Die Impfungen hatten grade Fahrt aufgenommen, nur um dann wieder ausgebremst zu werden. Der Grund seien weiterhin Lieferengpässe, betont die Regierung und vertagt den Endspurt der Impfkampagne auf den Sommer. Doch ein Ende der Pandemie ist damit noch nicht unbedingt in Sicht.

Der April sollte für die Impfkampagne zum Monat „der Ketchup-Flasche“ werden, versprach Premierminister Xavier Bettel (DP) noch Anfang März. Die Inspiration für das Bonmot lieferte seine dänische Amtskollegin Mette Frederiksen. Gemeint war jener Moment, in dem dank ausreichendem Impfstoff die Impfzahlen deutlich ansteigen würden. Einige Zeit sah es tatsächlich so aus, als ob die Immunisierungs-Kampagne in Luxemburg deutlich beschleunigt würde.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Impfkampagne in der 15. Kalenderwoche mit 33.816 verabreichten Impfdosen. Seitdem ist in den Statistiken des Gesundheitsministeriums jedoch ein deutlicher Rückgang der Impfzahlen zu verzeichnen. So fiel die Zahl in der darauf folgenden Woche auf 14.714 verabreichte Dosen, und damit unter den Wert der letzten Märzwoche. Auch vergangene Woche stagnierten die Impfungen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. So wurden am 27. April etwa nur 1.419 Personen geimpft.

Immer noch „Impfstoffknappheit“

Auf die sinkenden Impfzahlen angesprochen, verweist das Gesundheitsministerium auf die stockenden Lieferungen der verschiedenen Impfstoffe. „Wir befinden uns weiterhin in einem Szenario der Impfstoffknappheit und sind bei der Terminvergabe auf die zur Verfügung stehenden Dosen angewiesen“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage von Reporter.lu. Wer die Lieferungen jedoch im Vergleich betrachtet, stellt fest, dass es lediglich bei den Lieferungen des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca zu einem Verzug gekommen ist. Dieser wurde zudem durch eine unerwartet umfangreiche Lieferung von Dosen der Firma Johnson&Johnson ausgeglichen.

Ein Grund für die niedrigere Impfquote dürfte auch sein, dass Luxemburg durch die hohe Vakzinationsrate Mitte April näher an die Reservegrenze für die zweite Impfdosis gerückt ist. Die Regierung hält bekanntlich 25 Prozent der zur Verfügung stehenden Impfstoffe zurück, um die Zweitimpfung garantieren zu können. Dies betonte auch Premierminister Xavier Bettel (DP) erneut beim Pressebriefing am vergangenen Freitag: „Die Reserven werden immer geringer.“

Laut Berechnungen von Reporter.lu sank die Impfstoffreserve um den 16. April mit rund 22 Prozent erstmals unter den von der Regierung festgelegten Schwellenwert. Auch in der Folgewoche lag die Rücklage nur knapp über dem Wert von 25 Prozent. Mittlerweile liegt die Reserve mit rund 37 Prozent wieder deutlich über dem kritischen Punkt, was auf die kürzlich eingetroffenen Impfstofflieferungen zurückzuführen ist.

Beteiligungsquote von 75,2 Prozent

Trotz der sinkenden Reserve in den vergangenen Wochen geht Luxemburg weiterhin deutlich konservativer mit den zur Verfügung stehenden Impfdosen um als seine direkten Nachbarn. So konnte Deutschland am 29. April einen neuen Impfrekord vermelden: An einem Tag wurden dort mehr als eine Million Menschen geimpft. Der Preis für diesen Rekord ist jedoch, dass die zur Verfügung stehenden Restdosen weitaus niedriger ausfallen als hierzulande. Laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts wurden bisher rund 29 Millionen Impfdosen nach Deutschland geliefert. Davon wurden bis zum 29. April 96,2 Prozent verabreicht.

Fraglich ist, wie sich die Strategie der Luxemburger Regierung auf die am Freitag begonnene sechste und letzte Phase der Impfkampagne auswirken wird, in der Einwohner zwischen 16 und 54 Jahren – nach absteigendem Alter – einen Impftermin angeboten bekommen sollen. Denn auch, wenn die anderen Impfphasen als abgeschlossen gelten, zeigt ein Blick auf die Impfzahlen, dass bei weitem nicht alle Personen, die eine Einladung erhielten, auch einen Termin vereinbarten. So liegt die durchschnittliche Impfbereitschaft laut Statistiken der Gesundheitsbehörde für alle Altersgruppen derzeit bei 75,2 Prozent.

Allerdings zeigen die aufgeschlüsselten Zahlen für die einzelnen Alterskategorien eine sinkende Tendenz. Während sich in der Gruppe der Über-80-Jährigen 81,4 Prozent der Personen impfen ließen, waren es in der Gruppe der 60-64-Jährigen nur noch 72,5 Prozent. Berechnungen von Reporter.lu zufolge haben derzeit insgesamt etwa 30.000 Personen, die aufgrund ihres Alters eine Impfeinladung erhielten, diese nicht genutzt. Nicht erfasst sind darin allerdings Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten oder eine Impfung in einer sozialen Struktur erhalten haben.

Unwägbarkeiten bleiben bestehen

Beim Abschluss der vorherigen Alterskohorten konnten sich Personen, die der Einladung nicht gefolgt waren, auf eine Warteliste eintragen, um nach Abschluss der nächsten Phase einen Impftermin zu vereinbaren. Da in der sechsten Impfphase jedoch deutlich mehr Personen eine Einladung erhalten werden, ist unklar, wann Nicht-Geimpfte aus den vorherigen Phasen eine zweite Chance bekommen können. Auf Nachfrage erklärt das Gesundheitsministerium, dass Menschen zwischen 60 und 64 Jahren, die ihre Einladung ungenutzt ließen, wieder auf eine Warteliste kommen sollen. Ein genaues Datum konnte das Ministerium dafür aber nicht nennen.

