Zu Beginn als Forschungsprojekt angelegt, steht die Umsetzung des „Large Scale Testing“ zunehmend in der Kritik. Vor allem die Auftragsvergabe der Massentests wirft Fragen auf. Nun fordert ein Analyselabor Schadenersatz von der Regierung und will auch die EU-Kommission mit der Affäre befassen.
Der Gründer des Diagnostiklabors Bionext und ehemaliger Eigner von Ketterthill, Jean-Luc Dourson, erhebt weiterhin schwere Vorwürfe gegen die Umsetzung des „Large Scale Testing“. Zum Teil sind es dieselben, die der Chef des luxemburgischen Analyselabors bereits im Juni in einem offenen Brief erhoben hatte. Konkret geht es darum, dass die Laborgruppe „Laboratoires Réunis“ seit Beginn der Massentestungen exklusiv für die im Rahmen des „Large Scale Testing“ durchgeführten PCR-Tests verantwortlich ist.
Der Hauptvorwurf von Bionext: Der Auftrag zu Beginn der Pandemie wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, und er sei unter fadenscheinigen Bedingungen zwischen dem Gesundheitsministerium und der Laborgruppe eingefädelt worden. Zudem seien auch die Folgeaufträge geradezu auf die „Laboratoires Réunis“ zugeschnitten gewesen. Konkurrenten seien chancenlos gewesen, so der Leiter von Bionext bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Zweifelhaft sei auch die Verwendung der Testkits von „Fast Track Diagnostics“ im Rahmen des „Large Scale Testing“ gewesen, so Jean-Luc Dourson weiter. Ein Vorwurf, über den Reporter.lu bereits zu Beginn der Testkampagne berichtet hatte. Die Tests verfügten über kein CE-Prüfzeichen und wurden erst im Laufe der Testkampagne durch das Gesundheitsministerium zertifiziert. Für die Qualitätssicherung der Tests zuständig: „Laboratoires Réunis“.
Fragwürdige Gratis-Tests
In der Folge spendete die Regierung einen Großteil der Tests an das „Luxembourg Institute of Health“ (LIH), das bei der Umsetzung des „Large Scale Testing“ federführend war – bis die Zuständigkeit zur Santé wechselte. Die Vermutung damals: Mit der Spende wolle die Regierung verhindern, dass die Massentestungen die Kostenschwelle von 40 Millionen Euro überschreiten, ab der ein Finanzierungsgesetz im Parlament beschlossen werden muss.
Das Fass zum Überlaufen brachte für Jean-Luc Dourson schließlich eine Entscheidung der Santé im Juni dieses Jahres. Damals beschloss die Regierung, dass jeder Bürger sich kostenlos einen gratis PCR-Test in einem Testzentrum des „Large Scale Testing“ buchen könne. „Das hat nichts mehr mit einer wissenschaftlichen Analyse der Infektionslage zu tun“, betonte der Gründer von Bionext bei der Pressekonferenz am Donnerstag.
Unter anderem sein eigenes Unternehmen sei vom Vorgehen der Regierung überrascht worden und habe dadurch unmittelbare Verluste erlitten, so Jean-Luc Dourson. So habe man bereits im Mai Personal rekrutiert, um über den Sommer der steigenden Nachfrage für PCR-Tests von Reisenden gerecht zu werden. Mit der Entscheidung der Regierung sei die Nachfrage für Tests von Privatlaboren dann jedoch schlagartig eingebrochen und das rekrutierte Personal verursachte zusätzliche Kosten für seine Firma, so Jean-Luc Dourson weiter.
Rechtliche Schritte auf EU-Ebene
Mittlerweile hat Bionext auch rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der Regierung bei der Auftragsvergabe eingeleitet. So hat das Unternehmen bereits Mitte August Beschwerde beim Bezirksgericht Luxemburg eingereicht.
Bei der Verhandlung am 12. Oktober soll unter anderem geklärt werden, ob eine Missachtung des Ausschreibungsgesetzes vorliegt und der Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs gegeben ist. Zudem fordert Bionext Schadensersatz von der Regierung. Vertreten wird das Unternehmen durch den Rechtsanwalt Nicolas Thieltgen.
Neben der nationalen Gerichtsbarkeit will Bionext auch auf europäischer Ebene gegen das Gesundheitsministerium vorgehen. Unter anderem wolle man die EU-Kommission mit der Affäre befassen. „Was das europäischen Konkurrenzrecht und jenes über öffentliche Ausschreibung betrifft, sehe ich diesen Fall als Paradebeispiel“, erklärte der Anwalt von Bionext, Jean-Louis Dupont, vor der Presse.
Der Spezialist für EU-Recht, der unter anderem Real Madrid und den FC Barcelona im Fall um die geplante „European Super League“ vor dem Europäischen Gerichtshof vertritt, gab sich denn auch betont zuversichtlich: „Es dürfte nicht allzu schwierig werden, zu beweisen, dass hier die Spielregeln missachtet wurden.“
Rechnungshof arbeitet an Spezialbericht
Zweifel am Vorgehen der Regierung hegt derweil auch die Vereinigung „StopCorrupt“ – bis 2017 die luxemburgische Zweigstelle von „Transparency International“. In einem eigenen Gutachten wirft die gemeinnützige Organisation ebenfalls Fragen zu unlauterem Wettbewerb im Zuge des „Large Scale Testing“ auf. Auch der Rechnungshof wurde bereits Anfang Juni von der parlamentarischen Budgetkontrollkommission mit einem Spezialbericht zur Finanzierung des „Large Scale Testing“ beauftragt.


