Der Hochhausbau steckt in Luxemburg noch in den Kinderschuhen. Dabei könnte genau dies einen Teil der Lösung der Wohnungskrise darstellen. Es fehlt jedoch an politischer Weitsicht und Koordination. Und oft scheitern die Projekte bereits an den Parkplätzen.

Auf den ersten Blick klingt es wie eine simple Lösung für ein komplexes Problem. Das Bauland in Luxemburg ist knapp und vor allem teuer. Das macht auch jenen Wohnraum, der darauf entstehen soll, kostspielig. Was aber wäre, wenn man auf der gleichen Fläche mehr Wohnungen bauen könnte? Wenn es bei der Nutzung des Baulands wortwörtlich noch Luft nach oben geben würde? Die vermeintlich einfache Lösung: Es muss mehr in die Höhe gebaut werden.

Die Forderung scheint auch politisch auf Zustimmung zu stoßen. So sprachen sich jüngst bei einer Umfrage des Magazins „Paperjam“ ausnahmslos alle Parteien, mit leichten Nuancen, für einen vermehrten Bau in die Höhe aus.

Der Urbanismusforscher Markus Hesse kann den Zuspruch der politischen Parteien durchaus nachvollziehen: „Das hat schon etwas Verführerisches diese Lösung, weil man denkt, die Grundfläche ist begrenzt und dann stapelt man“, so der Geografieprofessor der Universität Luxemburg im Gespräch mit Reporter.lu. „Es klingt ja auch einfach: Man baut ein zehnstöckiges Hochhaus und kann den Wohnraum so beliebig in die Höhe schrauben.“

Kulturelle und andere Gründe

Auch Diane Dupont steht dem Hochbau grundsätzlich positiv gegenüber. „Das Bauland ist mittlerweile der teuerste Aspekt, wenn es darum geht, neuen Wohnraum zu erschließen. Wenn man in die Höhe baut, braucht man grundsätzlich weniger Land, um mehr Wohnungen zu bauen,“ erklärt die leitende Beamtin im Wohnungsbauministerium, die gleichzeitig Präsidentin des „Fonds du Logement“ ist.

Neben der besseren Flächennutzung sieht die studierte Architektin jedoch noch weitere Vorteile. „Eine dichtere Bebauung erlaubt es, eine größere Durchmischung in einem Viertel zu erzielen. Dadurch, dass Geschäfte, Wohnungen und Büros in direkter Nachbarschaft liegen, kann ein soziales Gefüge entstehen, das früher selbstverständlich war und im Gegensatz zu reinen Schlafsiedlungen steht“, erklärt Diane Dupont im Interview mit Reporter.lu. Sie fügt hinzu, dass man die Freiflächen um das Gebäude bei der Planung solcher Bauvorhaben natürlich immer mit bedenken müsse.

Wenn wir es dürften, würden wir noch viel mehr in die Höhe bauen.“Sébastien Labis, Entwicklungsleiter „Gravity Tower“

Bei so viel anfänglichem Zuspruch stellt sich natürlich die offensichtliche Frage: Wieso wird in Luxemburg nicht mehr in die Höhe gebaut? Diane Dupont hat darauf zunächst eine kulturhistorische Erklärung: „Der Bau in die Höhe hat in Luxemburg keine Tradition. Viele Menschen schwärmen zwar von einer dichten Bebauung, wenn sie von einer Auslandsreise zurückkommen. Wenn das Thema jedoch in Luxemburg diskutiert wird, werden schnell Assoziationen zu Hochhaussiedlungen in sozialen Brennpunkten heraufbeschworen.“

Neben der vermeintlichen kulturellen Zurückhaltung gibt es aber auch handfeste Argumente, die gegen einen Bau in die Höhe sprechen. So sinkt beim Hochbau zwar der Anteil der Grundstückskosten am finalen Wohnungspreis. Dafür steigen die Baukosten, je höher man baut. „Mit zunehmender Höhe steigen die Anforderung an die Statik, was mit Kosten verbunden ist. Hinzu kommen Aufzüge, höhere Anforderungen beim Brandschutz sowie aufwendigere Versorgungsleitungen als bei einem konventionellen Bau“, so Diane Dupont.