Zudem können Menschen mit einer Vorerkrankung, die bisher nicht geimpft wurden, sowie nicht-geimpftes Personal aus dem Gesundheitswesen weiterhin jederzeit einen Termin vereinbaren. Aufhorchen ließ in diesem Zusammenhang die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CSV-Abgeordneten Claude Wiseler und Martine Hansen. So hätten laut Familienministerin Corinne Cahen (DP) bisher erst 55,66 Prozent der Personen, die zu Hause gepflegt werden, eine Impfung erhalten. Beim Personal der mobilen Pflegedienste haben sich mit 46,23 Prozent derweil erst weniger als die Hälfte der Pflegekräfte impfen lassen. Von den 5.508 Beschäftigten bei den konventionierten Pflegediensten sind somit noch rund 2.975 nicht geimpft.

Unklar ist, wie sich diese Anzahl an Personen ohne festgelegten Impftermin auf den weiteren Verlauf der Impfkampagne auswirken wird. Auch die Frage, ob sich die sinkende Tendenz bei der Impfbereitschaft in der Phase 6 bestätigen könnte, ist ungeklärt.

In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick nach Israel. Die dortige Impfkampagne wird – auch dank lukrativer Verträge für die Impfstoffhersteller – gemeinhin als großer Erfolg angesehen. Immerhin konnten bereits fast zwei Drittel der israelischen Bevölkerung (Stand 29. April) per Impfung immunisiert werden. Das Land nähert sich demnach der sogenannten Herdenimmunität, also dem übergeordneten Ziel in dieser Pandemie. Doch auch die israelische Impfkampagne geriet teilweise ins Stocken, als jüngere Bevölkerungsschichten geimpft werden sollten. Erst die Einführung des grünen Passes und damit die Gewährung von bestimmten Privilegien für Geimpfte gab der Impfkampagne neuen Aufwind.

Andere Situation in den Kliniken

Luxemburg hält weiterhin an der Impfreihenfolge nach Alter fest. So gibt es laut dem Gesundheitsministerium bisher keine konkreten Pläne, die Priorisierung irgendwann generell aufzuheben. „Zudem haben wir das mit der Einführung der Warteliste für AstraZeneca ja bereits teilweise getan“, erklärt die Sprecherin auf Nachfrage von Reporter.lu.

Das Ziel der Impfkampagne sei es, die Krankenhäuser zu entlasten, betonten ihrerseits Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Premierminister Xavier Bettel (DP) vergangene Woche. Auf die Auswirkung der Impfungen auf die Pandemie angesprochen, erklärte Paulette Lenert am vergangenen Freitag: „Wir sehen, dass die Impfungen einen starken Effekt auf das Pandemiegeschehen haben.“

Diese Einschätzung bestätigt ein Blick auf die jüngsten offiziellen Statistiken. So sind die Krankenhausaufenthalte aufgrund einer Covid-19-Erkrankung seit dem 31. März deutlich zurückgegangen – von 118 auf nur mehr 59. Allerdings sorgt die zunehmende Verbreitung der britischen und südafrikanischen Corona-Varianten dafür, dass vermehrt jüngere Menschen klinisch behandelt werden müssen.

Dies ist ein Umstand, den auch Premierminister Xavier Bettel am Freitag vor der Presse betonte: „Wir sehen seit ein paar Tagen, dass die Zahl der Über-65-Jährigen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, unter der Zahl der Unter-65-Jährigen liegt. Bis vor kurzem war das Gegenteil der Fall. Wir haben jetzt also durch die Impfung die Situation, dass die Über-65-Jährigen nicht mehr in der Mehrzahl sind.“

Noch ein weiter Weg zur Immunität

Zudem sorgen die neuen Corona-Mutanten auch für ein anderes Bild auf den Intensivstationen. Dort ist die Belegung – im Gegensatz zu generellen Krankenhausaufenthalten – im Zeitraum zwischen dem 31. März und dem 29. April sogar leicht gestiegen: von 30 Patienten auf 36 Patienten. Damit liegen sie deutlich über den Belegungsraten, die noch Ende Januar gemeldet wurden. Damals waren nur elf Intensivbetten von Covid-19-Patienten belegt.  Hinzu kommt, dass die Patienten nicht nur deutlich jünger sind als zuvor, sondern zudem auch länger intensivmedizinisch betreut werden müssen. Mit Folgen für das Klinikpersonal, das sich weiterhin einem hohen körperlichen und emotionalen Arbeitsdruck ausgesetzt sieht.

Die Impfkampagne zeigt demnach bereits erste Effekte auf die generelle Pandemieentwicklung. Doch von einer dauerhaften Entlastung des Gesundheitssystems und der Erreichung einer mehrheitlichen Immunität innerhalb der Bevölkerung ist Luxemburg nach wie vor weit entfernt. Nachdem es im April denn auch nicht zur angekündigten großen „Impfungsoffensive“ kam, hat auch die Regierung die Erwartungen etwas heruntergeschraubt, oder vielmehr den „Ketchup-Flaschen-Effekt“ vertagt: Vor dem Sommer sollen alle Bürger und Bürgerinnen ihre Einladung für eine Impfung erhalten, sagte Xavier Bettel Anfang vergangener Woche auf dem Parteitag der DP.

Gleichzeitig stellte der Premier für die kommenden Tage bereits mögliche Lockerungen der geltenden Corona-Maßnahmen in Aussicht. Eine Rückkehr zu mehr Normalität dürfte demnach ähnlich langsam und schrittweise verlaufen wie die bisherige Impfkampagne.


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