National herrscht ein Wohnungsnotstand vor, der aber nur bewältigt werden kann, wenn die Gemeinden mitziehen. Während sich Bauunternehmer über restriktive kommunale Verordnungen beklagen, verteidigt der Dachverband Syvicol in Person seines Präsidenten die Gemeinden.
Interview: Laurence Bervard
Herr Eicher, vor allem kleinere Gemeinden gelten als Bremser von großen Wohnungsbauprojekten. Können Sie die Kritik mancher privater Bauherren nachvollziehen?
Emile Eicher: Ich habe keinen Einblick in die Bautenverordnungen der 102 Gemeinden. Ich weiß deshalb nicht, ob einige Gemeinden einschränkende Regelungen haben. Die dem Syvicol vorliegenden und bereits eingereichten neuen Flächennutzungspläne („Plan d’aménagement général“, PAG) und die diesbezüglichen Studien erstrecken sich über rund 2.500 Seiten.
Ich bin aber ein Verfechter der angepassten Herangehensweise der PAG der neuen Generation. Darin wird die Wohungsdichte klar festgelegt. So kann sich letztlich jeder Grundstückbesitzer und Bauherr wiederfinden. Kleine Gemeinden haben jedoch das Problem, dass sie nicht das notwendige Know-How haben, um allen Herausforderungen der Bauplanung gerecht zu werden. Deshalb fordert der Syvicol eine einzige Anlaufstelle, einen „guichet unique“, an den sich die Gemeinden wenden können und der sie in diesem Prozess an die Hand nimmt.
Zur Person
Emile Eicher, Jahrgang 1955, ist Abgeordneter der CSV (seit 2009) und gleichzeitig Bürgermeister der Gemeinde Clervaux (seit 2011). Zudem ist er Präsident des Gemeindesyndikats „Syvicol“ („Syndicat des Villes et Communes luxembourgeoises“).
Gibt es Gemeinden, die nicht bauen wollen?
Die Gemeinden müssen aktiv werden, um sich zu vergrößern und um auch mehr selbst zu bauen. Ich glaube nicht, dass sie ein Interesse daran haben, sehr einschränkende Vorschriften in ihrer Bautenverordnung festzuhalten. Es ist aber auch so, dass es nicht darum geht, so viele Klotze wie möglich zu bauen, um dort so viele Menschen wie möglich unterzubringen. Das wird dann ein unmöglicher Mischmasch und in diesen Gebäuden gibt es dann auch keine Lebensqualität mehr.
Es gibt einige Gegenden, wo große Bauprojekte sinnvoll sind, und die wurden auch im Rahmen der Ausarbeitung der sektoriellen Plänen von der Regierung identifiziert. So ist es fundamental wichtig, dass es in diesen Gegenden genügend Straßen und eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr, vor allem an die Zugstrecke gibt. Die Gebäude müssen sich auch in die bestehende Dorfstruktur eingliedern.
Das Wohnungsbauproblem rührt nicht von den Bautenverordnungen der Gemeinden her. Davon bin ich überzeugt. Ich glaube auch nicht, dass es Gemeinden gibt, die den Wohnungsbau bei sich aktiv ausbremsen wollen. Es ist vielmehr so, dass manche von ihnen mit dem Ausbau der Infrastrukturen wie Straßen und Schulen nicht nachkommen.
Können Sie nachvollziehen, dass Bauherren ihre Grundstücke zurückhalten und auf die neuen Flächennutzungspläne warten?
Die neuen Flächennutzungspläne haben den Vorteil, dass sie jedem eine Rechtssicherheit geben. Damit sollten sich Diskussionen erübrigen über das, was machbar ist, und was nicht. Bauherren brauchen Planungssicherheit. Dass es bei den neuen Regeln kaum noch Interpretationsraum geben wird, wird dieser Erwartung gerecht.
Die Hälfte der Gemeinden hat noch keine Pläne beim Innenministerium eingereicht. Zudem werden in der Übergangsphase sowohl die alten als auch die neuen Pläne gelten, wobei stets die restriktivere Variante angewendet wird. Deshalb verstehe ich, dass die Bauherren sehr viel Zeit und Geduld verlieren, um ihre Projekte zu planen. Es ist ganz klar, dass sie im Zweifel nicht bauen und lieber auf die neuen PAG warten.