Luxemburgs Entwicklungspolitik bekommt stets ein gutes Zeugnis und setzt stark auf bilaterale Partnerschaften. Dabei widersetzt sich das Modell internationalen Trends. Auf EU-Ebene wird Luxemburg zunehmend zum Außenseiter.
Geht es um Entwicklungshilfe, steht Luxemburg stets gut da. Das Großherzogtum ist eines der wenigen Länder, das die von den Vereinten Natione geforderten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungshilfe mobilisiert. Mehr noch, denn in den letzten Jahren pendelten sich die Ausgaben auf rund einem Prozent des BNE ein. Auch hierzulande ist die Kooperationspolitik selten ein Streitthema. In fundamentalen Fragen ist man sich meist einig und zum Wahlkampfthema taugt Entwicklungshilfe eher auch nicht.
Dennoch lohnt ein Blick auf das hiesige Modell. Denn Luxemburg unterscheidet sich nicht nur durch die hohe Finanzierungsquote und den innenpolitischen Konsens von anderen Geberländern. Zudem setzt das Großherzogtum auf eine enge Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und nicht zuletzt auf bilaterale Hilfen zugunsten von ausgewählten Partnerländern.
Augenmerk auf bilaterale Hilfen
Besonders eng wird mit jenen Ländern zusammengearbeitet, mit denen Luxemburg sogenannte indikative Kooperationspartnerschaften (PICs) abgeschlossen hat. Aktuell sind das Burkina Faso, Kap Verde, Mali, Niger und Senegal in Westafrika, Nicaragua in Zentralamerika und der südostasische Binnenstaat Laos. Diese Partnerschaften zeichnen sich dadurch aus, dass Luxemburg eine physische Präsenz in den Ländern hat. Die zusammen mit den Partnerländern ausgearbeiteten Programme richten sich nach deren Entwicklungsstrategie und werden größtenteils von der zu 98 Prozent staatlichen Agentur Lux-Development (LuxDev) ausgeführt.
Wieso man sich gerade auf diese Länder konzentriere, habe historische, aber auch strategische Gründe, erklärt der Direktor für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe im Außenministerium, Manuel Tonnar. „Wir wollen uns auf fragile Regionen sowie auf die am wenigsten entwickelten Länder konzentrieren.“
Tatsächlich stehen vier der sieben Länder auf der UN-Liste der am wenigsten entwickelten Länder. Tonnar ergänzt, dass man sich zusätzlich von der Frage leiten lasse: „Wo kann Luxemburg die größte Wirkung erzielen und die benötigte Expertise aufweisen?“. Dies ist insbesondere in den Bereichen Gesundheit, ICT oder Mikrofinanz der Fall. Denn, „sogar wenn wir eins der großzügigsten Geberländer sind, sind wir ein kleines Land und unsere Reichweite ist begrenzt. Wir müssen unsere Hilfe konzentrieren um die größtmögliche Wirkung zu erzielen“, so der zuständige Beamte.
Effizienz und Anreize zur Selbsthilfe
Insbesondere die PICs der neuen Generation, wie sie etwa 2016 mit Kap Verde, Niger oder Laos unterschrieben wurden, zeichnen sich durch eine vermehrte Bündelung der Kompetenzen aus. Zusätzlich ginge der Trend immer mehr von der Hilfe zur Selbsthilfe: „Früher hat LuxDev sich größtenteils um die Ausführung gekümmert. Sie hat zum Beispiel beim Bau einer Klinik das Grundstück ausfindig gemacht, die Verwaltungsvorgänge in die Wege geleitet, die Baustelle überwacht“, erklärt Manuel Tonnar. „Jetzt geben wir den Partnern mehr Autonomie. Wir integrieren uns in ihr Entwicklungsprogramm und überwachen, was mit unseren Geldern passiert.“ Um die Ausführung der Programme kümmert sich nun das Partnerland. LuxDev leistet vermehrt technische Hilfestellung.
Eine Vorgehensweise, die auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe (OECD) in ihrer Begutachtung der luxemburgischen Entwicklungshilfe lobt. Dort heißt es: „Die Konzentration der Entwicklungshilfe auf eine begrenzte Anzahl an Ländern und Sozialbereiche sowie ein Fokus auf die Effizienz der geleisteten Hilfe verleiht Luxemburg eine hohe Sichtbarkeit sowie internationalen Einfluss. Partnerländer begrüßen die Vorhersehbarkeit und Flexibilität der Hilfe.“
Vorerst keine neuen Partnerländer
Dabei scheint es die OECD nicht zu stören, dass Luxemburg sich keinen neuen Partner ausgesucht hat, nachdem die PICs mit El Salvador und Vietnam – heute keine LCDs, also am wenigsten entwickelte Länder, mehr – 2016 ausliefen.
Zwar versprach Kooperationsminister Romain Schneider (LSAP) noch 2017 in seiner Deklaration zur Entwicklungspolitik vor der Abgeordnetenkammer, dass die Suche nach neuen Partnerländern in vollem Gange sei. Sein Kooperationsdirektor Manuel Tonnar revidiert im Gespräch mit REPORTER aber diese Aussage: Man wolle sich lieber vermehrt auf sieben Länder konzentrieren. Das würde sich auch mit den Empfehlungen der OECD decken.
