Immer wieder steht die Wohnungsbaupolitik der Regierung in der Kritik. An Lösungsansätzen mangelt es dabei nicht. Was aber nur die wenigsten bedenken: Ohne das Mitwirken der Gemeinden wird diese Krise nicht gelöst. Denn sie entscheiden, ob gebaut wird oder nicht.
Die Nachfrage bleibt hoch und das Angebot knapp: Durch diese einfache ökonomisch bedingte Faktenlage erklärt sich auch das Problem des teuren Wohnraums in Luxemburg. Doch völlig machtlos ist der Staat nicht, um auf die Gesetze des Marktes einzuwirken – zumindest in der Theorie. In der Praxis stehen einer wirksameren Wohnungsbaupolitik etliche Hürden im Weg.
Vor allem an der großräumigen Schaffung von Wohnungen hapert es. Hier braucht es nämlich die Unterstützung der Gemeinden. Das Problem: Manche Kommunen blockieren immer wieder Bauprojekte, die eine bedeutende Anzahl an Wohnungen schaffen könnten. Nationale Priorität Wohnungsbau? Ja, aber bitte nicht in meiner Gemeinde.
Die Regierung ist also auf das Wohlwollen der politisch Verantwortlichen auf kommunaler Ebene angewiesen. Die Ausweisung von Bauland, das Gutheißen von Bebauungsplänen und die Erteilung von Baugenehmigungen bleiben auch 2018 noch das Vorrecht der Gemeinde.
Nationales Problem, kommunale Blockaden
In jeder Gemeinde wird zwar gebaut, aber offensichtlich nicht genug. Das Problem ist, dass nicht genügend Wohnungen auf einen Schlag entstehen. Die Argumente der Gemeindeverantwortlichen sind dabei vielfältig und natürlich von Fall zu Fall auch nachvollziehbar: Größere Wohnungsbauprojekte sind der Albtraum von vielen kleineren Gemeinden. Mehr Einwohner benötigen mehr Straßen, mehr Schulen, mehr Kindertagesstätten, usw. Der kolossale Aufwand wird schnell zur Überforderung.
In öffentliche Kritik geraten dabei aber immer wieder die staatlichen Bauträger „Fonds du Logement“ und „Société des habitations à bon marché“ (SNHBM). Realistisch betrachtet, ist Luxemburg aber auf Dauer auf die privaten Bauträger und ihre größeren Bauprojekte angewiesen. Ihnen werden von den Gemeinden aber immer wieder Steine in den Weg gelegt.
Das Problem sei nicht der Erwerb von Grundstücken, sondern die langen Prozeduren, heißt es immer wieder von den privaten Bauträgern. Was das letztlich bedeutet, wird jedoch nicht immer dazu gesagt: Öfters entscheidet der gute Wille der Gemeinden darüber, ob ein Projekt realisiert wird oder nicht. Allein die Prozedur bis zur Entscheidung eines neuen Bauprojekts und ein dafür nötiger Teilbebauungsplan dauert manchmal mehrere Jahre. Und oft genug lautet die Antwort am Ende Nein.
Der alles entscheidende „PAG“
Die Bibel der Gemeinden ist dabei der Flächennutzungsplan, auch allgemeiner Bebauungsplan oder „Plan d’aménagement général“ (PAG) genannt. Hier hält jede Gemeinde für sich fest, ob pro Parzelle ein Einfamilienhaus oder ein Wohnungsgebäude entstehen kann – genauer gesagt, wie viele Wohnungen überhaupt pro Quadratmeter auf einer Parzelle gebaut werden dürfen. Der PAG bestimmt auch die Größe des Gebäudes im Vergleich zum Grundstück und gibt die maximale Anzahl der Stockwerke vor.
War im Wahlkampf von einer stärkeren Innenverdichtung und höheren Gebäuden die Rede, so müssten Politiker eigentlich längst wissen, dass sie selbst mit nationalen Bestimmungen auf lokaler Ebene reichlich wenig anrichten können. Die Gemeindeautonomie wird so besonders beim Wohnungsbau zur Herausforderung.
Dass es in Luxemburg an Wohnraum fehlt, ist durch viele Faktoren begründet. Die Vorgaben der Gemeinden gehören jedoch auch dazu. Dass Gemeinden sich von Regierung und Parlament reichlich wenig vorschreiben lassen, beweist allein eine Tatsache: 54 der 102 Gemeinden haben ihre allgemeinen Bebauungspläne noch nicht dem neuen Gesetz angepasst. Dabei ist es seit 2011 in Kraft und das Innenministerium forderte die Gemeinden mehrmals auf, die neuen Vorgaben zu befolgen. Einige PAGs beruhen noch auf der Gesetzgebung von 1937.
Gemeindeautonomie und politische Willkür
Einige der kommunalen Regelwerke sind zudem so vage formuliert, dass die Gemeinderatsmitglieder von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Bauprojekt ihren nicht eindeutig festgehaltenen Kriterien entspricht oder nicht. Dass diese Praxis ein Grundproblem darstellt, bestätigen Verantwortliche aus dem Innenministerium.
