Die Erneuerung der Monarchie ist neben der Corona-Krise eine politische Priorität, sagt der Premier. Hinter den Kulissen arbeitet das Staatsministerium demnach weiter an der Umsetzung des Waringo-Berichts. Die Klärung der wirklich konfliktgeladenen Fragen steht allerdings noch an.
Der Regierungschef interveniert beim Staatsoberhaupt, um eine Entlassung am großherzoglichen Hof rückgängig zu machen: Die Episode, die sich vor wenigen Wochen ereignete, bringt die Brisanz der aktuellen Lage auf den Punkt. Klarer könnte die Botschaft von Premierminister Xavier Bettel (DP) nicht sein: Die Zeiten haben sich geändert. Die Regierung wird bei der Personalpraxis am Hof nicht mehr tatenlos zuschauen.
Das außer Kontrolle geratene Personalmanagement war der Ausgangspunkt für die Ernennung von Jeannot Waringo zum Sonderbeauftragten für eine grundlegende Reform der Monarchie. Mindestens 30 Personen wurden innerhalb von nur vier Jahren am Hof entlassen oder haben von sich aus das Weite gesucht. Parallel hatte die Verwaltung des Großherzogs ohne Absprache mit der Regierung eine neue interne Organisation umgesetzt, welche die übliche Rollenverteilung am Hof faktisch außer Kraft setzte.
Nicht nur Rolle der Großherzogin im Fokus
Großherzogin Maria Teresa nahm in dieser Phase eine Rolle im alltäglichen Management des Palastes ein, die ihr laut Verfassung nicht zusteht. „Im Zweifel ist die Großherzogin die Ansprechpartnerin. Sie führt selbst Einstellungsgespräche, auch mit Personal, das ihr ausdrücklich nicht persönlich unterstellt ist“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter von Großherzog Henri im vergangenen Jahr im Gespräch mit REPORTER. Am Hof herrsche „Willkür wie zu Zeiten des Feudalismus“ und die „Großherzogin macht, was sie will“, schrieb das „Lëtzebuerger Land“ Anfang des Jahres unter Berufung auf Palastkreise.
Je ne me sens pas rebelle, plutôt novatrice.“Großherzogin Maria Teresa
Die Rolle der Gattin des Großherzogs wurde seitdem zunehmend zum Politikum. Bei der Vorstellung des Waringo-Berichts im Februar ließ sich der Premier gar zur Aussage verleiten, dass nach der geplanten Reform der Monarchie für die Großherzogin „kein Platz“ mehr in der Hierarchie des Hofes sein wird. Hinter vorgehaltener Hand wird die Großherzogin auch von anderen Regierungsmitgliedern als „Kern des Problems“ am Hof bezeichnet.
Doch das Problem, dessen Lösung sich Xavier Bettel persönlich verschrieben hat, geht natürlich noch tiefer. Der Waringo-Bericht liest sich wie die Geschichte einer Institution, die außer Kontrolle geraten ist. Die unausgesprochene Vereinbarung zwischen Regierung und Monarchie, wonach die Verwaltung des Hofes autonom funktionieren kann, wurde demnach aufgekündigt und soll nun durch neue, klare und niedergeschriebene Regeln ersetzt werden.
Vom Waringo-Bericht zur Bettel-Reform
Demnach ging die Mission des Sonderbeauftragten von Anfang an über die Personalpolitik hinaus. Letztlich wollte die Regierung durch die Ernennung von Jeannot Waringo, dem früheren Chef der Finanzinspektion, generell die Kontrolle über die Geschehnisse am Hof verstärken. Das Argument: Wie jede andere Institution des luxemburgischen Staates finanziert sich die Monarchie aus Steuergeldern. Der großherzogliche Hof unterliegt demnach einer Rechenschaftspflicht gegenüber der Regierung – und der Öffentlichkeit.
Es wird ein Organigramm erstellt, in dem die verschiedenen Posten und Zuständigkeiten am großherzoglichen Hof festgehalten werden. Da ist kein Platz für die Großherzogin.“Premierminister Xavier Bettel
Allerdings wählte Xavier Bettel, der als Staatsminister für die Institution der Monarchie zuständig ist, für die sich aufdrängende Reform des großherzoglichen Hofes zunächst den Weg der Verschwiegenheit. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit, des Parlaments und selbst hochrangigen Politikern der Koalitionsparteien, betraute der Premier persönlich Jeannot Waringo mit der brisanten Aufgabe, die Funktionsweise des großherzoglichen Hofes zu durchleuchten.
