Im vergangenen Jahr folgte Hilfspaket auf Hilfspaket mit steigenden Summen. Die Zwischenbilanz der Regierung zeigt, dass die Maßnahmen von den Unternehmen deutlich weniger genutzt wurden als geplant. Die Ursachen liegen nicht nur in der schnellen Erholung der Wirtschaft.
„‚Schnelle, gezielte und angemessene Antwort‘: der IWF lobt die Luxemburger Reaktion auf die Coronakrise“, so lautete der Titel einer Pressemitteilung der Regierung Ende Mai. Parallel dazu veröffentlichten die zuständigen Ministerien eine detaillierte Bilanz der Corona-Hilfen. Die Summen sind durchaus beeindruckend: über 34 Millionen Euro für Selbstständige, 55 Millionen für nicht-gedeckte Kosten und 162 Millionen Euro an rückzahlbaren Vorschüssen. Und das ist nur ein Teil des gesamten Maßnahmenpakets.
Doch was die Regierung nicht sagt: Bei zahlreichen Hilfen wurde das ursprüngliche Budget bei weitem unterschritten – teils um die Hälfte, teils wurde nur ein Sechstel der ursprünglich vorgesehenen Gelder auch genutzt. Bei anderen Maßnahmen hatte die Regierung die Nachfrage allerdings unterschätzt – etwa bei den Investitionen zur Pandemiebekämpfung.
Schrotflinte statt Bazooka
Trotzdem lag die Schlagkraft der Hilfspakete deutlich unter den Ankündigungen. 2020 stellte die Regierung ganze elf Milliarden Euro zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen bereit. „Et kascht, wat et kascht“, lautete das Motto von Premierminister Xavier Bettel (DP). Tatsächlich eingesetzt wurden aber nur knapp drei Milliarden Euro. Relativ zur gesamten Wirtschaftsleistung waren es „nur“ 4,5 Prozent, statt der versprochenen 17,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Aufgrund dieser Zahlen urteilte der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Bericht: „Der tatsächliche Impuls für die Wirtschaft war signifikant geringer.“ Kurz: Statt Bazooka – um die Coronahilfen-Metapher des deutschen Finanzministers zu zitieren – stellten sich die Hilfspakete als Schrotflinte heraus. Durchaus wirksam, aber nicht sehr gezielt.
Eine großzügige Einschätzung der finanziellen Bedürfnisse durch die Regierung und eine Erholung der Wirtschaft, die stärker ausfiel als erwartet, würden die geringe Nachfrage der Wirtschaft nach den Hilfsmaßnahmen erklären, so das Fazit des IWF. Die geringe Inanspruchnahme der Maßnahmen sei durch die allgemeine Widerstandsfähigkeit der Luxemburger Wirtschaft zu erklären. Außerdem habe die Regierung die nötigen Mittel aufgrund der außerordentlichen Unsicherheit großzügig berechnet. Ganz nach dem Motto: Viel hilft viel.
Es gab aber auch einen sehr praktischen Grund für die hohen Budgets, die die Regierung veranschlagte. Alle Beihilfen müssen aus Wettbewerbsgründen von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Dabei musste die Regierung auch eine Schätzung über die Gesamthöhe abgeben. Wird diese überschritten, wird eine neue Prozedur in Brüssel fällig – was aufwendig und zeitraubend ist. Bei der ersten Ausarbeitung der Hilfsmaßnahmen im Frühjahr 2020 habe man dies vermeiden wollen, erklärt Gilles Scholtus, Leiter der Generaldirektion „Mittelstand“ im Wirtschaftsministerium gegenüber Reporter.lu. Andere Mitgliedstaaten hätten ihre Budgets innerhalb von Tagen aufgebraucht, betont der hohe Beamte.
Nur eine Zwischenbilanz
Laut den neuesten Schätzungen des Statistikamts Statec hat Luxemburg das Pandemiejahr 2020 mit einer moderaten Rezession von 1,3 Prozent überstanden – deutlich besser als die anderen Länder der Eurozone, mit Ausnahme von Irland. Am Ende des ersten Lockdowns rechnete die Regierung noch mit einem wirtschaftlichen Rückgang von sechs Prozent. Dieses Horrorszenario blieb aus. Die Erklärung der Experten: Luxemburg hat den Übergang zum Homeoffice gut gemeistert – gerade am Finanzplatz. Und die leistungsfähigsten Teile der Wirtschaft, also nicht zuletzt die Finanzdienstleistungen, seien „kontaktarm“ – sprich von Distanzregeln wenig betroffen.
Doch die Bilanz umfasst nur begrenzt die Folgen des zweiten Lockdowns. Ein großer Teil der Rechnung für den Staat steht nämlich noch aus. Unternehmen stellen etwa weiterhin Anträge für die rückzahlbaren Vorschüsse. Ende Mai betrug die Gesamtsumme 162 Millionen Euro, inzwischen sind es laut dem Mittelstandsministerium 175 Millionen Euro. Bis zu 200 der ursprünglich veranschlagten 300 Millionen Euro könnte diese Maßnahme am Ende kosten.
