Durch eine Petition kommt neue Dynamik in die Debatte um die Legalisierung von Cannabis. Die Meinungen der Parteien gehen zwar auseinander. Doch das Thema wird wohl auch nach den Wahlen nicht so schnell vom Tisch sein.
Nein, Joé Schmit ist kein Cannabis-Konsument. „Ich war nie einer und ich habe auch nicht vor, einer zu werden“, betonte er am vergangenen Donnerstag während der Anhörung im Parlament. Trotzdem startete er vor ein paar Monaten eine Petition, die die Legalisierung von Cannabis in Luxemburg fordert. Er brachte so einen Stein ins Rollen. Alleine am ersten Tag konnte Schmit rund 5.000 Unterstützer finden. Damit der Vorschlag im Plenum der Abgeordnetenkammer besprochen wird, benötigt man 4.500 Stimmen – am Ende wurden es für die Petition 1031 mehr als 7.300. Ein Etappensieg.
Was wollen Schmit und seine Unterstützer? Dem Cannabis-Aktivist geht es um mehr als „Legalize It“-Hippie Parolen. Er will auch keine völlige Legalisierung, sondern eine Reglementierung für den Umgang mit Cannabis. Während er in seiner Ende Mai eingereichten Petition noch ein ähnliches Modell wie in den Niederlanden vorgeschlagen hatte, plädiert er jetzt für das Modell, das ab dem 17. Oktober 2018 in Kanada gilt.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Parteien, die sich für eine Legalisierung von Cannabis aussprechen, auch mehr Stimmen bekommen werden.“Joé Schmit
Für Schmit sind die Vorteile seiner gewünschten Regelung klar: Konsumenten würden entkriminalisiert, Jugendliche geschützt – und es könnte sogar noch ein neuer Wirtschaftszweig entstehen. Durch die erwartbaren zusätzlichen Steuereinnahmen hätten letztlich auch der Staat und die Allgemeinheit etwas davon.
Seit dem Erfolg der Cannabis-Petition hat die politische Debatte an Fahrt aufgenommen. Auch wenn die Petition dafür wohl nicht allein verantwortlich ist, thematisieren mittlerweile die meisten Parteien das Thema in ihren Wahlprogrammen. Déi Gréng sind für eine Legalisierung, und zwar deutlicher als zuvor, ebenso wie die LSAP und Déi Lénk. Überraschender ist dagegen die Haltung der DP.
Liberale haben sich bewegt
Bei einer möglichen Cannabis-Regelung zeigen sich gerade die Liberalen nur begrenzt liberal. Die DP hält sich zwar zugute, als Teil der Regierung eine Nutzung von Cannabis „unter bestimmten Umständen in der Schmerztherapie“ erlaubt zu haben. Auch stehe man dem Ausbau der Einsatzmöglichkeiten von medizinischem Cannabis positiv gegenüber.
Auch beim nicht medizinischen Gebrauch haben sich die Liberalen bewegt. In einem entscheidenden Punkt ist das DP-Wahlprogramm aber auffallend unpräzise. Die Liberalen sprechen sich nämlich lediglich für die „Möglichkeit“ einer „kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene“ aus. Wie eine solche Kontrolle, wie ein gesetzlicher Rahmen oder wie eine Regulierung aussehen könnte, dazu fehlen die Details. Nur soviel: Ausschließlich in Luxemburg ansässige Erwachsene sollen Cannabis erwerben dürfen, um so Drogentourismus vorzubeugen. Und: Eine vom Staat überwachte Abgabe „wäre ein bedeutender Schlag gegen den illegalen Drogenhandel“.
Der Standpunkt der Jungliberalen ist dagegen seit längerem klar. Sie machen seit 2014 deutlich, dass sie für eine Liberalisierung sind: „Wir werden unsere Bemühungen in den nächsten Jahren nicht zurückstellen, und uns weiterhin mit der Thematik beschäftigen und eine staatliche Legalisierung, auch im rekreativen Bereich, weiterhin einfordern“, heißt es auf ihrer Webseite. Die JDL setzt sich gemeinsam mit den Jugendorganisationen der Grünen, der Kommunisten, der Linken und der Piratenpartei schon seit Jahren im Rahmen des „Bündnis Cannabis“ für eine volle Legalisierung ein.
Déi Lénk handeln das Thema in ihrem Programm relativ kurz ab. Der Bereich des medizinischen Cannabis soll weiter ausgebaut werden. Es soll in allen Apotheken erhältlich werden, „und die Verschreibung muss vereinfacht werden“. Allgemein soll Cannabis in ihren Augen legalisiert und reguliert werden. Wie genau? Das wird im Text nicht erwähnt.
Für CSV und ADR keine Priorität
Für die CSV hingegen ist Cannabis kein vorrangiges Thema – zumindest im ersten Teil ihres aufgeteilten Wahlprogramms, das auch ein Kapitel zur Gesundheitspolitik beinhaltet. Auch während der Debatte im Parlament stellte Martine Mergen (CSV) klar, dass eine Legalisierung für ihre Partei momentan keine Option sei.
