Der Entwurf des allgemeinen Bebauungsplans in Differdingen sorgt für hitzige Diskussionen im Gemeinderat. Der Grund: Ein Grundstück im Besitz von Bürgermeister Roberto Traversini soll umklassiert werden. Ein Lehrstück über die Untiefen kommunaler Politik.

„Ich bedanke mich bei den beiden Journalisten und dann kommen wir zum nicht-öffentlichen Teil der Sitzung“, sagte Bürgermeister Roberto Traversini am Mittwoch letzter Woche. Doch dann ging es im Gemeinderat nicht um Personaldiskussionen – der übliche Grund für „huis clos“. Nein, es ging um ein Haus des Bürgermeisters und grünen Abgeordneten. Es soll über den allgemeinen Bebauungsplan (PAG) aus der Kleingartenzone in ein Wohngebiet umklassiert werden.

Die ungewöhnliche Vorgehensweise und mangelnde Transparenz führte in den letzten Tagen zu zahlreichen Spekulationen unter den Differdinger Bürgern. Der Gemeinderat Gary Diderich (déi Lénk) warf die Frage auf, ob der Bürgermeister in diesem Punkt einen Interessenkonflikt hat, den er hätte offenlegen müssen.

Klar ist allerdings, dass die Umwidmung Folgen für die PAG-Prozedur haben wird. „Ich werde mich von Debatten und Abstimmungen über diesen Punkt fernhalten“, betont Roberto Traversini auf Nachfrage von REPORTER.

Ein Balancierkünstler und ein Haus am Waldrand

Es geht um ein Haus im Nebenweg der „Route de Pétange“ in Niederkorn. Die Nummer 15a liegt an einem Hang, direkt am Waldrand. Gebaut wurde das Haus vor knapp 70 Jahren von Roger Quaino, dem „Roi des équilibristes”. So nennt ihn das „Tageblatt“ in einem Nachruf.

Das Problem: Das Haus samt Schuppen dürfte es an diesem Ort gar nicht geben. Denn das Grundstück liegt in einer Zone, die der Bebauungsplan von 1981 als „Kleingarten und Gärtnereigebiet“ festlegt. Diese reicht vom Waldrand bis an die Häuserzeile der „Route de Pétange“. Aktuell befinden sich alte Obstgärten zwischen dem Grundstück am Waldrand und diesen Häusern.

Ausschnitt aus dem Entwurf des Differdinger PAG. Im roten Kreis der Teil des Grundstücks von Roberto Traversini, der umklassiert werden soll.

Als Roger Quaino im Oktober 2018 im Alter von 91 Jahren verstarb, erbte Roberto Traversini das Grundstück an der Nummer 15a. Er habe davon allerdings erst „kürzlich“ bei der Testamentseröffnung erfahren, sagt der grüne Politiker. Er sei Roger Quaino und seiner Frau Giselle seit langem sehr verbunden gewesen und habe in den letzten Jahren die Vormundschaft der beiden übernommen, sagt er im Gespräch mit REPORTER. Das habe er auch im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Gemeinderats betont. Er habe keine Verwendung für das Haus und überlege, es der „Agence Immobilière Sociale“ anzubieten oder etwa der Caritas als Unterkunft für eine Flüchtlingsfamilie.

Der Vorwurf des zweierlei Maß

Der PAG-Entwurf, den der Gemeinderat im Juni in die Prozedur gab, behandelt die Obstgärten anders als das Grundstück mit dem Haus. Der Plan sieht vor, die beiden Gebäude auf dieser Parzelle als „zone d’habitation 1“ umzuwidmen – was dem Gebiet von Einfamilienhäusern entspricht. Doch der Rest der Parzelle und die Obstgärten unterhalb des Hauses werden zur „Zone de jardins familiaux“.

Ich kann verstehen, dass ein Grüner, der das Glück hat, ein Haus im Grünen zu ergattern, auch möchte, dass es rundherum grün bleibt.“Gary Diderich, Déi Lénk

In dieser Zone sind lediglich kleine Bauten erlaubt, die in direktem Zusammenhang mit der Bestimmung stehen, also Gartenbau und Entspannung, wie es im Entwurf heißt. Für die Besitzer der Obstgärten würde also alles beim Alten bleiben. Die Annahme des PAG würde allerdings eine Wertsteigerung des Hauses bedeuten, das nun dem Bürgermeister gehört.

„Ich kann verstehen, dass ein Grüner, der das Glück hat, ein Haus im Grünen zu ergattern, auch möchte, dass es rundherum grün bleibt“, sagte Gemeinderat Gary Diderich in der Sitzung am 17. Juli. Dabei klang ein deutlicher Vorwurf an: Nämlich, dass der Schöffenrat zweierlei Maß anwendet.

„Warum werden in diesem Fall nicht alle Parzellen umklassiert?“, fragt Diderich im Gespräch mit REPORTER. Der Schöffenrat habe den Besitzern der Obstgärten anfangs Hoffnungen gemacht, dass auch ihre Grundstücke zu einem Wohn- und damit Baugebiet würden. Davon sei dann aber plötzlich keine Rede mehr gewesen, so Diderich.