Die Krux mit den Parkplätzen

Es ist eine Sichtweise, die auch Sébastien Labis teilt. Der „Head of Development“ bei „BPI Real Estate“ beaufsichtigt aktuell den Bau des 65 Meter hohen „Gravity Tower“ in Differdingen. „Beim Hochbau sprechen wir über eine ganz andere Baustellenlogistik als bei niedrigeren Gebäuden. Je höher man baut, desto aufwendiger wird es natürlich auch, das Baumaterial dahin zu bekommen.“ Dennoch überwiegen auch für den Ingenieur die Vorteile des Baus in die Höhe: „Wenn wir es dürften, würden wir noch viel mehr in die Höhe bauen.“

Dafür müsste es jedoch zu einer Harmonisierung der Bebauungspläne der Gemeinden kommen. Diese müssten den Hochbau dort erleichtern, wo er sinnvoll sei, so Sébastien Labis im Gespräch mit Reporter.lu. Zudem fordert er, dass die Politik die Mobilisierung von Bauland beschleunige, schließlich sei dies noch immer das Nadelöhr bei der Planung von neuen Projekten.

Mit zunehmender Höhe steigen auch die Anforderungen, etwa an die Statik oder den Brandschutz, was wiederum mit zusätzlichen Baukosten verbunden ist. (Foto: Mike Zenari)

Dass der Bau von Hochhäusern in der Praxis oft an den Bebauungsplänen der Gemeinden scheitert, weiß auch Pol Faber, Direktor des „Groupement des Entrepreneurs“. So würde zwar jeder fordern, dass höher gebaut werden solle, gleichzeitig müsse bei jedem größeren Projekt entweder eine Tiefgarage gebaut oder ein Parkplatz neben dem Gebäude geschaffen werden, weil die Bebauungspläne dies so vorschreiben würden. „Da beißt sich die Katze dann irgendwann in den Schwanz und die Projekte werden einfach unrentabel. Da wäre mehr Flexibilität gefragt“, sagt Pol Faber.

Mangelnde Koordination in der Praxis

Für Diane Dupont steht und fällt der Bau in die Höhe ebenfalls oft mit der Frage nach den Parkplätzen. „In der Praxis sieht es leider oft so aus, dass zunächst geschaut wird, wie viele Parkplätze man bauen kann, und dann entscheidet man, wie viele Wohnungen gebaut werden“, erklärt die leitende Beamtin. Besonders beim Hochbau sei die Parkplatzfrage eine nicht zu vernachlässigende Kostenfrage: „Wir haben das berechnet: Im Schnitt kostet ein Stellplatz in der Tiefgarage so viel wie ein zusätzliches Schlafzimmer.“

Die Zeiten, in denen man nur einen Bungalow auf einer Parzelle gebaut hat, sind definitiv passé.“Marc Lies, Bürgermeister von Hesperingen

Der Urbanismusforscher Markus Hesse sieht in der Frage der Bebauungspläne ein Symptom eines größeren Problems: „Die große Vision und der Überblick in der Planung liegt beim Staat und die konkrete Bauleitplanung wird bei den Gemeinden gemacht. Das ist ein Grundproblem, unabhängig davon, ob man in die Höhe baut. Die Landesplanung hat keinen Zugriff auf die lokalen Flächen. Und die Gemeinden haben einen gewissen Starrsinn, ihre eigenen Pläne durchzusetzen.“

Ein Problem, an dem durch die verfestigte Gemeindeautonomie beim Baurecht auch keine Regierung leicht vorbeikomme, so Markus Hesse. Eine mögliche Lösung wäre die Stärkung des Urbanismus innerhalb der Gemeinden. Denn viele kommunalen Verwaltungen hätten schlicht nicht die Kapazitäten, um so komplexe Vorhaben wie den Hochhausbau zu betreuen, so der Geograf der Universität Luxemburg.