Wir sind dazu bereit, weiter über das Thema zu diskutieren.“Martine Mergen, CSV
Die Gründe seien vor allem „praktischer Natur“. Die Entwicklung von Drogentourismus sei vor allem in einem so kleinem Land wie dem Großherzogtum ein Risiko – und dann nur schwer in den Griff zu bekommen. Denn auch wenn der Kauf auf Einwohner Luxemburgs begrenzt werde, würde das nicht ausschließen, dass jemand für andere Personen Cannabis kaufen könnte. „Wir sind aber dazu bereit, weiter über das Thema zu diskutieren“, sagt Mergen im Gespräch mit REPORTER. Deshalb sei Cannabis sicher auch ein Punkt im Wahlprogramm. Bleibt nur abzuwarten, wie konkret und in welchem Teil.
Die ADR hat ihr Wahlprogramm noch nicht komplett veröffentlicht. „Beim Thema Cannabis sind wir momentan noch geteilter Meinung“, sagt ADR-Kandidat Roland Houtsch im Gespräch mit REPORTER. „Und deshalb ist auch noch nicht klar, wie das Thema im Wahlprogramm aufgegriffen werden wird.“
Er weist aber darauf hin, dass Cannabis seit Jahren ein Thema im Programm der ADR ist und die Partei eine der ersten gewesen sei, die sich für Cannabis zu medizinischen Zwecken stark gemacht hatte. Tatsächlich war es der frühere ADR-Politiker und Arzt Jean Colombera, der sich 2012 vor Gericht verantworten musste, weil er Patienten Cannabis-Präparate verschrieben hatte. 2017 hat dann die blau-rot-grüne Koalition eingewilligt, Cannabis für medizinische Zwecke zuzulassen. Bleibt jetzt die Frage nach einer allgemeinen Legalisierung.
Colombera seinerseits gründete 2013 seine eigene Partei, die „Partei fir integral Demokratie“ – und plädierte für eine vollständige Legalisierung von Cannabis in Luxemburg. Heute ist er Mitglied der „Piratepartei“, sie setzt sich für eine Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten ein.
Von der Niederlande bis Uruguay: ein Trend zur Legalisierung?
- Niederlande: Viele denken, dass Cannabis in den Niederlanden legal ist. Dabei sind Besitz und Konsum grundsätzlich verboten. Sie werden jedoch praktisch geduldet (maximal 5 Gramm pro Tag). Auch der Anbau ist verboten. Minderjährigen ist der Kauf von Drogen und der Zutritt zu Coffee Shops verboten. Seit ein paar Jahren dürfen niederländische Städte Ausländern den Zugang zu Coffee Shops verbieten. So wollen die Behörden gegen Drogentourismus vorgehen.
- USA: In neun Staaten der USA ist Cannabis-Konsum legal. Auf Bundesebene gilt die Droge immer noch als illegal. Den einzelnen Staaten steht es jedoch zu, vom Bundesrecht abzuweichen. In Kalifornien ist Cannabis beispielsweise seit Anfang 2018 legal. Ab 21 Jahren darf jeder 28 Gramm mit sich führen sowie bis zu sechs Cannabispflanzen anbauen. Geschäfte können Verkaufslizenzen anfragen. Was in Kalifornien weiterhin verboten bleibt: Der Konsum beim Autofahren und an öffentlichen Orten, an denen man auch keinen Tabak rauchen darf.
- Kanada: Dieses Modell ermöglicht es kanadischen Staatsbürgern über 18 Jahren, per Bestellung oder in autorisierten Geschäften ein Gramm Haschisch für rund zehn kanadische Dollar zu kaufen. Der persönliche Besitz ist auf 30 Gramm beschränkt und jeder darf vier Cannabispflanzen für den persönlichen Gebrauch anbauen.
- Uruguay: 2017 war es das erste Land weltweit, das den Verkauf von Cannabis an registrierte Nutzer in Apotheken erlaubte und seitdem auch den Anbau der Pflanzen regelt. Mit dem Gesetz will man gegen den illegalen Markt vorgehen.
LSAP und Grüne gehen weiter als zuvor
Letztlich sind es nur LSAP und Déi Gréng, die konkrete Vorschläge für den Umgang mit Cannabis anbieten. Die Grünen fordern nicht nur eine Entkriminalisierung von Konsumenten und Abhängigen, sondern unter anderem auch einen kontrollierten und reglementierten Markt „vom Anbau bis zum Endkonsumenten“ und den ausschließlichen Verkauf an Einwohner aus Luxemburg. Damit das gelingt, will die Partei ausländische Gesetzgebungen vergleichen und in den nationalen Prozess mit einfließen lassen, um „die bestmöglichen gesetzlichen Rahmenbedingungen für unser Land zu schaffen“. Außerdem soll eine strikte Altersbeschränkung kontrolliert und ein Rahmen für Justiz und Polizei neu definiert werden.
Um Drogentourismus zu vermeiden, wird der staatlich geregelte Verkauf von Cannabis sich auf in Luxemburg Ansässige beschränken.“LSAP-Wahlprogramm

Auch die LSAP gibt in ihrem Programm klare Anweisungen zum Thema Cannabis. Die Partei will laut ihrem Programm nach der Freigabe für therapeutische Zwecke „noch einen Schritt weitergehen und den Cannabis-Verkauf und -Konsum für rekreative Zwecke ab 18 Jahren erlauben und staatlich regeln“.
