Die Wochenzeitung „Le Jeudi“ wird eingestellt. Das gescheiterte Medium aus dem Hause Editpress verdeutlicht, dass die Krise der traditionellen Presse weiter voranschreitet. Das Ausmaß der Krise ist jedoch größer als es der rezente Fall vermuten lässt.

„Wir müssen ehrlich mit uns selbst sein“, sagt Jean-Lou Siweck. Im Interview mit „Radio 100,7“ reagierte der Generaldirektor von „Editpress“ am Dienstag als Verantwortlicher seines Verlagshauses auf die Entscheidung, die Wochenzeitung „Le Jeudi“ mit sofortiger Wirkung einzustellen. Vorher hatte der Verwaltungsrat des Unternehmens die Maßnahme per Pressemitteilung verkündet.

Die geschriebene kostenpflichtige Presse befinde sich in einem schwierigen Wandel, so Siweck weiter. „Es ist so, dass der ‚Jeudi‘ auf sich allein gestellt signifikante finanzielle Defizite hatte und wir unsere Energie auf unseren Haupttitel, das ‚Tageblatt‘, konzentrieren wollen.“

Die nüchterne Analyse des Generaldirektors deutet dabei bereits das wahre Ausmaß der Krise an. Das Scheitern von „Le Jeudi“ ist nur der rezenteste Beweis dafür, dass die Pressekrise nicht vor Luxemburg halt macht. Bereits vor acht Jahren nahm etwa „Saint-Paul Luxembourg“, der Herausgeber des „Luxemburger Wort“, eine umfassende Umstrukturierung des Verlagshauses vor. Mit „La Voix du Luxembourg“ und später „Point 24“ und „Radio DNR“ verschwanden drei Medien vom Markt. Für „Editpress“ ist es dagegen das erste Mal, dass man finanzielle Schwierigkeiten von zumindest einer seiner Publikationen öffentlich eingestehen muss.

Finanzlage bei „Editpress“ schon länger „schwierig“

Für die Branche kommt die Einstellung der französischsprachigen Wochenzeitung nicht überraschend. REPORTER hatte etwa bereits im März des vergangenen Jahres ausführlich über den unvermeidlichen Umbruch im Hause „Editpress“ berichtet. Ein massiver Rückgang der Auflagen, defizitäre Tochterunternehmen und eine schwindende Kreditwürdigkeit waren bereits damals klare Indizien dafür, dass mit dem Antritt von Jean-Lou Siweck im Mai 2018 schmerzhafte Entscheidungen anstehen würden. Der Präsident des Verwaltungsrats von „Editpress“, Nico Clement, wollte zu jenem Zeitpunkt auf Nachfrage von REPORTER die Einstellung von Zeitungen nicht ausschließen. „Die Vielfalt von unseren Titeln ist eine Frage, die man sich stellen muss“, so Clement damals.

Im Fall von „Le Jeudi“ waren die Aussichten eindeutig am düstersten. Zwar wurde der Zeitung laut „Plurimedia“-Umfrage noch immer eine Reichweite von fast 27.000 regelmäßigen Lesern bescheinigt. Doch die ökonomische Realität spricht seit Jahren eine weitaus deutlichere Sprache. Vor zehn Jahren hatte die Wochenzeitung noch rund 3.000 zahlende Leser. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich die bezahlte Auflage mehr als halbiert. Laut dem belgischen „Centre d’Information sur les Medias“ (CIM), das für manche luxemburgische Medien die tatsächlichen Auflagen misst, hatte „Le Jeudi“ 2018 noch exakt 1.466 zahlende Kunden – davon 1.254 über Abonnements, 212 durchschnittlich im wöchentlichen Einzelverkauf.

Laut Informationen von REPORTER kam es zudem in der Redaktion der ‚Revue‘ Anfang dieses Jahres zu mehreren Entlassungen ‚pour raisons économiques‘. Jean-Lou Siweck, Generaldirektor von ‚Editpress‘, bestätigt dies auf Nachfrage.“

Die Reichweite von 27.000 Lesern erreichte die Publikation nur, weil sie phasenweise fast zehn Mal so viele Zeitungen druckte, wie sie verkaufte. 2017 hatte „Le Jeudi“ laut dem CIM noch eine Gesamtauflage von mehr als 15.000 Exemplaren – nur 1.619 wurden davon tatsächlich verkauft. Der Rest wurde entweder staatlichen Institutionen oder sonstigen Organisationen gratis überlassen oder auch ungefragt an Privathaushalte im ganzen Land verschickt. 2018 lag die Gesamtauflage dann laut dem CIM mit 8.545 zwar deutlich niedriger. Doch auch die bezahlte Auflage ging weiter stark zurück. Von 2017 auf 2018 schrumpfte die Zahl der Abonnenten noch einmal von 1.359 auf 1.254, also um fast acht Prozent in einem Jahr.

Ein weiterer Grund für die Schließung von „Le Jeudi“: Das Management hatte offensichtlich den digitalen Wandel verschlafen. Zwar führte die Wochenzeitung noch vor „Wort“ und „Tageblatt“ als erste Online-Publikation des Landes eine Paywall ein. Doch die Reichweite und vor allem die zahlenden Kunden blieben auch hier bis zum Schluss im Keller. Laut den Zahlen des CIM hatte „jeudi.lu“ im Schnitt gerade einmal 300 Besucher („unique visitors“) pro Tag. Die rein digitalen Abonnenten beliefen sich zuletzt auf ganze 45.

