Das „Lëtzebuerger Journal“ soll es bald nur noch online geben. Was wie ein couragierter Schritt zur „digitalen Transformation“ anmutet, ist vor allem eine finanziell bedingte Entscheidung – die letztlich auch die Krise beim Kooperationspartner „Editpress“ verschärfen wird.
„Wir stellen uns schon seit längerem die Frage, wie wir uns in der luxemburgischen Medienlandschaft neu aufstellen können“, sagt Claude Karger. „Es ist jedoch nicht abzustreiten, dass die Covid-19-Krise die Entscheidung beeinflusst hat“, so der Direktor und Chefredakteur der Tageszeitung. Wie viele andere Printmedien litt die Zeitung unter dem starken Rückgang der Einnahmen aus dem Geschäft mit Werbeanzeigen (REPORTER berichtete).
Das „Lëtzebuerger Journal“ soll ab Januar 2021 nur noch in digitaler Form erscheinen, wie der Verwaltungsrat der Zeitung am Montag mitteilte. Die Kosten für eine Printausgabe seien kaum noch tragbar gewesen, sagt Claude Karger im Gespräch mit REPORTER. Laut dem Journal-Direktor hätte man sonst in Zukunft auf die Reserven zurückgreifen und über kurz oder lang Schulden aufnehmen müssen.
Vor allem der Einbruch des Anzeigengeschäfts in der Corona-Krise stellte die Zeitung vor existenzielle Fragen, wie Karger noch vor wenigen Wochen einräumte. „Die aktuelle Situation halten wir vielleicht noch zwei Monate lang durch“, so der Verantwortliche der „Editions Lëtzebuerger Journal“ Ende April im Interview mit REPORTER.
900.000 Euro weniger Pressehilfe
Trotz Digitalisierung könnte das Geld dennoch knapp werden. Letztes Jahr erhielt das „Journal“ nahezu eine Million Euro Pressehilfe vom Staat. Als reines Online-Medium würde die staatliche Hilfe für die Zeitung auf den Pauschalbetrag der Pressehilfe für Online-Medien fallen. Der Betrag, den aktuell zwölf Luxemburger Medien, darunter REPORTER, erhalten, liegt bei 100.000 Euro pro Jahr. Im Fall des „Journal“ wäre das also ein Einnahmeverlust von nahezu 900.000 Euro.
Man feile noch am finanziellen Konzept für die kommenden Jahre, sagt Claude Karger. Zurzeit sei die Zeitung aber noch „in einer guten Lage“. Perspektivisch darf das „Journal“ aber auch als Digitalzeitung auf eine wesentliche Hilfe vom Staat hoffen. Die Regierung arbeitet nämlich an einer Reform der Pressehilfe mit gleichen Kriterien für Online- und Printmedien. Selbst wenn die Reform erst im Laufe des nächsten Jahres in Kraft treten würde, reichen die eigenen finanziellen Reserven laut Karger noch eine Weile aus.
Weniger Kosten, weniger Abonnenten
Allerdings wird der Wechsel zu einem rein digitalen Medium auch die Kosten stark senken. Laut der Geschäftsbilanz der „Editions Lëtzebuerger Journal“ von 2018 beliefen sich die Druckkosten in jenem Jahr auf 680.000 Euro. Für die Auslieferung der Zeitung wurden weitere 55.000 Euro fällig. Zudem hat der Verwaltungsrat entschieden, die Auflage von sechs auf fünf Mal wöchentlich zu reduzieren, was zusätzliche Kosten einsparen könnte. Würden die Kennzahlen konstant bleiben, würden der Zeitung also für die Übergangsphase etwa 140.000 Euro entgehen.
Es ist nicht abzustreiten, dass die Covid-19-Krise die Entscheidung beeinflusst hat.“Claude Karger, Direktor und Chefredakteur des „Journal“
Eine große Herausforderung für die kleinste der traditionellen Tageszeitungen des Landes bleibt aber: die langfristige Finanzierung durch Abonnenten. Laut der jüngsten „Plurimedia“-Umfrage hatte das „Journal“ im Durchschnitt 8.700 Leser pro Tag. Allerdings liegt die bezahlte Auflage der Zeitung weit darunter. Laut Claude Karger lag die Auflage des „Journal“ im vergangenen Jahr bei rund 5.000 Exemplaren pro Erscheinungstag. Der Trend der tatsächlich verkauften Auflage sei aber seit Jahren negativ gewesen, so der Direktor und Chefredakteur. Das „Journal“ habe „plusminus 3.000 Abonnenten“, so Karger im Gespräch mit REPORTER im Juni 2019.
