Die Regierungsparteien und die CSV haben gemeinsam einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der die Anklage von Ministern und ehemaligen Regierungsmitgliedern regeln soll. Der Text ist nicht zuletzt auf den Fall von Ex-Ministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) zugeschnitten. Demnach soll die sonst übliche Strafgesetzgebung auch für Minister gelten.
Laut der aktuellen Verfassung kann die Staatsanwaltschaft nämlich nicht gegen Regierungsmitglieder ermitteln. Nur dem Parlament steht es zu, eine Anklage gegen einen Minister zu erheben. Eigentlich wollte die ehemalige Umweltministerin mit ihrem Rücktritt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit geben, die Untersuchungen ohne die Zustimmung des Parlaments weiterzuführen und sie anzuhören. Doch erst durch den jetzigen Vorschlag kann dies juristisch zweifelsfrei umgesetzt werden.
Die Zuständigkeit des Parlaments wird nach der Verabschiedung des Vorschlags eindeutig: Gegen amtierende und ehemalige Regierungsmitglieder können Untersuchungen nur durch eine Abstimmung im Parlament eingeleitet werden. Allerdings wird die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet, ihre Einschätzung zu einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung abzugeben. Sollte es bereits vor Beginn eines Verhörs eines Regierungsmitglieds keine ausreichenden Beweise für ein unrechtmäßiges Handeln geben, kann das Parlament sich auch gegen eine Anklage entscheiden.
Zusätzlich zur Einschätzung der Staatsanwaltschaft erhalten die Abgeordneten auch Zugang zu den vorläufigen Ermittlungsakten. Bisher stand dies jedoch in Konflikt mit dem Untersuchungsgeheimnis. Das geplante Gesetz sieht deshalb vor, dass die Abgeordneten in einer nicht-öffentlichen Sitzung über eine mögliche Anklage entscheiden sollen und dass sie der Geheimhaltung verpflichtet sind. Lediglich der Parlamentspräsident dürfe kommunizieren, dass die Staatsanwaltschaft eine Anfrage für eine Anklage gegen ein (ehemaliges) Regierungsmitglied eingereicht habe, und das Abstimmungsergebnis verkünden. So sollen die Verteidigungsrechte des Angeklagten gewahrt werden, heißt es im Text.
Auch wenn die Reform eine seit dem 19. Jahrhundert bestehende Lücke in der Verfassung schließen soll, bleibt sie nur eine Teilumsetzung des relevanten Verfassungsartikels. Das Parlament hat demnach auch die Möglichkeit, Untersuchungen einzuleiten, ohne zuvor von der Staatsanwaltschaft damit beauftragt zu werden. Eine solche Prozedur fehlt im jetzigen Gesetzesvorschlag. Da dieses Szenario jedoch als unwahrscheinlich gilt, haben die Parteien entschieden, aus Zeitgründen auf eine neue Prozedur zu verzichten. Der Vorschlag soll ohnehin nur für eine geringe Zeit Gültigkeit behalten.
Der Verfassungsartikel, auf den sich der Vorschlag bezieht, wird nämlich demnächst abgeschafft. Das entsprechende Kapitel der Verfassungsreform wurde bereits ein erstes Mal vom Parlament angenommen. Doch erst sechs Monate nach einer zweiten Abstimmung kann dieser Teil der Reform in Kraft treten. Obwohl die Autoren sich bemüht haben, einen allgemeingültigen Text zu formulieren, wird dieser deshalb wohl nur für den Fall von Carole Dieschbourg angewendet werden. (PR)


