für die CE-Zertifizierung nahm Siemens übrigens selbst vor, bestätigt ein Sprecher. Als großer Konzern habe man die nötigen Kapazitäten dafür.

Die Rolle von „Laboratoires Réunis“

Nicht nur nutzte „Laboratoires Réunis“ die Testkits von „Fast Track Diagnostics“ ohne klare Genehmigung. Das private Labor war ebenfalls an der Qualitätssicherung der Tests beteiligt. Auch das bestätigte das Gesundheitsministerium auf Nachfrage von REPORTER.

Die Verbindungen zwischen beiden Firmen sind sehr eng: Fast Track Diagnostics war bis zum Kauf durch Siemens eine Tochtergesellschaft von „Laboratoires Réunis“. Das war 2017. Die problematischen Tests, die Fast Track Diagnostics im Dezember vom Markt nahm, entstanden zum Teil vor 2017.

Eine „Anomalie“: Die Verschleierung einer fehlenden Zertifizierung von Coronavirus-Tests durch „Laboratoires Réunis“ wirft auch für das Gesundheitsministerium Fragen auf.  (Foto: Shutterstock.com)

„Laboratoires Réunis“ bekam dennoch den Zuschlag um zumindest einen Teil des Massentests durchzuführen. Die „Drive-in“-Teststationen, die den Schülern und Lehrern angegeben wurden, sind an Standorten des Privatlabors. Wie diese enorme logistische Herausforderung gelingen soll, wollte der CEO von „Laboratoires Réunis“ nicht im Detail erklären.

Dieser Auftrag an das Labor ist allerdings kein Zufall: Laut Branchenexperten ist das Labor das einzige, das mit den Maschinen und Testsubstanzen arbeitet, für die der Test von Fast Track Diagnostics geprüft wurde. Weitere Testumgebungen würden erst nach und nach validiert, so ein Sprecher von Siemens Healthineers.

Beschleunigtes „Pooling“-Testverfahren

Ein großer Vorteil der von der Regierung gekauften Tests besteht darin, dass die Zahl der angekündigten 20.000 geprüften Personen pro Tag leichter erreicht werden kann. Tatsächlich ist der Test so ausgelegt, dass bis zu 32 Proben gleichzeitig ausgewertet werden können. Dieses sogenannte „Pooling“ beschleunigt das Testen erheblich.

Allerdings besteht theoretisch das Risiko, dass ein Teil der positiven Fälle so nicht entdeckt wird. Doch diese Kritik teilt der Sprecher der Forschergruppe Paul Wilmes nicht. Das „Pooling“ sei in Luxemburg möglich, weil das Virus nicht so verbreitet wie etwa in Belgien sei. Außerdem sei der nun ausgesuchte Test sehr genau und ermögliche deshalb diese Methode.

Die Qualität stand bei der Auswahl der Testkits an erster Stelle.“Paul Wilmes, Sprecher der „Covid-19-Taskforce“

Die „Covid-19-Taskforce“ habe die Qualität der Tests auch unabhängig von der Selbstzertifizierung von „Fast Track Diagnostics“ bestätigt, erklärt der Sprecher der Taskforce. „Die Qualität stand bei der Auswahl der Testkits an erster Stelle“, so Professor Paul Wilmes.

Diese Tests hätten sich als äußerst zuverlässig herausgestellt und seien besser als Produkte anderer Hersteller gewesen. Es sei „Zufall“, dass der beste Test von einer Luxemburger Firma komme, so Professor Paul Wilmes weiter. Die Validierungsprozedur habe Wochen gedauert.

„Fast Track“ war nicht die einzige Option

Seit Beginn der Pandemie waren die Tests auf das Sars-Cov-2 sehr gefragt und entsprechend schwer aufzutreiben. „Die zügige Entscheidung der Regierung die Tests zu kaufen, hilft uns sehr“, sagt Paul Wilmes. Auch die Minister Claude Meisch und Paulette Lenert erweckten am Dienstag den Eindruck, dass sie eine einzigartige Gelegenheit beim Schopf gepackt hätten.

Wenn ein besserer und billigerer Test verfügbar sein sollte, dann spricht nichts dagegen, zu wechseln.“Paul Wilmes, Sprecher der „Covid-19-Taskforce“

Ganz so ist es allerdings nicht. Denn die Luxemburger Firma „Advanced Biological Laboratories“ (ABL) hat seit Dienstag einen einsatzbereiten Test, der ebenfalls CE-zertifiziert ist. Die Produktionskapazität liege bei bis zu einer Million Tests pro Monat, erklärt CEO Chalom Sayada im Gespräch mit REPORTER.

Der Unternehmer zeigte sich überrascht, dass seine Firma nicht im Vorfeld der Massentests von der Regierung kontaktiert worden sei. Sein Unternehmen bringe im Juni einen Test auf den Markt, der mit Speichel funktioniere und so die unangenehme Entnahme im Rachen oder tief in der Nase erübrige, so Chalom Sayada weiter. Dieses Produkt sei in der Anwendung außerdem billiger.

Die Entscheidung für die Tests von „Fast Track Diagnostics“ sei nicht endgültig, betont Paul Wilmes. „Der Markt spricht für sich“, betont er. Und: „Wenn ein besserer und billigerer Test verfügbar sein sollte, dann spricht nichts dagegen, zu wechseln.“ Ob sich das Investment von 4,7 Millionen Euro in die 500.000 gelieferten Kits dann als richtig herausstellt, wird sich zeigen. Doch die Rechnung für die landesweiten Tests wird noch um einiges teurer.


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