Bis Ende Mai lagen die Ausgaben für die Beihilfen für „ungedeckte Kosten“ bei über 50 Millionen Euro. Doch Ende März wurde die Maßnahme für den Zeitraum ab Februar großzügiger gestaltet. Die Anträge für Februar, März und April werden aktuell abgeschlossen. „Diese Monate werden vergleichsweise am meisten kosten“, sagt Gilles Scholtus.
Laut einem aktuell im Parlament diskutierten Gesetzentwurf soll unter anderem die Beihilfe für „ungedeckte Kosten“ über Ende Juni bis Ende Oktober 2021 verlängert werden. Allerdings sinken die Höchstbeträge der Hilfen, und Branchen wie der Einzelhandel fallen nicht mehr darunter – eine Anpassung, die die Handelskammer in ihrem Gutachten kritisiert: Viele Unternehmen könnten nach wie vor nicht normal arbeiten. Die Prozeduren müssten zudem vereinfacht werden.
Lerneffekte bei der Gestaltung
Zahlreiche Unternehmen nutzten die Maßnahmen auch anders als die Regierung es ursprünglich geplant hatte. Im Frühjahr 2020 brauchten viele Firmen wegen des Lockdowns schnell Liquidität, um ihre Mitarbeiter bezahlen und Rechnungen begleichen zu können. Die Regierung stellte deshalb rückzahlbare Vorschüsse von jeweils bis zu 500.000 Euro sowie staatliche Garantien für Notkredite zur Verfügung. Für letztere Maßnahme plante Finanzminister Pierre Gramegna (DP) ein maximales Budget von 2,5 Milliarden Euro ein. Bis heute wurden unter dieser Maßnahme aber nur Kredite in Höhe von 176 Millionen Euro gewährt. Das sind gerade einmal sieben Prozent des geplanten Budgets.
Auf diesen großen Unterschied angesprochen, liefert das Finanzministerium mehrere Gründe. Neben den staatlich garantierten Krediten hätten die Banken vor allem Aufschübe auf bestehende Verbindlichkeiten gewährt – in Höhe von aktuell vier Milliarden Euro. Zusätzlich hätten die Banken 271 Millionen Euro an Krediten vergeben, ohne die staatliche Garantie. „Die umsichtige Politik bei den Restriktionen, ein ganzes Arsenal an Hilfen, die immer wieder angepasst wurden, sowie die soliden Grundlagen der Unternehmen und die relativ begrenzte Dauer der Krise sind mögliche Erklärungen für Unterschiede zwischen bereitgestellten und genutzten Mitteln“, lautet die Analyse des Finanzministeriums.
Doch die staatlichen Garantien standen von Beginn an in der Kritik: Zu kompliziert und mit hohen Zinsen – inklusive einem Aufschlag für den Staat. So blieb es bisher bei knapp 400 Anträgen. Mit durchschnittlich 460.000 Euro an Kreditsumme blieb der Rahmen ebenfalls bescheiden.
Der schwierige Ausstieg
Zudem hätten andere Maßnahmen schneller gegriffen, räumt das Finanzministerium ein. Vor allem aber zeigte sich, dass die Unternehmen das Kurzarbeitergeld („chômage partiel“) als zinslosen und unbürokratischen Kredit nutzten. Von März bis Juni 2020 zahlte der Staat 859 Millionen Euro an entsprechenden Vorschüssen aus, doch nur 463 Millionen Euro stellten sich als berechtigt heraus. Den überwiegenden Teil der Differenz zahlten die Unternehmen dem Staat bereits bis Ende Mai zurück – knapp 395 Millionen Euro. Die Probleme dabei waren unter anderem eine sehr unterschiedliche Kreditwürdigkeit je nach Branche und die mangelnde Vorhersehbarkeit in einer Pandemie.
Beim „Fonds de relance“, den Investitionsbeihilfen und nicht zuletzt bei der Produktion von Anti-Corona-Material musste die Regierung dagegen die ursprünglichen Budgets erhöhen. Den für den Aufschwung angedachten „Fonds de relance“ musste die Regierung von ursprünglich 60 Millionen auf 200 Millionen Euro aufstocken. Der Grund: Statt der erwarteten „Relance“ kam ab Herbst 2020 die dritte Covid-Infektionswelle, inklusive neuer Restriktionen für Unternehmen.
Apropos Vorhersehbarkeit: Mehrmals hat die Regierung bereits das Ende der Hilfen angekündigt, um sie dann doch verlängern zu müssen. Auf den ersten Blick wurde der volkswirtschaftliche Super-GAU verhindert. Trotz der nicht immer gezielten politischen Maßnahmen blieb die Arbeitslosigkeit unter Kontrolle und eine Insolvenzwelle aus. Der Thinktank „Idea“ verweist allerdings auf einen rezenten Anstieg der Insolvenzen im Einzelhandel und der Geschäftsauflösungen im Hotel- und Restaurantgewerbe.
Die generelle Gefahr bleibt allerdings, dass sich vielen Unternehmen mit dem Auslaufen der Hilfen die Frage nach der Zukunft stellen wird. Die Gretchenfrage lautet: Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Staat, sich zurückzuziehen? Zumindest gibt es bei den Staatsfinanzen noch etwas mehr Handlungsspielraum als dies vor einem Jahr noch abzusehen war. Doch die Abrechnung der Krisenpolitik kommt bestimmt.