Im Wahlkampf setzen in Luxemburg immer mehr Politiker und Parteien auf „TikTok“. Besonders für junge Menschen ist die Video-Plattform wichtiger als Facebook oder Instagram – auch als Informationsquelle. Doch die Inhalte der Parteien sind noch unausgereift.

„Weini kann ech legal mein Chu an da Hood femmen? (sic!)“, war die Frage an Xavier Bettel, die TikTok-Nutzer am meisten interessiert. Kürzlich hatte der Premierminister ein Video auf der Plattform gepostet, in dem er die User um Fragen bat. Cannabis war das große Thema in den Kommentaren des Videos, der Wohnungsmarkt das zweite. Die Plattform wird aktuell besonders von jungen Menschen verwendet. 40 Prozent der 18- bis 24-Jährigen nutzen die Plattform aktuell, so der „Digital News Report“ vom „Reuters Institute for the Study of Journalism“ der Universität Oxford. Bereits 15 Prozent würden TikTok auch für News verwenden.

Während die Video-Plattform oft mit Tanz- und Katzenvideos assoziiert wird, sind das bei Weitem nicht die einzigen Inhalte auf der laut „Forbes“ 2022 weltweit am meisten heruntergeladenen App. Das Stichwort „ClimateChange“ hat etwa insgesamt 4,4 Milliarden Aufrufe auf TikTok. Im Juni postete „YouthforClimateLux“ ein Video mit ratlosen Jugendlichen und der Aufschrift: „Us trying to understand how the European commission came up with gas=green“ zur EU-Taxonomie.

Die Beispiele zeigen: TikTok ist auch politisch. Die Plattform, hinter der das chinesische IT-Unternehmen „ByteDance“ steckt, wird zunehmend zu einer wichtigen Informationsquelle für junge Menschen. Google hat in einer internen Studie festgestellt, dass fast 40 Prozent der jungen User eher auf TikTok oder Instagram nach etwas suchen, als es zu googlen. Das Unternehmen bestätigte, dass es sich um die Gruppe von 18 bis 24 Jahren handele.

Virale Videos, junge Nutzer

Lange war die politische und mediale Präsenz auf TikTok in Luxemburg eher begrenzt. Mittlerweile aber betreibt Premier Xavier Bettel über das Staatsministerium einen Account bei der App und die Parteien arbeiten an Strategien für den Wahlkampf. Auch „RTL“ testet informative Formate, wie etwa einen Wochenrückblick auf Luxemburgisch.

TikTok ist die Plattform der jungen Menschen, der Erstwähler. Die Partei soll dort natürlich auch moderner rüberkommen.“Ben Streff, LSAP-Parteimanager

Einem Bericht von „Bee Secure“ zufolge wurden in einer Umfrage unter Jugendlichen bis 18 Jahre hierzulande TikTok, Snapchat und Youtube als die drei beliebtesten Apps genannt. Wie sehr dies sich in den vergangenen Jahren geändert hat, zeigt die Onlinestudie von „ARD“ und „ZDF“ für Deutschland: 2019 nutzten nur zwei Prozent der Befragten wöchentlich TikTok, 2022 waren es bereits 14 Prozent. Das deutet auch für Luxemburg darauf hin, dass die Bedeutung von TikTok seit den letzten Wahlen im Großherzogtum enorm gestiegen ist.

Anfangs durften die Videos auf der Plattform nicht länger als eine Minute sein, mittlerweile können Videos von bis zu zehn Minuten hochgeladen werden. Dabei wird oft eine Audiospur als Playback benutzt, entweder Musik, Ausschnitte aus Reden oder Audios vergangener Videos. Die Startseite der App, „For You“-Page genannt, zeigt nicht nur Accounts, die man abonniert hat, sondern auch ähnliche Inhalte und virale Videos. Nutzer können sich Videos zuschicken, mit einem Video direkt auf ein anderes reagieren oder sich im Vordergrund eines anderen Videos einblenden.

