Das Thema Cannabis-Legalisierung ist in Luxemburg so aktuell wie wohl noch nie. Die meisten Parteien wollen den überfälligen Politikwechsel. Was und wie sie das genau erreichen wollen, ist aber noch nicht ganz klar. Ein Kommentar.

Die Argumente sind mittlerweile bekannt. Das Verbot von Cannabis greift nicht. Der Konsum der weichen Droge ist bei Erwachsenen im Vergleich nicht gesundheitsschädlicher als Alkohol oder Tabak. Durch eine Legalisierung könnte der Staat den Anbau, den Verkauf und nicht zuletzt die Qualität von Cannabisprodukten besser kontrollieren. Polizei und Justiz könnten wesentlich entlastet werden und mehr Ressourcen für die Verfolgung von schwerer Kriminalität aufbringen. Der legale Verkauf von Cannabis könnte die Wirtschaft ankurbeln und der Staat über den Weg von Steuern seine Einnahmen erhöhen, die dann etwa zur Aufklärung oder Suchtprävention eingesetzt werden könnten.

So oder so ähnlich steht es mittlerweile in den Wahlprogrammen von LSAP, DP, Déi Gréng und Déi Lénk. Während es vor vergangenen Wahlen eher um die rein medizinische Nutzung von Cannabis ging oder eine Entkriminalisierung des Konsums, ist nun ganz explizit von der „Legalisierung“ durch den Staat die Rede. So nah an der Realisierung ihrer Forderungen waren die Befürworter einer Freigabe des Rauschmittels wohl noch nie.

Cannabis legalisieren – und dann?

Doch neben der generellen Forderung fehlt es bei allen genannten Parteien noch an konkreten Konzepten. Will man nur den Verkauf und die Abgabe regulieren? Oder auch den Anbau und die Einfuhr? Soll nur der Konsum oder auch der Besitz legal sein? Will man lizenzierte Geschäfte ermöglichen, die wie die niederländischen Coffeeshops funktionieren? Wie werden diese reguliert? Wie stellt man bei der Produktion und beim Vertrieb den Übergang aus der Illegalität sicher? Bei all diesen Fragen sind die Antworten der Parteien noch ziemlich vage.

Ein Politikwechsel wie die Freigabe von Cannabis, der sich auf etliche Bereiche der Gesellschaft auswirken kann, sollte gut überlegt und vorbereitet sein.“

Die Erfahrungen im Ausland zeigen, dass es wesentliche Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Legalisierungsmodelle gibt. Wie es manche Parteien fordern, sollte man in einem nächsten Schritt ebendiese Modelle im Detail studieren und auf Luxemburg anwendbare Schlüsse daraus ziehen. Dabei gilt es nichts zu überstürzen. Ein grundlegender Politikwechsel wie die Freigabe von Cannabis, der sich auf etliche Bereiche der Gesellschaft auswirken kann, sollte gut überlegt und vorbereitet sein. Bis zu einer Legalisierung ist es also noch ein weiter Weg.

Doch das sollte es den Befürwortern wert sein. Die Diskussionen darüber, wie eine Legalisierung in Luxemburg konkret aussehen könnte, sind freilich noch im Anfangsstadium. Zunächst müsste sich eine politische Mehrheit finden, die sich im Grundsatz einig ist. Wie sich jetzt zeigt: Im Prinzip, also wenn es nach den Wahlprogrammen geht, gibt es eine blau-rot-grüne Mehrheit für die Legalisierung. Dass die Koalition ihre Mehrheit in dieser Frage noch vor den Wahlen irgendwie nutzen kann oder will, ist jedoch unwahrscheinlich.

Mehr als nur ein Wahlkampfthema?

In diesem Sinn darf zudem bezweifelt werden, ob jede der erwähnten Parteien gleich stark überzeugt von der Forderung ist. Das zeigt sich schon in der Wortwahl des jeweiligen Programms. Vor allem aber gibt es etwa in der DP und der LSAP noch immer viele Gegner einer kompletten Legalisierung. Diese haben zwar zugelassen, dass es zu einer Erwähnung im Wahlprogramm kommt. Doch damit sind sie noch lange keine Verbündeten jener, die sich schon lange und aus Überzeugung für eine andere Drogenpolitik stark machen. Die innerparteilichen Debatten sind in dieser Frage noch längst nicht beendet.

Bei manchen Politikern hat man zudem den Eindruck, dass die Legalisierung von Cannabis ein nettes, wohlklingendes Wahlkampf-Gimmick ist. So wie Gratis-Kinderbetreuung, gesundes Essen in den Schulkantinen oder die Förderung von Start-Ups. Alles wichtige Forderungen, mit deren schierer Erwähnung man sich die Mobilisierung eines bestimmten Teils der Wähler erhofft, um deren konkrete Umsetzung man sich aber erst viel später Gedanken machen wird.

Es ist ein wenig wie bei der Abschaffung der ‚Stock options‘: Kurz vor dem Ende der Amtszeit entdecken die Parteien der Dreierkoalition ihren Hang für sinnvolle Maßnahmen.“

Warum wurde nicht schon früher gehandelt? Es ist ein wenig wie bei der Abschaffung der „Stock options“: Kurz vor dem Ende der Amtszeit entdecken die Parteien der Dreierkoalition ihren Hang für sinnvolle Maßnahmen. Aus Zeitgründen weisen sie das interessierte Publikum aber darauf hin, dass es nun leider zu spät sei, um die Reform noch umzusetzen und überlassen das Thema letztlich bewusst einer nächsten Regierung.

All diese Phänomene sollten zu einer realistischen Einschätzung der politischen Lage führen. Dass vier Parteien, die momentan eine Mehrheit des Volkes im Parlament repräsentieren, etwas in ihre Wahlprogramme schreiben, heißt noch lange nicht, dass diese Forderung zwingend bald umgesetzt wird. Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung der CSV kommen, die eine Legalisierung bisher ablehnt, wäre das Thema wohl vom Tisch. Sollte es wider alle Trends in den Umfragen zu einer Fortführung von Blau-Rot-Grün kommen, könnte man die drei Parteien nach den Wahlen allerdings an ihre Forderungen in den Programmen erinnern.

So oder so steht Luxemburg in der neuen, akuten Legalisierungsdebatte noch am Anfang. Was aber kein Grund sein darf, sich nicht schon jetzt über das genaue, idealerweise zu erreichende Ziel im Klaren zu sein.