Im September hat der damalige Kooperationsminister Romain Schneider die neue Strategie zur Entwicklungshilfe vorgestellt. Die neue Amtschefin Paulette Lenert soll diese nun umsetzen. Viel wird sich aber nicht ändern. Die Luxemburger NGOs haben zudem andere Forderungen.
„Romain Schneider hat eine fertige Strategie vorgestellt. Nun ist es meine Aufgabe, sie umzusetzen“, sagt Paulette Lenert im Gespräch mit REPORTER. Die Implementierung der neuen Strategie für die Luxemburger Kooperation wird einer der Schwerpunkte der neuen Kooperationsministerin sein.
Vier große Themenschwerpunkte sollen die Kooperationspolitik gemäß der neuen Strategie bestimmen: Der Zugang zu sozialen Dienstleistungen soll verbessert werden, Frauen und Jugendliche besser eingebunden, die politische Stabilität gestärkt, und die nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden. Menschenrechte, Genderaspekte und Umweltverträglichkeit sollen sich durch die gesamte Kooperationspolitik ziehen.
Als Richtlinie dienen die UN-Entwicklungsziele, sowie die Aktionsagenda von Addis Abeba, welche die Grundsätze der weltweiten Entwicklungsfinanzierung bestimmt. Ferner will Luxemburg weiterhin mit ausgewählten Partnerländern zusammenarbeiten.
Keine grundlegenden Neuerungen
Man wolle seine Kompetenzen und sein Knowhow gezielt einsetzen und dort helfen, wo die eigenen Anstrengungen einen Unterschied machen können, heißt es im Text. Denn auch wenn Luxemburg seit Jahren rund ein Prozent des BNEs für die Entwicklungszusammenarbeit ausgibt, bleibt das aufgrund seiner Größe ein kleiner Betrag. Ein besonderer Fokus der hiesigen Politik liegt daher weiterhin auf den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs), auf Multilateralismus, und einer engen Zusammenarbeit mit Partnern der Weltgesundheitsorganisation, Entwicklungsbanken und den Vereinten Nationen.
Der Status quo wird implementiert. Visionär aber ist die Strategie nicht.“Michel Feit, Caritas
„Es gilt nun, den Rahmen mit Inhalten zu füllen“, beschreibt Paulette Lenert ihre neue Rolle. Die meisten Inhalte seien aber schon da, finden die hiesigen Entwicklungsorganisationen. Im Grunde stünde in der neuen Strategie nicht Neues, sagt zum Beispiel Michel Feit, Direktionsmitglied der Caritas. „Der Status quo wird implementiert. Visionär aber ist die Strategie nicht.“
Der Koordinator für internationale Kooperation hat damit nicht Unrecht. Die meisten Grundsätze der Kooperationsstrategie werden bereits jetzt umgesetzt oder zumindest berücksichtigt: etwa der vermehrte Fokus auf thematische Prioritäten, sowie die stärkere Einbindung des Privatsektors, insbesondere im Finanz- und ICT-Bereich.
Wenig Gegenwind
Will Paulette Lenert diese Strategie nun umsetzen, muss sie das Rad nicht neu erfinden. Es geht viel mehr um die Fortführung aktueller Tendenzen. Von den Nichtregierungsorganisationen, die in der Luxemburger Entwicklungspolitik eine große Rolle spielen, hat sie wenig zu befürchten. Insgesamt findet die Strategie Zuspruch.
Lediglich die Einbindung des Privatsektors – etwa durch öffentlich-private Partnerschaften oder Blending – sehen manche Partner kritisch. Solche Instrumente könnten nützlich sein um bestehende Projekte wirtschaftlich abzusichern, wenn Entwicklungsorganisationen sich zurückziehen – um den Ärmsten zu helfen, seien sie aber nicht zielführend. „Man muss bedenken, dass es privaten Akteuren immer um Gewinnmaximierung geht“, betont Michel Feit. Bei den am wenigsten entwickelten Ländern seien solche Synergien problematisch, warnte vor kurzem auch der EU-Abgeordnete Charles Goerens.
Paulette Lenert aber differenziert: Die Einbindung privater Akteure berge großes Potential. Es sei jedoch wichtig, dass die öffentliche Hand solche Kooperationen überwache und auf Werte wie Nachhaltigkeit und inklusives Wachstum poche.
NGOs fordern neues Co-Finanzierungsmodell
Auf der Wunschliste der NGOs steht weniger eine politische Neuausrichtung als eine Überarbeitung der aktuellen Gesetzgebung. Diese ist auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Was genau die neue Regierung überarbeiten will, verrät der Text aber nicht. „Ich möchte mich erst mit den hiesigen Akteuren zusammensetzen und herausfinden was ihre Erwartungen und Probleme sind“, erklärt Paulette Lenert.
Die NGOs haben sich ihre Gedanken breits gemacht. Sie kritisieren vor allem das aktuelle Co-Finanzierungsmodell, welches den heutigen Gegebenheiten nicht mehr entspreche. „Die herkömmliche Trennung von armen und reichen Ländern gibt es nicht mehr. Es gibt sehr arme Länder mit sehr reichen Menschen und umgekehrt“, warnt etwa der Direktor der internationalen Solidarität beim Luxemburger Roten Kreuz, Christian Huvelle.
Aktuell ist die Co-Finanzierungsrate so gestaffelt, dass Projekte in LDCs mehr Unterstützung bekommen, als solche in Ländern mit mittlerem Einkommen (MICs). Dadurch fielen etwa Staaten wie das Bürgerkriegsland Syrien durchs Raster, bedauert Michel Feit von der Caritas. „Dabei geht es um Projekte in einem Land, das vom Krieg zerstört ist.“ Auch ASTM-Präsident Richard Graf findet die Co-Finanzierung problematisch, da sie die Autonomie der NGOs eingrenze und die Hilfe für stark gefährdete Gruppen in MICs erschwere.
Humanitäre Hilfe besser fördern
Die Akteure in der humanitären Hilfe, etwa MSF und Croix-Rouge wünschen sich ferner mehr Unterstützung, eine gezieltere Finanzierung und ein besseres Verständnis ihrer Arbeit – vor allem in einer Zeit, in der die Katastrophen und Konflikte sich häufen, humanitäre Hilfe immer prekärer wird und die Gefahr für Helfer zunimmt.
Weitere Forderungen der ONGs sind etwa der weitere Abbau administrativer Hürden sowie eine vermehrte Professionalisierung der Kooperationsarbeit. Dass die letzte Regierung im Rahmen der „Zukunftpaks“ die Unterstützung für die administrative Arbeit der NGOs gekürzt habe, sei nicht gerade förderlich.
Paulette Lenert wird sich demnach nicht unbedingt an der Implementierung der Entwicklungsstrategie die Zähne ausbeißen. Die Nichtregierungsorganisationen jedenfalls werden ihre Forderungen insbesondere im Rahmen der im Koalitionsprogramm angekündigten Gesetzesänderung stellen. Es gilt, dieses an die aktuellen Entwicklungen anzupassen.