Fehlende Transparenz

„Et ass eng kriddlech Affär“, sagt der DP-Gemeinderat François Meisch im Gespräch mit REPORTER. Er habe allerdings erst durch die Intervention Diderichs letzte Woche erfahren, dass das Haus „Route de Pétange“ dem Bürgermeister gehöre. Auch der Gemeinderat Ali Ruckert (KPL) entdeckte das mögliche Problem erst zu diesem Zeitpunkt. Er habe die Vorwürfe Diderichs allerdings nicht nachvollziehen können, so Ruckert.

Auf die Frage, ob sich im Schöffenrat über mögliche Interessenkonflikte ausgetauscht wurde, gab es ein Nein des Schöffen Georges Liesch (Déi Gréng). Die Regeln seien festgelegt worden, ohne zu schauen, wem was gehört.

Roberto Traversini wirft Diderich „Mittel à la Trump“ vor. Die Vorwürfe, er habe das Haus von Roger Quaino „ergattert“ und sich einen Vorteil verschafft, seien populistisch, so der grüne Bürgermeister. Er habe unter Ausschluss der Öffentlichkeit über diese Vorwürfe diskutieren wollen, weil sie „persönlich“ seien.

Allerdings sieht das Gemeindegesetz ein solches Vorgehen nicht vor: Sitzungen „à huis clos“ sind nur zulässig bei Personalentscheidungen, Fragen der öffentlichen Ordnung oder bei „inconvénients graves“. Selbst dann muss der Gemeinderat darüber diskutieren und mit Zweidrittelmehrheit darüber entscheiden. Doch das war nicht der Fall.

Interessenkonflikt als Prozedurproblem

Die Frage bleibt, ob der Interessenkonflikt des Bürgermeisters ohne das Eingreifen von Gary Diderich öffentlich thematisiert worden wäre. Dabei ist das ein äußerst wichtiges Element. Denn Artikel 20 des Gemeindegesetzes sieht vor, dass es jedem Gemeinderatsmitglied verboten ist, über Punkte abzustimmen, die sein „direktes Interesse“ betreffen. Das gilt auch für den Schöffenrat und selbst für die Debatte über diese Änderungen.

Bis diesen Montag konnten Bürger Einspruch gegen Elemente des PAG-Entwurfs einreichen. Auch im Fall der „Route de Pétange“ gab es Beschwerden, so der Bürgermeister. (Foto: Eric Engel)

Was die Grundstücke an der „Route de Pétange“ angeht, ist diese Frage nicht mehr nur hypothetisch. Die Besitzer der Obstgärten haben offiziell Beschwerde eingereicht, bestätigt Traversini. Der Schöffenrat wird darüber entscheiden müssen, auch wenn die Betroffenen erst von den zuständigen Beamten angehört werden sollen.

Sowohl bei der Entscheidung im Schöffenrat als auch bei der abschließenden Abstimmung über diesen Teil des PAG wird sich der Bürgermeister heraushalten müssen. Sonst droht ein Verfahrensfehler. Ein Verstoß gegen Artikel 20 könnte dazu führen, dass das Innenministerium den allgemeinen Bebauungsplan verwirft. Auch das Verwaltungsgericht könnte eine Abstimmung in diesem Fall für ungültig erklären, heißt es auf Nachfrage aus dem Innenministerium.

Drei weitere Häuser betroffen

„Ich werde mich bei der Debatte und der Abstimmung über die diskutierten Parzellen heraushalten“, betont Roberto Traversini. Da ein weiterer Gemeinderat einen Interessenkonflikt habe, müsse die Abstimmung über den PAG in mehrere Teile aufgeteilt werden, erklärt er.

Im Fall seines Hauses in der „Route de Pétange“ und drei weiteren Fällen geht es darum, die Rechtslage an die Tatsachen anzupassen. Die bisher außerhalb des Bauperimeters liegenden Häuser werden deshalb in das Wohngebiet aufgenommen. Allerdings nur die Bauten und nicht die gesamte Parzelle, wie Traversini betont.

„Das ist legitim“, sagt François Meisch als Vertreter der Opposition. Man erspare damit den Besitzern bei jeder Arbeit am Haus eine Genehmigung des Umweltministeriums erhalten zu müssen.

Ein besonderes Grundstück

Das Grundstück Traversinis, um das es bei der Kontroverse geht, ist alles andere als gewöhnlich. Ihm gehören dort insgesamt drei Parzellen, die zum Teil in „Natura 2000“-Schutzgebieten liegen. Ein Teil des Geländes wird außerdem im PAG-Entwurf als Biotop eingestuft. In den Umweltprüfungen, die Teil der Prozedur sind, wird dieses Grundstück allerdings nicht erwähnt.

Ob die Umwidmung dieses und drei weiterer Häuser überhaupt zulässig ist, wird sich erst zeigen, wenn die Stellungnahme des Umweltministeriums vorliegt. Diese muss spätestens bis Ende Oktober vorliegen. Im Gutachten zur Umweltprüfung bemängelt das Ministerium die Umwidmung eines anderen Hauses außerhalb des Bauperimeters, das ebenfalls in direkter Nähe zum Natur- und Vogelschutzgebiet liegt.

„Ich hoffe wirklich, dass das Umweltministerium die strittigen Parzellen herausnimmt“, sagt Roberto Traversini. Dann wäre die Kontroverse beerdigt. Doch diese Diskussionen werden sicher nicht mehr unter „huis clos“ stattfinden.


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