Aktuelle Minister sowie ehemalige Mitglieder der Regierung können nun wie jeder andere Bürger von der Justiz strafrechtlich verfolgt werden. Das ermöglicht ein neues Gesetz, welches das Parlament am Dienstag verabschiedet hat. Damit wird eine fast 200 Jahre alte Lücke in der Gesetzgebung geschlossen und der Weg frei gemacht für eine Befragung von Ex-Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) im Kontext der sogenannten „Gaardenhaischen“-Affäre.

Ein diesbezüglicher Antrag der Staatsanwaltschaft im April 2022 war der Auslöser für dieses Gesetz. Denn nachdem Carole Dieschbourg nach der Ankündigung der Justiz zurückgetreten war, stellte sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Laut der aktuellen Verfassung obliegt es nämlich dem Parlament, über die Anklage eines (Ex-)Regierungsmitglied zu entscheiden. Ein Gesetz, das diese Prozedur regelt, war aber niemals verabschiedet worden.

Das wurde nun nachgeholt. Die Staatsanwaltschaft kann jetzt, nach ihrer Voruntersuchung, weitere Ermittlungen durchführen. Carole Dieschbourg dürfte demnach zeitnah von der Kriminalpolizei zur Affäre um den ehemaligen Differdinger Bürgermeister Roberto Traversini (Déi Gréng) und zu ihrem möglichen Fehlverhalten in dem Fall befragt werden.

Der Berichterstatter des Gesetzvorschlags, Mars Di Bartolomeo (LSAP), sprach am Dienstag von der Einführung einer sogenannten „demokratisierten strafrechtlichen Prozedur“ und dass dabei so weit wie möglich das „Droit commun“ zum Tragen komme. Demnach entscheide am Ende zwar immer noch das Parlament über die „Mise en accusation“ eines aktuellen oder ehemaligen Ministers, ohne sich aber in die Ermittlungsarbeit der Justiz einzumischen, so Mars Di Bartolomeo. Die Justiz wird nach Abschluss ihrer Untersuchung dem Parlament einen Bericht vorlegen. Die Abgeordnetenkammer stimmt dann in nicht-öffentlicher Sitzung über eine mögliche Anklagerhebung ab.

Der LSAP-Abgeordnete sprach am Dienstag aber auch von einem Gesetz mit begrenzter Lebensdauer. In der Tat wird die sogenannte „Lex Dieschbourg“ nur vier Monate Gültigkeit haben. Wenn am 1. Juli die neue Verfassung in Kraft tritt, wird das Gesetz wieder außer Kraft gesetzt. Die im Dezember 2022 verabschiedete neue Verfassung beinhaltet nämlich schon das Prinzip der strafrechtlichen Verantwortung von Ministern, an dem sich DP, LSAP, Déi Gréng und CSV bei ihrem Gesetzesvorschlag für die „Lex Dieschbourg“ orientierten. Auf den Verlauf der Ermittlungen soll der Übergang vom Gesetz zur neuen Verfassung denn auch keinen Einfluss haben. (GS)


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