Aktuell handelt es sich aber eher um sechs Länder. Denn die Zusammenarbeit mit Nicaragua liegt aufgrund der instabilen politischen Lage in dem zentralamerikanischen Staat auf Eis. Laut Tonnar laufen aber Gespräche, um die nordafrikanische Republik Tunesien als Partner zu gewinnen. „Dann aber nicht über ein PIC, sondern als ‚pays à projets’“, wie es etwa der Kosovo, Afghanistan, Myanmar, die Mongolei, die besetzten palästinischen Gebiete und neuerdings auch El Salvador und Vietnam sind.
Klassische Entwicklungshilfe unter Druck
Spricht die OECD von Luxemburgs internationalem Einfluss, wird jedoch ebenso deutlich, dass Luxemburg sich in vielen Aspekten zusehends isoliert. Etwa bei der Konzentration auf die wenigen Partnerländer, zu der es in einem OECD-Bericht von 2018 heißt, die Geberländer würden immer weniger für die direkte Entwicklungshilfe in Partnerländern ausgeben. Oder beim Fokus auf die am wenigsten entwickelten Länder: Obwohl die Zahlen 2017 leicht angestiegen waren, beobachtet die OECD über die letzten Jahre eine eher rückläufige Tendenz, während der Prozentsatz des Großherzogtums sich konstant auf 45 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe beläuft.

Der Negativtrend habe bestimmte Gründe, sagt Manuel Tonnar. „Die meisten Staaten geben nicht einmal 0,7 Prozent des BNE. Dann stellt sich die Frage, wie verteilt man diese Gelder auf Migration, Klimawandel, Sicherheit und Entwicklungshilfe. Dann bleibt nirgendwo viel übrig und andere Fragen haben Vorrang.“
Während Luxemburg etwa hauptsächlich über Spenden agiert, bevorzugen viele Geberländer Darlehen. „Aufgrund der damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen fällt die Wahl meist nicht auf LDCs. Das Risiko wäre zu groß“, so Manuel Tonnar. Etwa das einer Schuldenspirale, wie der EU-Abgeordnete Charles Goerens (DP) jüngst verdeutlichte.
Entwicklungshilfe und Migrationspolitik
Ob Luxemburg seinen internationalen Einfluss tatsächlich geltend machen kann, ist jedoch fragwürdig. Das zeigt Luxemburgs Isolation in einer weiteren Frage, nämlich der, ob Entwicklungshilfe als Migrationsbremse dienen soll. Auf europäischer Bühne zeigt sich, dass der Musterknabe der Entwicklungshilfe sich hier nicht durchsetzen kann. Auf die Frage, wie isoliert Luxemburg denn eigentlich sei, gibt der Direktor der Entwicklungszusammenarbeit sich besorgt. Neben Schweden und Irland stehe Luxemburg mit der Ansicht, dass Entwicklungshilfe nicht zur Migrationspolitik werden dürfe, ziemlich alleine da.
Das zeigt auch der neue europäische Konsens über die Entwicklungshilfe von 2017, zu dem die Einwände der luxemburgischen Regierung nicht zurückbehalten wurden. Ressortminister Romain Schneider hatte gewarnt, dass immer mehr Themenschwerpunkte in keinem direkten Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit stünden und letztere immer mehr zum Instrument der EU-Außenpolitik mutieren würden. Doch mit diesem Gedanken steht Luxemburg ziemlich alleine da, wie der Trend der EU-Entwicklungspolitik zeigt.
Manuel Tonnar bestärkt die Haltung des Kooperationsministers. „Die ‚Migrationskrise’ darf nicht unsere ganze Hilfe bestimmen“. Zudem gebe es Studien, die nachweisen, dass die Entwicklungshilfe die Migration nicht bremsen kann, sondern sogar ankurbele. Für Tonnar stehen Sicherheit, Frieden und der Kampf gegen Terrorismus ganz klar im Vordergrund. „Da ist die Verbindung viel klarer. Bietet man den Menschen Perspektiven, eine Ausbildung, eine Zukunft, dann klingen die Versprechen von Terrororganisationen, wie etwa Boko Haram in Westafrika, weniger verlockend.“
Wege aus der europäischen Isolation
Luxemburgs Vorbildfunktion eignet sich auf der internationalen Ebene also vorerst nicht zum Modell einer wirksamen Entwicklungspolitik. Dennoch lässt sich Tonnar nicht von dem für ihn und die Regierung richtigen Weg abbringen: „Wir versuchen mit den wenigen europäischen Partnern wie Schweden oder Irland gemeinsame Positionen auszuarbeiten.“ So hätte man zumindest ein wenig mehr Gewicht.
Auch Romain Schneider verfolgt unbeirrt den luxemburgischen Politikansatz: Kurz vor den Wahlen, auf den Assises de la Cooperation am 19. und 20. September, will der LSAP-Minister die neue nationale Strategie zur Entwicklungshilfe vorstellen. Diese treibt unter anderem die Kompetenzbündelung weiter voran, konzentriert sich, wie auch die neuen PICs, auf jene Bereiche, in denen das Großherzogtum sich auszeichnet. Zudem ist sie nach den Themenschwerpunkten soziale Grundversorgung, sozioökonomische Integration, inklusives und nachhaltiges Wachstum sowie gute Regierungsführung und Menschenrechte gegliedert. Bleibt abzuwarten, ob auch eine nächste Regierung dem europäischen Trend widerstehen, an den eigenen Prinzipien festhalten und die nötigen Gesetzesanpassungen vornehmen wird.