Vorbereitungen für den Wahlkampf

Vor den Wahlen stellt sich die Frage: Wie wollen Politiker in diesen Formaten auf sich aufmerksam machen und mit welchen Inhalten? Viele wollen es zumindest probieren. So auch die LSAP, die für den Wahlkampf vermehrt spezifisch für TikTok Inhalte produzieren will. „TikTok ist die Plattform der jungen Menschen, der Erstwähler. Die Partei soll dort natürlich auch moderner rüberkommen“, so der Parteimanager Ben Streff. Auf die Frage, welche Inhalte auf TikTok überhaupt vermittelt werden könnten, sagt er: „Wir probieren, für die jungen Personen erste politische Akzente zu setzen.“ Auf TikTok würden die Verantwortlichen bereits merken, dass lustige Inhalte besser rüberkämen – beziehungsweise mehr angeschaut würden.

Bisher halten sich die politischen Akzente auf dem Account jedenfalls in Grenzen. Im Format „Entweder… oder?“ sieht man etwa Paulette Lenert, die sich zwischen „Summer oder Wanter“ entscheiden soll. Man wolle aber zeigen, wofür man stehe, so Ben Streff: „Zum Beispiel, dass wir für eine Cannabis-Legalisierung sind.“ Zudem werde man verschiedenen Spitzenkandidaten vielleicht auch „ans Herz legen“, einen eigenen Account zu machen. Das passe aber auch nicht zu jeder Person: „Man muss aufpassen, sonst kann man auch Schaden anrichten.“

Kritik an TikTok

„ByteDance“, die Firma hinter TikTok, ist ein chinesisches IT-Unternehmen. In den USA wird die App deswegen teilweise als Bedrohung der nationalen Sicherheit kritisiert. Es wird befürchtet, dass die chinesische Regierung auf Daten von Nutzern zugreifen kann. Auch in der EU gibt es Kritik. Vergangene Woche wurde berichtet, dass Mitarbeiter der EU-Kommission die App wegen Bedenken zur Cybersicherheit vorläufig von ihrem Diensthandy löschen müssen.

„Mit einem jüngeren Publikum kommt eine größere Verantwortung“, lautete ein Fazit des EU-Kommissars für den Binnenmarkt, Thierry Breton, nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer von TikTok. Er betonte in diesem Zusammenhang, dass TikTok sich an die europäischen Bestimmungen halten müsse, sonst würden umfangreiche Sanktionen drohen. Zudem wurde die App bereits wiederholt kritisiert, weil Falschinformationen, wie etwa zum Krieg in der Ukraine, sehr häufig sind, und weil Begriffe heimlich gefiltert und versteckt wurden.

Sven Clement hat auch schon auf TikTok experimentiert und schätzt das schnelle Feedback, das man auf der App bekommt. „Man muss den Leuten dort begegnen, wo sie sind“, sagt der Piraten-Abgeordnete. TikTok sei dafür nur ein weiterer Kanal. Sven Clement hat festgestellt: „Die Leute sind da und interessiert.“ Es seien zudem nicht nur junge Menschen, die Gruppe der Nutzer sei durchaus heterogener. TikTok habe außerdem einen anderen Algorithmus bei den Videos, die einem gezeigt werden. Der Abgeordnete beschreibt es im Gegensatz zu Facebook: „Es ist nicht die Logik, dass wenn die Leute sich mehr aufregen, es mehr geschaut wird.“ Auf Facebook könne man etwas Kontroverses posten, über das die Leute sich aufregen würden, und es würde sofort viel geteilt.