Nach dem Ende der Mission und zunehmender Berichterstattung in den Medien entschied sich das Staatsministerium allerdings dazu, den Waringo-Bericht zu veröffentlichen. Zudem versprühte Xavier Bettel bei der Vorstellung des Berichts ungewohnte Entschlossenheit und den unbedingten politischen Willen zur zeitnahen Erneuerung der Monarchie. Diese wird sich vor allem mit drei Aspekten befassen: die Professionalisierung des Personalmanagements, mehr Transparenz bei den Finanzen und die Schaffung einer neuen Institution („Maison du Grand-Duc“).
Koalition bleibt weitgehend außen vor
Was sich seit dem Beginn des Prozesses jedoch nicht geändert hat: Die Reform der Monarchie ist weiterhin eine exklusive Angelegenheit des Staatsministeriums. Mehr denn je wurde das Dossier in den vergangenen Wochen zur „Chefsache“. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte Anfang Juni auf Nachfrage von REPORTER, dass auch während der Hochphase der Corona-Krise weiter an der Reform gearbeitet wurde. Seit einigen Wochen sei das Dossier wieder eine Priorität des Premiers.
Die Großherzogin fühlt sich missverstanden
Großherzogin Maria Teresa wird in den Medien und in politischen Kreisen immer wieder eine problematische Rolle in der Funktionsweise des großherzoglichen Hofes attestiert. Die Großherzogin verfüge über keine verfassungsmäßige Funktion und soll demnach auch in keinem Organigramm des Hofes auftauchen, so die unmissverständliche Auffassung von Premier Xavier Bettel. In einem Interview mit der belgischen Ausgabe von „Paris Match“ von Anfang Juni äußerte sich die Gattin von Großherzog Henri erstmals zum Waringo-Bericht und den Vorwürfen gegen ihre Person. Einige Auszüge:
– „Je ne le vis pas comme une souffrance, car je n’ai jamais prétendu au moindre rôle constitutionnel.“
– „Je ne me sens pas rebelle, plutôt novatrice.“
– „J’assume une tâche difficile qui m’oblige à donner la priorité à ma vie officielle sur ma vie privée et familiale et cela mérite d’être reconnu.“
– „On me rapproche d’avoir trop d’influence sur mon mari? Nous sommes un couple, nous échangeons, dialoguons, partageons nos préoccupations. Rien de plus normal, il me semble.“
– „Ce n’est pas un plaisir d’évoquer ces choses et, croyez-moi, si je le fais, c’est uniquement avec le souci de préparer une voie meilleure aux générations futures. Qui sait, un jour peut-être, l’épouse du prince Charles m’en remerciera.“
In Regierungskreisen wurde das Interview nicht allzu positiv, sondern vielmehr als Bestätigung des eigentlichen Problems aufgefasst. Im Waringo-Bericht wird übrigens dringend empfohlen, dass künftig jegliche offizielle Kommunikation des Hofes im Vorhinein vom „Service Information et Presse“ im Staatsministerium gebilligt werden muss – was bei diesem Interview und bei etlichen anderen Gelegenheiten in den vergangenen Jahren nicht der Fall war.
Xavier Bettels engste Mitarbeiter gehen bei der Umsetzung der Reform mit maximaler Vertraulichkeit und Zielstrebigkeit vor. Jeannot Waringo soll zwar weiter an dem Prozess beteiligt sein. Der hohe Beamte im Staatsministerium Jacques Thill übernahm jedoch schon kurz nach der Fertigstellung des Waringo-Berichts die Federführung über die Reform. Das Kabinett wird dem Vernehmen nach nur sporadisch über das Fortschreiten des Reformprozesses informiert. Die anderen Minister, und erst recht die Abgeordneten von DP, LSAP und Déi Gréng, bleiben bei der Umsetzung der Erneuerung der Monarchie bisher außen vor.