Im Zweifel würden Gemeinden immer wieder große Bauprojekte ablehnen, bestätigt auch Jean-Paul Scheuren. „Es ist ein Problem, dass Bauprojekte, und insbesondere große Bauprojekte, oft an nicht anfechtbaren Kriterien scheitern“, bedauert der Vorsitzende der „Chambre immobilière“.
„Die juristische Lage ist momentan oft nicht klar genug, damit ein Bauherr ein größeres Bauprojekt mit objektiven Argumenten durchbringen könnte“, so der Vetreter der Bauträger und Wohnungsmakler weiter. Lehnt der Gemeinderat einen Bebauungsplan ab, muss er dem Bauherrn gemäß der alten Gesetzgebung keine Gründe für die Ablehnung nennen. „Es gibt viel Willkür seitens der Gemeinden in ihrer Entscheidung, was gebaut werden darf und was nicht“, kritisiert Scheuren.
Innenministerium kann Druck machen
Das Innenministerium hat bisher davon abgesehen, die Gemeinden zu sanktionieren, die die Anpassung der PAG verschlafen haben – trotz Drohung. Denn es soll nun vorangehen. In den durch manche Gemeinden verschleppten „Flächennutzungsplänen der neuen Generation“ empfiehlt das Ministerium eine höhere Baudichte in dafür geeigneten Wohngebieten.
Um das Ausmaß der Willkür zumindest zu begrenzen, muss also jede Gemeinde in ihren neuen Plänen festhalten, was Bauträger wo und in welchem Umfang bauen dürfen. „Das Ziel der rationellen Bodennutzung wurde gesetzlich verankert“, erklärt der Abteilungsleiter für die Planung und Entwicklung der Gemeinden im Innenministerium, Frank Goeders im Gespräch mit REPORTER. „Das bedeutet aber nicht, dass so viel wie möglich Wohnungen entstehen sollen. Es bedeutet, dass es eine gesunde Wohnungsdichte geben soll.“
Konkret heißt das: Flächen, die sich für Mehrfamilienhäuser eignen, sollen auch dem Bau solcher Wohneinheiten dienen. Das Innenministerium erhält dabei mehr Macht. Es kann den Gemeinden gewisse Vorschriften machen und – im Fall des Falles – mehr Druck auf sie ausüben. In letzter Instanz braucht die Gemeinde nämlich die Zustimmung des Innenministeriums, damit der allgemeine Flächennutzungsplan rechtskräftig wird.
Der Wohnungsbau und die sektoriellen Leitpläne
Das Gesetz von 2011 schreibt den Gemeinden keine Wohnungsbaudichte vor. Erst durch die sektoriellen Pläne kann sich die Regierung konkret in die lokale Baupolitik einmischen. Dazu wurden in den sektoriellen Plänen in 16 Gemeinden insgesamt 20 Flächen und über 500 Hektar Bauland festgehalten. Diese sind für Wohnungsbau bestimmt und die Gemeinde muss dort eine vom Minister festgelegte Wohnungsbaudichte einhalten. Nach anfänglichen Hürden gab Infrastrukturminister François Bausch das Gesetz dieses Jahr auf den Instanzenweg.
Private Bauherren ziehen bereits Konsequenzen
Bauherren werden den unklaren Richtlinien mancher Gemeinden aber voraussichtlich noch während Jahren ausgesetzt sein. Denn die Anpassung an die neue Gesetzgebung wird für besagte 54 Gemeinden noch ein schweres und langwieriges Unterfangen. Einige private Bauherren haben unterdessen bereits ihre eigenen Konsequenzen aus der Problematik gezogen.
Im Gespräch mit REPORTER erklärt einer von ihnen, dass er keinen Anreiz zum Bauen sieht, solange er auf einem Grundstück in seinem Besitz nicht genügend Wohnungen bauen kann, um das Projekt rentabel zu machen. Manche Bauherren erwerben zwar weiter Grundstücke, wollen mit dem Bau aber solange warten, bis sich die Situation in den betreffenden Gemeinden verbessert.
Dies bestätigt auch das Innenministerium. „Mir ist bekannt, dass einige Grundstückbesitzer und private Bauherren auf die Anpassungen der PAG warten, bevor sie ihr Grundstück bebauen“, sagt Frank Goeders. Die Erklärung liefert der Beamte gleich mit: „In den meisten Gemeinden darf in den PAG der neuen Generation dichter oder höher gebaut werden.“
Bis auf Weiteres haben manche Gemeinden und Bauherrn also etwas gemeinsam: Sie helfen nicht wirklich dabei, die nationale Wohnungskrise zu lösen.
Lesen Sie weiter: Was sagen die Gemeinden dazu? Die Reaktion des Vertreters des Präsidenten des Gemeindesyndikats Syvicol, Emile Eicher, lesen Sie hier: „Die Gemeinden an die Hand nehmen“