Fünf Monate nachdem die Staatsanwaltschaft dem Parlament mitteilte, die damalige Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) anhören zu wollen, steht dies weiterhin aus. Das Parlament wollte rechtliche Sicherheit schaffen und ließ einen Gesetzvorschlag durch den Staatsrechtler Patrick Kinsch ausarbeiten. Dieser Text soll die Anklage von Ministern und ehemaligen Regierungsmitgliedern regeln und eine knapp 150 Jahre alte Lücke schließen. Am Dienstag diskutierten die Justiz- und Institutionenkommissionen erstmals über den Vorschlag.
Die Regierungsparteien hatten den Text im Juli zusammen mit der CSV eingereicht. Die CSV habe sich daran beteiligt, um weitere zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, sagte Co-Fraktionschef Gilles Roth gegenüber Reporter.lu. Ob die Oppositionspartei den Text in der endgültigen Abstimmung mitträgt, lasse man noch offen, erklärte er. Generell sei die vorgeschlagene Prozedur zu begrüßen, da das Parlament seine Rolle bei einer Anklage von Regierungsmitgliedern behält. Auch die Fraktionschefin von Déi Gréng, Josée Lorsché, betonte, dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibe. Der Text entspreche dem, was die Grünen gefordert hatten.
Unklar ist, wann das Parlament über den Text entscheiden kann, denn der Staatsrat hat noch nicht Stellung bezogen. Jede weitere Verzögerung bringt aber das ganze Verfahren in Gefahr. Zu den Grundrechten jedes Bürgers gehört, in einer angemessenen Frist ein Urteil der Justiz zu erhalten. Das Risiko, dass im Fall Dieschbourg der „Délai raisonnable“ überschritten werde, sehen sowohl Gilles Roth als auch Josée Lorsché.
Die Folgen der parallel laufenden Verfassungsreform sind ebenfalls ungeklärt. Das Parlament hat im Januar in erster Lesung jenes Reformkapitel angenommen, das die Anklage von Ministern neu regelt. Sechs Monate nach der zweiten Lesung treten die neuen Verfassungsartikel in Kraft. Bisher haben die Abgeordneten noch kein zweites Mal über das entsprechende Kapitel abgestimmt. In anderen Teilen der Reform will das Parlament auch auf den Beschluss von Ausführungsgesetzen warten. Das könnte auch bei der „Lex Dieschbourg“ der Fall sein.
Auch zwischen den Abgeordneten bestehen noch kleinere Unstimmigkeiten. Es geht dabei um die Frage, ob ein einzelner Abgeordneter Fragen an die Staatsanwaltschaft zu den Ermittlungen stellen darf. Ein zweiter Punkt war, ob das Abstimmungsergebnis über die Anklage eines Ministers aufgeschlüsselt nach Abgeordneten veröffentlicht wird oder nur die Anzahl der Stimmen. (LS)