Parallel dazu wurden bereits wichtige Nominierungen vollzogen. Mit Yuriko Backes wurde eine Vertraute und ehemalige Beraterin des Premiers (und von dessen Vorgänger Jean-Claude Juncker) zur Hofmarschallin befördert. Sie soll in Zukunft wieder jene zentrale Rolle am Hof ausüben, die unter ihrem Vorgänger Lucien Weiler auf mehrere Posten verteilt worden war. Der Finanzier und DP-Strippenzieher Norbert Becker wurde zum Präsidenten der „Administration des Biens de Son Altesse Royale le Grand-Duc“ ernannt – eine weitere Schlüsselposition zur Umsetzung der im Waringo-Bericht angedachten strikten Trennung von öffentlichen und privaten Finanzen des Staatsoberhaupts.
Eine Reform für die Geschichtsbücher
Der Premier sieht in der Reform der Monarchie nicht nur ein politisches Minenfeld, sondern letztlich eine große Chance. Nach der Trennung von Kirche und Staat wäre die strukturelle Erneuerung der Monarchie ein weiteres Beispiel für eine grundlegende Neuordnung der politisch-sozialen Landschaft des Großherzogtums. Xavier Bettel wittert so eine weitere Gelegenheit, als großer Staats- und Gesellschaftsreformer in die Geschichte einzugehen.
Dass die Reform der Monarchie in keinem Koalitionsprogramm stand und der Premier das Dossier zur Chefsache erklärt, deutet allerdings darauf hin, dass es auch persönliche Gründe für das Vorgehen gibt. Wie es aus dem Umfeld des Premiers heißt, geht es Xavier Bettel nicht zuletzt darum, die Macht- und Legitimationsverhältnisse in der luxemburgischen Demokratie klar zu stellen.
Der Liberale bezeichnet sich zwar stets als „Monarchist“. Doch sein Verständnis von Monarchie ist formal, radikal repräsentativ, und eher folkloristisch als durch eine greifbare politische Überzeugung geschuldet. Die parlamentarische Demokratie mit monarchischem Staatsoberhaupt ist für ihn nur dann die beste Staatsform für das Land, wenn sich der Monarch – und dessen Gattin – auf seine repräsentative Rolle beschränkt.
Von der Chefsache zur offenen Debatte
An dieser Stelle werden jedoch auch die Grenzen des Bettel’schen Reformwillens deutlich. Die meisten Anpassungen an der Funktionsweise des großherzoglichen Hofes kann sein Ministerium entweder wie bisher im Alleingang oder mit blau-rot-grüner Mehrheit per Gesetz regeln. Wenn es aber um das generelle, im Grundgesetz verankerte Verhältnis zwischen den Institutionen des Luxemburger Staates geht, ist die Koalition wegen fehlender Verfassungsmehrheit im Parlament nicht mehr allein handlungsfähig.
Die CSV hat in den Debatten zur Verfassungsreform bereits angedeutet, dass sie keinen Bedarf für eine revolutionäre Reform der großherzoglichen Prärogativen sieht. Und wenn es hart auf hart kommt, könnte es auch der laut Verfassung „unverletzliche“ Großherzog auf eine Konfrontation ankommen lassen. Denn aktuell räumt ihm das Grundgesetz mehr Macht ein, als dies das forsche Vorgehen des liberalen Premiers vermuten lässt. Zudem sieht Luxemburgs Verfassung keine Sicherung vor künftigen institutionellen Krisen vor.
Der Ausgang des ambitionierten Reformprozesses ist also noch offen. Das liegt weniger an dem anhaltenden Widerstand von Teilen der Verwaltung des Großherzogs als an der längerfristigen Durchsetzungskraft des Premiers in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie die blau-rot-grüne Agenda bestimmen werden.
Es wird also wie so oft bei der Dreierkoalition auf die pragmatische Umsetzung der zuvor groß angekündigten Reformen hinauslaufen. Soll am Ende wirklich das neue „Luxemburger Modell“ stehen, wie Bettel das Ziel der Monarchie-Reform nennt, wird er weiter mit Fingerspitzengefühl und taktischem Geschick vorgehen müssen. Die unaufgeregt vollzogene Trennung von Kirche und Staat ist dabei das Modell, das für Blau-Rot-Grün Erfolg verspricht. Das Referendum zum Ausländerwahlrecht, also die gewagte Konfrontation der eigenen Reformidee mit dem kollektiven Willen der Wähler, eher das „worst case scenario“.
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