Der Großherzog entlässt seinen Kabinettschef, muss diese Entscheidung aber nach einer Intervention des Premiers wieder zurücknehmen. Es ist die neueste Episode in der schwierigen Umsetzung der Reform der Monarchie im Zuge des Waringo-Berichts. Hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf.
Eigentlich sollte jetzt alles anders und vor allem besser werden. Mehr Transparenz, weniger Personalwechsel, ein klares Organigramm: Das sind nur drei der Ziele der geplanten Reform der Monarchie, deren Umsetzung sich die Regierung nach der Veröffentlichung des Waringo-Berichts erhofft.
Trotz der Corona-Krise schreitet die Modernisierung der Luxemburger Monarchie voran. Im April wurde der ehemalige „General Manager“ des großherzoglichen Hofes fristlos entlassen, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt (REPORTER berichtete). Am 1. Juni begann die neue Hofmarschallin Yuriko Backes ihre neue Aufgabe. Parallel arbeitet das Staatsministerium unter der Führung des Spitzenbeamten Jacques Thill an der schrittweisen Umsetzung der Empfehlungen aus dem Waringo-Bericht.
Michel Heintz entlassen, aber doch nicht…
Doch die Kooperation vonseiten des großherzoglichen Hofes verläuft immer noch nicht reibungslos. Nur drei Tage vor dem Antritt der neuen Hofmarschallin platzte im Palast nämlich eine kleine Bombe: Der Kabinettschef des Großherzogs, Michel Heintz, erhielt ein Entlassungsschreiben. Begründet wurde der Rauswurf laut Informationen von REPORTER mit einem unwiderrufbaren Vertrauensverlust. Ausgeführt wurde er von den Sonderberatern des Hofes Norbert Becker und André Prum.
Allerdings wurde die Entscheidung offenbar ohne das Einverständnis des Staatsministeriums getroffen. In den darauffolgenden Tagen intervenierte Premierminister Xavier Bettel nämlich beim Großherzog und drängte ihn dazu, die Entlassung rückgängig zu machen. Bettel soll den Staatschef mit Nachdruck daran erinnert haben, dass eine Personalentscheidung solcher Tragweite nur mit dem Einverständnis der Regierung zu treffen sei, heißt es von einer Quelle, die mit dem Inhalt des Gesprächs vertraut ist. Das Resultat: Michel Heintz wird nicht entlassen, könnte aber längerfristig eine neue Rolle innerhalb der Verwaltung des Hofes zugewiesen bekommen.
Aus dem Staatsministerium heißt es auf Nachfrage von REPORTER, dass man die Gespräche zwischen dem Premier und dem Großherzog grundsätzlich nicht kommentiere. Die Pressestelle des großherzoglichen Hofes antwortete nach einer Woche auf die gleiche Nachfrage lediglich, dass der Posten des Kabinettschefs des Großherzogs unverändert von Herrn Heintz besetzt sei. Michel Heintz wollte die Entwicklung der vergangenen Tage seinerseits nicht kommentieren.
Staatsminister verstärkt politische Kontrolle
Xavier Bettels Intervention ist nur der letzte Ausdruck des Willens der Regierung, nach unzähligen Personalwechseln wieder Kontrolle über das Geschehen am Hof zu erlangen. Die hohe Mitarbeiterfluktuation war der Ausgangspunkt für die Ernennung von Jeannot Waringo zum Sonderbeauftragten für die Personalpolitik der Monarchie. Seit der Veröffentlichung des Waringo-Berichts Ende Januar hat das bei der Reform der Monarchie federführende Staatsministerium die Gangart erhöht.