Druck auf die Infrastruktur

Marc Lies, Bürgermeister der Gemeinde Hesperingen, fordert indes Ausgewogenheit in der Debatte und spielt den Ball indirekt zurück zum Staat: „Ich finde, man muss nuancieren. Hochhausbau soll dort stattfinden, wo er aus landesplanerischer Sicht sinnvoll ist. Dort ist es dann auch geboten, dass man den Parkplatzschlüssel überdenkt.“ Zudem werde in den Gemeinden bereits heute eine höhere Baudichte angestrebt, so der CSV-Abgeordnete. „Die Zeiten der 1980er Jahre, in denen man nur einen Bungalow auf einer Parzelle gebaut hat, sind definitiv passé.“

Dennoch müsse man aufpassen, nicht über das Ziel hinauszuschießen. „Bei großen Bauprojekten muss man den Druck auf die Infrastruktur immer mitdenken. Denn viel neuer Wohnraum bedeutet gleichzeitig viele neue Einwohner. Das hat Folgen für die Wasserversorgung, das Straßennetz und die Schulinfrastruktur“, so Marc Lies weiter. In diesem Zusammenhang fordert der wohnungsbaupolitische Sprecher der CSV mehr Koordination zwischen den Gemeinden und der Landesplanung. Die nationale Politik müsse klare Leitlinien definieren und die Gemeinden dann beim Wachstum begleiten, auch finanziell.

Große Bauprojekte erzeugen stets Druck auf die Infrastruktur: Wasserversorgung, Straßennetz und auch die Schulen müssen einer wachsenden Einwohnerschaft gerecht werden. (Foto: Eric Engel)

Eine klare Koordination hält auch Sébastien Labis für entscheidend, wenn der Bau in die Höhe gelingen soll. Als Beispiel nennt der Entwickler bei „BPI Real Estate“ die beiden 16- beziehungsweise 20-stöckigen „Gravity“-Hochhäuser in Differdingen. „Die Gemeinde hatte bereits bei der Ausschreibung eine klare Vorstellung davon, was auf dem Gelände entstehen soll. Und auch danach hat die Koordinierung zwischen uns und der Gemeinde sehr gut funktioniert“, sagt Sébastien Labis.

Mut zu einer klaren Position

So habe man lediglich ein Jahr gebraucht, den Teilbebauungsplan auszuarbeiten, was für ein Projekt mit einer solchen Tragweite sehr schnell sei, so der Planer. Zwischen Grundsteinlegung und Fertigstellung dürften dann noch einmal 30 Monate liegen. An deren Ende stünden Anfang 2023 zwei Türme mit insgesamt 80 Wohnungen. Diese wurden allesamt von der Stadt Differdingen gekauft und sollen als erschwingliche Wohnungen sowohl verkauft als auch vermietet werden.

Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Beispiel jenes Hochhauses, das auf dem Gelände eines ehemaligen Autohauses in Esch/Alzette entstehen sollte. Angedacht wurde das 19-stöckige Hochhaus bereits 2015. Verschiedene Mehrheiten bissen sich aber daran die Zähne aus. Nicht zuletzt, weil auch in der Bevölkerung das Projekt teilweise auf Ablehnung stieß. Anwohner störten sich an möglichem Schattenwurf und nächtlicher Lichtverschmutzung. Der Bauträger zog das Hochhausprojekt schließlich zurück und die Pläne landeten in der Schublade.

Ohne konkret auf dieses Projekt einzugehen, fordert Urbanismusforscher Markus Hesse von der Politik den Mut zu einer deutlichen Position: „Man muss klare Qualitätskriterien festlegen, was man vom Hochhausbau erwartet, ehe man in die Realisierung geht. Und dazu gehört auch die Frage, für welchen Markt man etwas baut und was dort am Ende stattfinden soll. Sonst kann so eine vermeintliche Lösung sich ganz schnell wieder pulverisieren. Das ist ziemlich offensichtlich.“