Unterschiedliche Ziele und Zielgruppen

Auf Inhalte bezogene Videos zu posten und nicht nur witzige Videos, ist Sven Clement aber auch auf TikTok wichtig. Er hat bereits diverse Ausschnitte aus Reden im Parlament gepostet. Doch eine Einschränkung nennt er: „Ich poste jetzt kein Video, in dem ich eine Steuerreform erkläre.“

Die Kernzielgruppe der CSV ist nicht auf TikTok.“Kerstin Flemming, Kommunikationsberaterin

Ähnlich sieht es Kerstin Flemming von der Kommunikationsagentur „Guru“, die die CSV im Wahlkampf unterstützt. Für die sozialen Netzwerke gelte: „Entweder ist es relevant oder es ist Entertainment.“ Eine Mischung daraus sei am besten. Als andere Strategie gebe es noch Tabubrüche, aber diese mache die CSV nicht. Die Volkspartei ist momentan noch nicht auf TikTok aktiv und wird sich auch in Zukunft nicht auf diese Plattform konzentrieren, sondern auf Facebook und Instagram. „Die Kernzielgruppe der CSV ist nicht auf TikTok“, so Kerstin Flemming.

„Wenn es darum geht, die Zielgruppe der Erstwähler zu erreichen, wären Mikrokampagnen auf TikTok möglich“, ergänzt sie. Insgesamt hat die Kommunikationsberaterin ein klares Ziel für die Präsenz auf den sozialen Netzwerken: „Das Ziel ist Teilen, Liken, Kommentieren. Wir wollen Reichweite, Bekanntheit und dass Leute sich mit den Themen auseinandersetzen.“ Man bekomme die Leute sowieso nur sehr schwer aus den Apps heraus, um etwa ein Wahlprogramm zu lesen. Inhalte auf der Plattform müssten also für sich sprechen.

Dennoch können die Videos klare Ziele verfolgen: „Ich versuche, für Themen, die mir wichtig sind, wie etwa LGBTQ+- und Frauenrechte sowie Umwelt und Klimawandel, zu sensibilisieren. Und teilweise auch Tabus zu brechen, indem ich Menstruation oder häusliche Gewalt anspreche“, so Jessie Thill von Déi Gréng. Mit ihren 27 Jahren ist die jüngste Abgeordnete im Parlament besonders auf Instagram, aber auch auf TikTok aktiv. „Ich finde, TikTok wichtig, um Politik zugänglicher zu machen und um über die Arbeit im Parlament aufzuklären. Damit kann ich zeigen, dass auch junge Menschen Politik machen können.“

„Kein Wahlkampf auf diesem Account“

Auf der TikTok-Seite von Xavier Bettel (DP) soll es um ein Thema nicht gehen: Parteipolitik und Wahlkampf. „Der TikTok-Account des Premiers wird von uns betrieben“, so eine Sprecherin des Premiers und ergänzt: „Wir kommunizieren als Staatsministerium und damit rein über die Arbeit des Premiers und die Regierungsarbeit.“ Insbesondere würden sie die Termine und Dossiers von Xavier Bettel dann auch auf dieser Plattform kommentieren.

TikTok ist die Plattform, um jüngere Personen zu erreichen. Wir wollen wissen, was die Sorgen der Leute da draußen sind.“Sprecherin von Premier Xavier Bettel

Es gebe deshalb eine strikte Trennung zwischen Partei- und Wahlkampfarbeit und den offiziellen Kommunikationskanälen des Premiers, betont die Sprecherin. „Wir berichten nicht über Wahlkampfauftritte.“ Die Partei werde auch nicht verlinkt. Dass dies nicht immer klappt, zeigt ein Video nach Xavier Bettels Rede zur Lage der Nation auf dem entsprechenden Instagram-Kanal: Es wurde von der DP gepostet, erscheint aber auch auf der offiziellen Seite des Premiers mit deutlicher Verlinkung zur Instagram-Seite der Partei.

Der Premier wolle wissen, was die Leute bewegt, heißt es weiter aus dem Staatsministerium. „TikTok ist die Plattform, um jüngere Personen zu erreichen. Wir wollen wissen, was die Sorgen der Leute da draußen sind“, so die Sprecherin des Premiers. Mit dem Aufruf nach Fragen hat Xavier Bettel laut TikTok über 22.000 Menschen erreicht. Auf die Antwort des Regierungschefs zur Cannabis-Legalisierung kann man dann in seinem nächsten Video hoffen. Oder man findet vielleicht bald eine Erklärung auf dem Account der LSAP.


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