Michel Heintz gilt als graue Eminenz der Verwaltung des Hofes. Als Direktor des Kabinetts des Staatschefs fungierte er als engster Berater von Großherzog Henri. Heintz soll jedoch neben dem früheren Hofmarschall Lucien Weiler die treibende Kraft hinter der zunehmenden Einmischung der Regierung in die Funktionsweise des großherzoglichen Hofes gewesen sein. „Der SOS-Ruf kam direkt aus dem Palais“, zitierte das „Lëtzebuerger Land“ im Januar den früheren LSAP-Fraktionschef Alex Bodry. Und weiter: „Andere Quellen behaupten, es sollen Hofmarschall Lucien Weiler und Kabinettschef Michel Heintz selbst gewesen sein, die den Premier darum baten, die Lage am Hof zu analysieren.“
Neueste Episode eines anhaltenden Konflikts
Die Entlassung von Michel Heintz wurde im Staatsministerium demnach als Affront gegen die eigenen Reformbemühungen und die gesamte politische Führung des Landes gewertet. Vor allem lief der Schritt jeglichen Prinzipien der neuen Governance am großherzoglichen Hof zuwider. Da sämtliche Gehälter des offiziellen Personals der großherzoglichen Verwaltung auf Kosten des Staates gehen, sollten „jegliche Einstellungen und Entlassungen“ des Hofes nur mit der Einwilligung des Premierministers vorgenommen werden können, schrieb Jeannot Waringo in seinem Abschlussbericht.
Dies würde zumindest den erklärten Vertrauensverlust in der Beziehung zwischen dem Großherzog und seinem Kabinettschef erklären. In Regierungskreisen lässt aber vor allem das Timing aufhorchen. Nur drei Tage vor dem Amtsantritt der neuen Hofmarschallin entließ der Staatschef seinen hochrangigen Mitarbeiter. Die neue Hofmarschallin Yuriko Backes soll eigentlich wieder die Funktion der unumstrittenen Chefin der Verwaltung am Hof ausfüllen. Insbesondere das Personalmanagement und die Beziehung des Hofes zur Regierung fallen unter die Verantwortlichkeit der früheren Beraterin der Premiers Jean-Claude Juncker und Xavier Bettel.
Weitere Personalwechsel wahrscheinlich
Dieses fundamentale Prinzip soll Xavier Bettel dem Großherzog auch in den vergangenen Wochen mehrmals in Erinnerung gerufen haben, heißt es aus Regierungskreisen. Die unmissverständliche Botschaft: Keine wichtigen Personalentscheidungen werden ohne die Zustimmung des Premiers getroffen. Im großherzoglichen Palast wollen sich manche Kräfte aber nur ungern mit der neuen Realität anfreunden. Zudem wirft die Rolle der Sonderberater Norbert Becker und André Prum aus Regierungssicht zunehmend Fragen auf. Spätestens mit der Ernennung der neuen Hofmarschallin ist die Mission der beiden externen Berater eigentlich hinfällig geworden.
Innerhalb der Koalition zeigt man sich indes umso entschlossener, den Reformprozess des Waringo-Berichts fortzuführen. Das gesamte Umfeld des Staatsoberhauptes habe letztlich keine andere Wahl, als sich diesem politischen Willen zu fügen, so die Botschaft, die Bettels Staatsministerium seit geraumer Zeit hinter den Kulissen versendet. Der neuen Hofmarschallin kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Ob Michel Heintz im Zuge des rezenten Machtkampfs dauerhaft auf seinem Posten bleiben kann, gilt allerdings als fraglich.
Zudem heißt es, dass sich Albert Wildgen, seit 2008 Präsident der „Administration des biens de Son Altesse Royale le Grand-Duc“ in naher Zukunft zurückziehen könnte. Damit wäre ein weiterer Schlüsselposten am Hof neu zu besetzen. Wildgens Posten ist umso bedeutender, als er den Kern der neuen Governance und dabei besonders die Trennung von privaten und öffentlichen Finanzen der Luxemburger Monarchie betrifft.
Monarchie-Reform soll wieder „prioritär“ werden
Unabhängig von den Personalfragen dürfte sich die Umsetzung der Reformen in der Praxis durchaus schwierig gestalten. Das liegt weniger an der Corona-Pandemie als an der hohen Ambition und den vielen einzelnen strukturellen Anpassungen, die Jeannot Waringo der Regierung in seinem Bericht empfiehlt.
Zumindest die Prioritäten innerhalb der Regierungsverwaltung dürften sich aber bald wieder ändern. In den vergangenen drei Monaten lag der Fokus klar auf der Bewältigung der sanitären Krise und deren Folgen für Luxemburg, so eine Sprecherin von Xavier Bettel. Es wurde aber auch weiter an der Reform der Monarchie gearbeitet. Jetzt, auch nach dem Amtsantritt der neuen Hofmarschallin, werde der Reformprozess wieder „prioritär“ behandelt, heißt es aus dem Staatsministerium.
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