Xavier Bettel kündigt eine grundlegende Reform der Luxemburger Monarchie an. Dabei versprüht der Premier eine ungeahnte Entschlossenheit zur politischen Gestaltung, die er und seine Regierung in anderen Politikbereichen vermissen lassen. Ein Kommentar.

Man stelle sich vor, eine Regierung erkennt ein politisches Problem, liefert dazu eine klare Diagnose und schlägt zeitnah Lösungen vor. Der Regierungschef tritt vor die Öffentlichkeit, teilt seine Reformvorstellungen in allen Details mit und nimmt sich am Ende sogar reichlich Zeit, um Fragen von Journalisten zu beantworten. Klingt komisch, ist aber heute genau so passiert.

„Ein Luxemburger Modell, das gut funktioniert“: So bezeichnete Staatsminister Xavier Bettel am Mittwoch sein Reformkonzept für Luxemburgs Monarchie. Der Premier wartete dabei mit einer klaren Diagnose auf und kündigte gleich eine Reihe von Anpassungen der Funktionsweise des großherzoglichen Hofes an, die laut Bettel „zügig“ umgesetzt werden sollen.

Weniger als eine Woche nach der Vorstellung des Waringo-Berichts macht der Regierungschef also Nägel mit Köpfen. Nahezu alle Reformvorschläge des Sonderberichterstatters Jeannot Waringo macht sich Bettel zu eigen. Bei seinem Auftritt zeigt sich der Premier so gut vorbereitet und zur politischen Tat entschlossen, wie man ihn schon lange nicht mehr erlebt hat.

Weitere Reformbaustellen warten

Unabhängig davon, was man von der geplanten „Modernisierung“ des großherzoglichen Hofes hält, bleibt zumindest dieser Eindruck eines ungeahnt tatkräftigen Premierministers hängen. Dabei drängt sich die Frage auf, warum Xavier Bettel nicht mit der gleichen Inbrunst und Offenheit andere Reformbaustellen angeht.

Es ist fast so, als ob Xavier Bettel eineinhalb Jahre nach seiner Wiederwahl das Politikmachen für sich wiederentdeckt hat.“

So könnte man sich zumindest theoretisch vorstellen, dass der Premier auch in der Wohnungskrise oder bei der steigenden Armut im Land eine ähnlich messerscharfe Problemdiagnose liefert wie bei der Krise der Monarchie. Und gleichzeitig den Mut aufbringt, die mitunter unangenehmen Schlussfolgerungen aus dieser Analyse anzusprechen und konkrete Lösungen für das Problem vorzuschlagen.

Ganz nebenbei bemerkt, zeigt der blau-rot-grüne Reformwille in Sachen Monarchie, dass der oft hörbare Hinweis, wonach man sich bei der Regierungspolitik strikt an das Koalitionsprogramm halten müsse, ein billiges Scheinargument zur Vertuschung der eigenen politischen Untätigkeit ist. Mit keinem Wort taucht die Reform der Monarchie im Programm von Blau-Rot-Grün auf. Und doch soll es nun zu einer wahrlich historischen Neuordnung der Beziehungen zum großherzoglichen Hof kommen.

Die Grenzen der „Modernisierung“

Es ist fast so, als ob Xavier Bettel eineinhalb Jahre nach seiner Wiederwahl das Politikmachen für sich wiederentdeckt hat. Nach den ersten fünf Jahren von Blau-Rot-Grün, die vor allem im Zeichen gesellschaftspolitischer Reformen standen, ließ diese Koalition schnell ein „gemeinsames Projekt“ vermissen, wie es der frühere LSAP-Fraktionschef Alex Bodry einst ausdrückte. Jetzt hat sie mit der Reform der Monarchie zumindest einen Bereich identifiziert, in dem sie ihre Modernisierungsagenda weiter vorantreiben kann.

Während der Regierungschef die Erneuerung der Monarchie zur Chefsache erklärt, überlässt er in anderen, politisch nicht weniger heiklen Dossiers lieber seinen Ressortministern die Deutungs- und Gestaltungshoheit.“

In anderen Politikbereichen verläuft die politische Gestaltung der Regierung jedoch weitaus schwerfälliger. Das liegt nicht zuletzt an der von Beobachtern oft festgestellten mangelhaften Führungskraft des Premierministers. Während der Regierungschef die Erneuerung der Monarchie zur Chefsache erklärt, überlässt er in anderen, politisch nicht weniger heiklen Dossiers lieber seinen Ressortministern die Deutungs- und Gestaltungshoheit.

In diesen Tagen hat Xavier Bettel bewiesen, dass er auch anders kann. Zwar sind die von ihm angekündigten Reformen der Funktionsweise der Monarchie angesichts andauernder Missstände überfällig. Dennoch sollte man die Vorgehensweise des Premiers anerkennen. Er investiert hier sein ganzes politisches Kapital, um ein klar und sorgfältig diagnostiziertes Problem zu lösen, auch auf die Gefahr hin, dass er es damit nicht allen Recht macht. Das ist in dieser Form eine Premiere in der politischen Karriere des DP-Politikers.

Politische Gestaltung ist möglich

Xavier Bettel sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Denn genau das ist es, was die Wähler letztlich von ihren politischen Vertretern erwarten dürfen. Um in einer Phase der Hochkonjunktur den Wohlstand des Landes zu verwalten und zu verteilen, braucht man letztlich keine sonderlich begabten Politiker. Um objektive Probleme der Gesellschaft zu erkennen und zumindest zu versuchen, diese im Interesse des Gemeinwohls zu lösen, aber schon.

Und bei aller Komplexität der Probleme des Landes liegt der Vorteil eigentlich auf der Hand: Um zu erkennen, dass die Wohnungskrise, die Schere zwischen Arm und Reich, die Verkehrsüberlastung oder die Kollateralschäden des Wirtschaftswachstums für Klima und Umwelt einer politischen Lösung bedürfen, braucht es im Grunde keinen Bericht eines Sonderbeauftragten des Premiers, um zu handeln. Auch hier darf man zumindest träumen von einem „Luxemburger Modell, das gut funktioniert“.