Im Gegensatz zu Plenarsitzungen gibt es kein festgelegtes System zur Wortmeldung während Ausschusssitzungen. Nun könnte sich das ändern. Hintergrund ist ein Streit zwischen Stéphanie Empain (Déi Gréng) und den beiden CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Gilles Roth.
Eigentlich sollte es eine normale Ausschusssitzung werden. Doch es folgte eine Grundsatzdebatte über die Befugnisse der Vorsitzenden. Was war passiert? Auf Anfrage von Henri Kox (Déi Gréng) wurde eine gemeinsame Sitzung des Justiz- und Sicherheitsausschusses einberufen. Der Polizeiminister wollte vor den Abgeordneten Erklärungen bezüglich des Zugangs der Polizei zu Bankkonten für Ermittlungszwecke geben. Den entsprechenden Gesetzvorschlag hatte er bereits eine Woche zuvor vorgestellt. Eigentlich wollte Henri Kox nur eine kurze Klarstellung zum Gesetzvorschlag geben, die Debatte artete allerdings aus. Was danach folgte, bezeichnet Stéphanie Empain im Gespräch mit Reporter.lu als „nicht unbedingt glorreichen Moment“ der Parlamentsgeschichte.
Die Vorsitzende des Ausschusses für innere Sicherheit und Verteidigung wollte ursprünglich dem Minister und den Abgeordneten eine Viertelstunde Sprechzeit lassen, bevor sie zum nächsten Tagesordnungspunkt überging. Der Grund: Die Analyse des eigentlichen Vorschlags sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Der Text soll zuerst im Kabinett angenommen und vom Staatsrat begutachtet werden, so die Ausschussvorsitzende. Allerdings wollten Laurent Mosar und Gilles Roth dem Minister weitere Fragen stellen. „Nach gut 20 Minuten sagte ich den Abgeordneten, es würde jetzt reichen“, so Stéphanie Empain. Sie wollte nur noch einem Abgeordneten pro Partei das Wort erteilen.
Eskalation per Videokonferenz
Jedoch sieht das Reglement des Parlaments dazu keine ausdrückliche Befugnis für die Vorsitzenden der Ausschüsse vor. Anschließend lieferten die beiden CSV-Abgeordneten sich mit Stéphanie Empain ein Wortgefecht. Weitere 20 Minuten stritten die Abgeordneten per Videokonferenz heftig darüber, ob die Vorsitzende den Ausschussmitgliedern das Wort entziehen darf. Die CSV-Abgeordneten wollten nicht nachgeben.
„Wir ließen uns nicht verbieten, dass nur noch einer von uns reden durfte“, erklärt sich Gilles Roth im Gespräch mit Reporter.lu. Der Vorfall hatte allerdings ein Nachspiel im Parlamentsvorstand. Die CSV-Abgeordneten prangerten die „manière abusive d’exercer la présidence“ von Stéphanie Empain an und wollten wissen, auf welche rechtliche Basis sie sich für ihre Entscheidung berief, heißt es in einem Schreiben, das Reporter.lu vorliegt. Die Grünen-Fraktion verteidigte ihre Abgeordnete in einem weiteren Schreiben und forderte eine Diskussion „über die Rechte und Pflichten des Vorsitzes und der Ausschussmitglieder.“
Anpassung des Reglements möglich
Diese Diskussion wurde nun am Freitag in einem Sonderausschuss aller Ausschussvorsitzenden weiter geführt. Während der zweistündigen Sitzung tauschten sich die Vorsitzenden über bestehende Probleme in der parlamentarischen Arbeit aus. „Wir wollen ein klareres Regelwerk über die Rolle des Vorsitzenden, um zu verhindern, dass eine solche Situation erneut auftritt“, sagt Djuna Bernard (Déi Gréng) nach der Sitzung im Gespräch mit Reporter.lu.
Die Verwaltung des Parlaments hat nun den Auftrag erhalten, diese Idee in einer Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses anzusprechen. Für Gilles Roth steht aber bereits jetzt fest, dass eine Anpassung nicht in Frage kommt. „Dieser Punkt wurde seit 60 Jahren nie angefasst, warum sollen wir es also jetzt tun? Eine festgelegte Redezeit für jedes Ausschussmitglied kommt einem Maulkorb für die Opposition gleich“, so der CSV-Abgeordnete.
Inzwischen haben sich Stéphanie Empain, Laurent Mosar und Gilles Roth auf informeller Ebene ausgesprochen. Die Sache sei mittlerweile geregelt, heißt es. Ein Jahr Pandemie ist auch bei den Volksvertretern nicht spurlos vorbei gegangen. Wäre es keine Videokonferenz gewesen, hätte sich die Situation sicherlich nicht so hochgeschaukelt, sagen sowohl Gilles Roth als auch Stéphanie Empain.
Lesen Sie mehr zum Thema


