Unternehmen sollten durch Bürgschaften des Staates einfacher an Kredite kommen, um die Krise zu überwinden. Doch bis Ende Juni wurden nur sechs Prozent der verfügbaren Mittel abgerufen. Unsere Datenanalyse zeigt, welche Firmen und Branchen auf diese Hilfe zurückgriffen.
„Es gilt den Neustart der Wirtschaft vorzubereiten“, sagte Finanzminister Pierre Gramegna (DP), als er im April 2020 die staatlichen Garantien für Unternehmenskredite vorstellte. Tatsächlich erhielten im darauf folgenden Monat bereits 47 Unternehmen einen Zuschlag für Kredite von insgesamt 22,5 Millionen Euro. Danach ebbte die Nachfrage aber wieder ab. Der erste Lockdown war vorbei und viele Firmenchefs wollten offenbar an ein schnelles Ende der Coronakrise glauben.
Die Regierung war definitiv nicht kleinlich: Sie ermöglichte Bürgschaften von insgesamt bis zu 2,5 Milliarden Euro. Da der Staat bis zu 85 Prozent der Kreditsumme absichert, entspricht dies einem Investitionspaket von knapp drei Milliarden Euro. Doch bis Ende Juni dieses Jahres wurden unter diesem Programm nur 186,6 Millionen Euro abgerufen. Das sind sechs Prozent der verfügbaren Summe.
Anhand von offiziellen Daten lässt sich nachvollziehen, welche Firmen die staatlich garantierten Kredite beantragten. Die EU-Wettbewerbsregeln zwingen Luxemburg dazu, die Namen der Unternehmen zu veröffentlichen, die von dieser Beihilfe profitieren. Die Liste von 155 Krediten, die zwischen Mai und Oktober 2020 vergeben wurden, gibt Aufschluss über den Finanzierungsbedarf in den einzelnen Branchen. Das reicht vom schwer getroffenen Hotel- und Gastronomiegewerbe bis zum Ingenieurbüro.
Handel nahm am meisten Kredite auf
In den ersten sechs Monaten der Maßnahme wurden Kredite in Höhe von 123 Millionen Euro vergeben. Das entspricht bereits zwei Drittel der Gesamtsumme bis Ende Juni 2021. Neuere Daten sind nicht verfügbar, da die Regierung ein Jahr Zeit hat, um die Namen der Unternehmen an Brüssel zu melden.
In dieser repräsentativen Stichprobe dominiert eine Branche deutlich: 50 Millionen Euro entfallen auf den Handel. Dazu gehört entsprechend der „Nace“-Kategorien der Wirtschaftszweige sowohl der Einzel- und Großhandel als auch der Autohandel und die Werkstätten. Es handelt sich dabei um 54 Unternehmen.
Nach dem ersten Lockdown bestand allerdings auch bei Restaurants, Cafés und Hotels ein hoher Finanzierungsbedarf. Auf das Gastgewerbe entfallen 20 Millionen Euro an Krediten, die von 20 Unternehmen aufgenommen wurden. Dicht darauf folgt das Baugewerbe mit 16 Millionen Euro für 31 Firmen.
Die statistische Kategorie der "sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen" verbirgt eine weitere Branche, die von der Pandemie hart getroffen wurde: Reisebüros, Reiseveranstalter und die Eventbranche. Auf diesen Wirtschaftszweig entfallen knapp 15 Millionen Euro für nur neun Unternehmen.
Die Verlangsamung des Wirtschaftslebens während des Lockdowns brachte allerdings auch Dienstleister in Schwierigkeiten, die weniger im Fokus standen. Dazu zählen Werbeagenturen, Programmierer oder auch Ingenieurbüros. Im Volumen machen diese allerdings wenig aus. Da die Industrie in der Regel auch während des Lockdowns weiterarbeitete, ist sie mit fünf Millionen Euro auch wenig vertreten.
Große Arbeitgeber fehlen
Unter den Firmen, die Kredite von über einer Million Euro aufgenommen haben, sticht die Reisebranche hervor: "Voyages Flammang" mit 3,5 Millionen Euro, "Weber Voyages" mit 3,0 Millionen Euro und Sales-Lentz (S.L.A. SA) mit 3,75 Millionen Euro.
Hervorzuheben bei der Höhe der Kredite sind auch die Autohändler und Werkstätten: "Car Avenue Etoile Garage", "Car Avenue Garage Rodenbourg", "By Lentz" sowie der Gebrauchtwagenhändler "Autofactoria" haben Kredite von insgesamt 18,2 Millionen Euro in Anspruch genommen. Die Hotelbranche ist mit "CMIL" und "Foncière Rocade" (beide: Sofitel und Novotel) sowie "Hotel Royal" vertreten.