Für die Sozialisten soll sich der Verkauf nur an in Luxemburg Ansässige richten – um so den Drogentourismus zu vermeiden. Durch eine Legalisierung wolle man Drogen- und Beschaffungskriminalität bekämpfen und die Menschen „vor unsauberen, gesundheitsgefährdenden Substanzen“ schützen. Auch die LSAP will sich hierfür an internationalen Modellen orientieren und die Bürger für das Thema sensibilisieren.
Zwischen Wahlprogramm und Realität
Es dürfte wohl kaum überraschen, dass die Texte der Wahlprogramme aber teilweise von der Realität abweichen. Denn die Parteien haben weiterhin Vorbehalte – auch, wenn sie sich in den Programmen eigentlich für eine Legalisierung aussprechen. Das zeigte die Debatte am vergangenen Donnerstag im Parlament.
Einige Anwesenden, darunter auch Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP), begrüßten zwar die Idee einer Reglementierung – sie wiesen aber gleichzeitig darauf hin, dass das von Joé Schmit vorgeschlagene kanadische Modell erst einige Monate in Kraft ist und sich erst einmal beweisen muss. „Es ist noch nicht absehbar, ob dadurch die Drogenprobleme und die Kriminalität in den Griff zu bekommen sind“, so die Ministerin. Außerdem sei Cannabis immer noch eine Einstiegsdroge.
Wie es aus LSAP-Kreisen verlautet, ist die Gesundheitsministerin ohnehin kein Fan der neuen klaren Forderungen im Programm ihrer Partei. Ebenso wie andere Amtsträger habe sie den entsprechenden Passus nur „unter stillem Protest“ mitgetragen, heißt es.
Das Gesetz ist klar. Es ist alles verboten.“Felix Braz, Déi Gréng
Kompliziert könnte auch die Umsetzung eines neuen Gesetzes werden. Alex Bodry (LSAP) sprach von einem „schwierigen Unterfangen“, um ein neues rechtliches System umsetzen zu können. Außerdem dürfe man durch eine Liberalisierung oder Regulierung nicht das Signal senden, dass die Menschen konsumieren sollen.
Justizminister Felix Braz (Déi Gréng) wies darauf hin, dass das aktuelle Drogengesetz in Luxemburg klar und deutlich ist. „Es ist alles verboten“, sagte er. Sowohl der Anbau, als auch der Verkauf oder der Konsum. Der Text würde allerdings unterschiedlich interpretiert werden, so der Minister weiter. Bei Dealern würde es „à la lettre“ angewandt, beim Konsum würde es von den Gerichten, vor allem bei Jugendlichen, dagegen anders und flexibler interpretiert werden.
Fest steht: 18 Prozent der 15-Jährigen in Luxemburg sollen mindestens einmal Cannabis geraucht haben. Das geht aus dem Nationalen Drogenbericht für 2017 hervor. Von 3,421 Leuten im Alter zwischen 15 und 64 Jahren gaben außerdem 23,3 Prozent an, regelmäßig Cannabis zu rauchen. Dieser Wert liegt über dem EU-Durchschnitt.
„Alles verboten“ – aber wie lange noch?
Von einer sogenannten „Depenalisierung“ des Cannabiskonsums sprach Felix Braz bereits 2014 in einem Gespräch mit dem Luxemburger Wort. „Hier hat in der Interpretation des Gesetzes eine Entwicklung stattgefunden, die ich für realistisch halte“, sagte er damals. Dass Bürger für den Konsum und den Besitz kleiner Mengen von Cannabis bestraft werden, sei mittlerweile die absolute Ausnahme. Der formal durchaus rigide Gesetzestext wurde aber bis heute nicht an diese neue, flexible Praxis angepasst.
Während die Politik bei manchen Punkten noch zweifelt, sind für Joé Schmit die Vorteile einer Regulierung für die Parteien ganz klar. Er ist sich sicher: Ein offener Umgang mit dem Thema könnte sich für die Parteien lohnen – gerade jetzt. Das sagte er am vergangenen Mittwoch im Gespräch mit Radio 100,7: „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Parteien, die sich für eine Legalisierung von Cannabis aussprechen, auch mehr Stimmen bekommen werden.“ Neu ist dabei, dass jene, die ihre Stimme im Oktober an die Cannabis-Position der Parteien knüpfen, mehr als eine Wahl haben.
Update 01.08.2018: In einer ersten Version dieses Artikels wurde die Position von Déi Lénk in Sachen Legalisierung als unklar bezeichnet. Richtig ist, dass sich die Partei in ihrem Wahlprogramm auch für eine Legalisierung und staatliche Regulierung von Cannabis einsetzen, allerdings ohne Details über das bevorzugte Modell zu nennen. Ebenso wurde die Passage zum Wahlprogramm der DP dahingehend angepasst, dass sich die Liberalen für die „Möglichkeit einer staatlich kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene“ aussprechen.