Keine Entlassungen, noch kein Konzept
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Perspektive wolle man aber vermeiden, Kosten beim Personal einzusparen, sagt Claude Karger. Tatsächlich haben in den vergangenen Wochen mehrere Journalisten die im Bahnhofsviertel liegenden Redaktionsräume von sich aus verlassen. Heute bestehe die Redaktion aus 7,7 Angestellten, sagt der Chefredakteur. Große Kürzungen wären also ohnehin nicht möglich. Trotzdem schließt der Direktor nicht aus, dass man sich in Zukunft für den digitalen Auftritt personell anders aufstellen wird.
Im Falle eines Verkaufs der Editpress-Anteile müsste man erst mal einen Käufer finden.“Claude Karger, Direktor und Chefredakteur des „Journal“
Ein Anzeichen dafür liefert bereits die am Montag verschickte Pressemitteilung des „Journal“. Der frühere RTL-Moderator Daniel Nepgen soll das Unternehmen für den digitalen Neustart beraten. Wie die neue digitale Ausgabe aussehen soll, ist allerdings noch nicht klar. Nur so viel: Man wolle laut Claude Karger „originelle Formate“ ausprobieren und sich dem Verhalten der Leser anpassen.
Das „Lëtzebuerger Journal“ wurde 1948 gegründet und erscheint aktuell sechs Mal die Woche. Bereits 2012 versuchte die Zeitung sich neu zu erfinden und erschien in einem neuen Format. Zudem wollte man nicht mehr als DP-nahe Zeitung wahrgenommen werden. Bis heute gehören die „Editions Lëtzebuerger Journal“ allerdings der DP-Stiftung „Centre d’Etudes Eugène Schaus“. Im Verwaltungsrat sitzen nach wie vor fast ausschließlich DP-Mitglieder.
„Editpress“ verliert weitere Einnahmequelle
Ob andere Medien der Entscheidung des „Journal“ folgen, wird sich noch zeigen. Für „Editpress“ könnte es aber bereits relativ kurzfristig Konsequenzen haben. Seit dem „Relaunch“ von 2012 wird das „Journal“ in der Druckerei des Mutterhauses vom „Tageblatt“ gedruckt. Gleichzeitig stieg das liberale Medienhaus mit acht Prozent in das Kapital von „Editpress“ ein. Die „Synergie“ durch die gemeinsame Druckerei fällt nun bald als Hauptargument für die Partnerschaft zwischen „Editpress“ und „Journal“ weg.
Die neue Perspektive macht uns das Leben sicher nicht leichter.“
Jean-Lou Siweck, Generaldirektor von „Editpress“
Über die Anteile an Editpress habe man noch nicht geredet, sagt Claude Karger auf Nachfrage. Doch selbst wenn man einen Verkauf der acht Prozent beschließen würde, stelle sich ein weiteres Problem: „Im Falle eines Verkaufs der Editpress-Anteile müsste man erst mal einen Käufer finden“, so der „Journal“-Direktor.
Unstrittig ist aber: Die nahezu 700.000 Euro, die das „Journal“ jährlich für den Zeitungsdruck an „Editpress“ überweist, fallen ab kommenden Januar weg. „Diese Einnahmen haben uns erlaubt, sinnvolle Synergien mit einem externen Partner einzugehen“, sagt der Generaldirektor von „Editpress“, Jean-Lou Siweck auf Nachfrage von REPORTER. „Die neue Perspektive macht uns das Leben sicher nicht leichter.“
Während das „Journal“ sein Heil im Digitalen sucht, kommt damit unabhängig von der Frage der Kapitalbeteiligung eine weitere finanzielle Herausforderung auf „Editpress“ zu. Seit geraumer Zeit hat das traditionelle Medienhaus in der Escher Kanalstraße mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Erst im vergangenen Jahr wickelte der Konzern die französischsprachige Wochenzeitung „Le Jeudi“ ab. Weitere „Umstrukturierungen“ sind im Gange, weiteres Zeitungssterben nicht ausgeschlossen, heißt es von der „Editpress“-Führung.
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