"Maison moderne" (MM Publishing and Media),Verleger von u.a. "Paperjam" und "Delano", nahm einen Kredit über 2,2 Millionen Euro auf. In den bisher verfügbaren Daten ist es das einzige Medienunternehmen, das von dieser Maßnahme profitierte. Allerdings hatte die Regierung eine spezifische Beihilfe für journalistische Medien auf den Weg gebracht.
Auffällig ist aber, dass keiner der größten Arbeitgeber des Landes auf die staatlich garantierten Kredite zurückgriff. Eine Ausnahme ist gewissermaßen "CFL Intermodal", die Logistiktochter der staatlichen Eisenbahngesellschaft. Es ist davon auszugehen, dass die Großunternehmen über andere Möglichkeiten verfügen, sich zu refinanzieren.
Tatsächlich haben die Banken bis Ende Juni 2021 309 Millionen Euro an Krediten außerhalb der staatlichen Garantien vergeben. Dazu kommen Zahlungsaufschübe von bestehenden Darlehen mit einem Volumen von 446 Millionen Euro (Stand: Ende 2020).
Zu teure Kredite?
Als die Maßnahme im Dezember 2020 um ein halbes Jahr verlängert wurde, gab Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) zu, dass sie "bis jetzt noch nicht in dem Maße" genutzt worden sei, wie geplant. Doch handele es sich um ein Mittel "par excellence", um den Aufschwung in den nächsten sechs Monaten zu begleiten. Zwei Tage später beschloss die Regierung einen zweiten Teillockdown.
Die Entwicklung der Kreditvergabe zeigt einerseits, dass die Unternehmen die Darlehen nicht zur Überbrückung benötigten, da die Beihilfen vor allem in der zweiten Welle deutlich ausgeweitet wurden. Die Zahlen deuten andererseits darauf hin, dass sich die Wirtschaft weiterhin in einem Schwebezustand befindet. Finanzminister Pierre Gramegna begründete die geringe Nachfrage mit dem Hinweis, dass die Luxemburger Wirtschaft eben widerstandsfähiger sei als gedacht. Zudem hätten sich die anderen Beihilfen als wirkungsvoll erwiesen.
Auch andere Hilfen wurden bisher weit weniger genutzt, als von der Regierung erwartet, zeigte eine Bestandsaufnahme von Reporter.lu. Mit einer Ausnahme: Die Unternehmen nutzten das Kurzarbeitergeld als unbürokratischen und zinslosen Kredit. Knapp 400 der 860 Millionen Euro dieser Gelder zahlten sie bereits bis Ende Mai 2020 zurück. Die Kreditvergabe ist allerdings vergleichsweise unkompliziert: 2020 genehmigten die Banken 84 Prozent aller Anträge. Die Zusage der staatlichen Bürgschaft erfolgt in den allermeisten Fällen automatisch.
Das Programm der staatlichen Garantien sei nicht auf die Bedürfnisse der Betriebe zugeschnitten und die Kredite seien zu teuer, kritisierte dagegen der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar bei der ersten Verlängerung der Maßnahmen im Dezember 2020. Tatsächlich ging das Finanzministerium von Zinsen in Höhe von zwei bis drei Prozent aus, die die Unternehmen auf diese Darlehen zahlen müssen. Allerdings müssen sie zusätzliche Prämien für die staatliche Garantie zahlen. Für kleine und mittelgroße Betriebe sind das 0,25 Prozent, für große Unternehmen 0,5 Prozent. Wenn die Laufzeit länger als ein Jahr beträgt, steigen diese Prämien jedoch auf bis zu zwei Prozent.
Experiment mit ungewissem Ausgang
"Der Staat macht kein gutes Geschäft damit. Es ist aber ein gutes Geschäft für die Wirtschaft", sagte Pierre Gramegna im April 2020. Er rechnete mit hohen Ausfällen. Bis Ende Juni 2021 gab es allerdings keinen Kreditausfall, wie das Finanzministerium mitteilte. Wenn das so bleibt, hat der Staat demnach mit den zwischen Mai und Oktober 2020 vergebenen Krediten knapp 377.000 Euro verdient.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ging das Interesse an den staatlich garantierten Krediten aber noch weiter zurück. Nur sechs Millionen Euro an neuen Darlehen wurden bis Ende Juni gewährt. Das entspricht der Summe, die mehrere große Unternehmen einzeln aufnahmen. Die Bankenvereinigung ABBL verzeichnet für 2020 insgesamt 181 Millionen Euro an staatlich garantierten Krediten. Das Finanzministerium gab 186,6 Millionen Euro bis Ende Juni 2021 an.
Als die Maßnahme im Mai 2021 bis Ende des Jahres verlängert wurde, sagte Wirtschaftsminister Franz Fayot: Es sei normal, dass Kredite als Maßnahme später greifen würden. Sie würden den Firmen helfen, in ihre Entwicklung zu investieren. Die Unternehmen haben noch bis Ende des Jahres, um dieses Angebot anzunehmen.