„Le Jeudi“ ist nicht das einzige Sorgenkind

Eine Zeitung, die elf Mitarbeiter beschäftigt, aber nur noch knapp 1.500 Exemplare verkauft, jede Woche Tausende Ausgaben verschenkt und digital quasi inexistent ist: Dass diese Rechnung wirtschaftlich nicht mehr aufgeht, war nicht überraschend. Mit den besagten Zahlen war eine Transformation zu einer modernen, profitablen Zeitung schlicht nicht möglich. Am Ende konnte auch die staatliche Pressehilfe von 335.310 Euro (2018) die seit 1997 erscheinende Publikation nicht mehr retten. Generell verdeutlicht der konkrete Fall das strukturelle Problem der traditionellen, also gedruckten Presse: Die (bezahlten) Auflagen sinken rapide, die Erlöse aus Werbeanzeigen ebenso und im Vergleich zu Online-Publikationen nehmen die Druckkosten einen erheblichen Teil der laufenden Ausgaben ein.

„Oui, Le Jeudi est mort“: Chefredakteur Jacques Hillion bedankte sich gestern in einem Leitartikel in der letzten Ausgabe der 22 Jahre lang erschienenen Wochenzeitung bei seinen Lesern.

Eine Rettung von „Le Jeudi“ wäre nur mit „viel Kraft und Engagement“ möglich gewesen, sagte Jean-Lou Siweck im Interview mit „Radio 100,7“. „Wäre das unsere einzige Sorge gewesen, hätten wir das gemacht.“ Doch die gleichen Fragen würden sich auch für die anderen Titel von „Editpress“ stellen. Weitere Restrukturierungen stünden zwar nicht an. Die anderen Zeitungen des Hauses hätten wesentlich mehr Leser und damit mehr wirtschaftliche Substanz. Die angespannte finanzielle Situation der Printzeitungen erfordere aber auch hier permanente Anpassungen. Allerdings fügt Siweck hinzu: Bei manchen Produkten sei „Editpress“ durch „Joint Ventures“ ohnehin nicht in der Lage, eventuelle Anpassungen alleine zu entscheiden.

„Finanzielle und operative Herausforderungen“

Es sei nie schön, eine Zeitung zu schließen, sagt Jean-Lou Siweck im Gespräch mit REPORTER. Man habe jedoch einsehen müssen, dass „Le Jeudi“ seinen Markt auf Dauer nicht gefunden habe. Im konkreten Fall sei das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben schlicht nicht mehr verantwortbar gewesen, so der CEO von „Editpress“. Der digitale Wandel führe für das Verlagshaus zu dauerhaften „finanziellen und operativen Herausforderungen“. Was der seit einem Jahr amtierende Generaldirektor nicht explizit sagt, aber offensichtlich ist: Die finanzielle Schieflage ist bei „Editpress“ kein neues Phänomen, sondern beschäftigte schon seine Vorgänger.

Anfang 2018 hatte der Verwaltungsratschef von Editpress, Nico Clement, die finanzielle Lage seines Betriebs im Gespräch mit REPORTER bereits als ’schwierig‘ bezeichnet.“

Der sich beschleunigende Wandel der Pressebranche zeige sich in vielerlei Hinsicht, so Siweck weiter. Da die Einnahmen aus Werbeanzeigen im Fall der Printmedien rasant wegbrechen und nicht von den eigenen Online-Auftritten kompensiert werden könnten, müsse man sich stärker über Abonnements finanzieren als früher. „Es gibt viele Baustellen, aber die größte Baustelle ist die unter wirtschaftlichem Druck stattfindende Transformation eines Medienhauses im digitalen Zeitalter.“ Er sei jedoch zuversichtlich, dass sein Verlagshaus noch „genügend Potenziale“ habe, um in Zukunft sowohl wirtschaftlich als auch journalistisch positive Resultate zu erzielen.

Unter Generaldirektor Jean-Lou Siweck sind an der Escher Kanalstraße bereits mehrere Akzente gesetzt worden. So wurde ein neuer, für das gesamte Unternehmen zuständiger Finanzdirektor eingestellt. Wie es heißt, befinden sich die Redaktionen des Hauses „Editpress“ in einem umfassenderen Prozess der Umstrukturierung und Rationalisierung. Bei dieser Aufgabe wird Siweck zum Teil von den selben Beratern unterstützt, die den früheren Chefredakteur des „Luxemburger Wort“ bereits bei der Newsroom-Integration bei „Saint-Paul Luxembourg“ beraten haben.

Ähnliche Lage bei „Quotidien“ und „Revue“

Die nackten Zahlen bestätigen indes, dass „Le Jeudi“ nicht das einzige Sorgenkind von „Editpress“ ist. Auch die französischsprachige Tageszeitung „Le Quotidien“, ein „Joint Venture“ von „Editpress“ und „Le Républicain lorrain“, hat über die vergangenen Jahre massiv an Auflage eingebüßt. 2007 hatte die Publikation noch eine bezahlte Auflage von 5.426. Im vergangenen Jahr lag diese laut Zahlen des CIM nur noch bei 3.293 – ein Rückgang von fast 40 Prozent innerhalb von einem Jahrzehnt.

Ähnlich sieht die Bilanz der „Revue“ aus. Während die bezahlte Auflage des traditionsreichen Wochenmagazins 2007 noch bei 20.902 lag, erreichte sie 2018 noch weniger als 12.000 – ein Einbruch um rund 44 Prozent. Die finanzielle Lage scheint hier zwar nicht mit jener des „Jeudi“ vergleichbar. Doch auch die „Revue“, an der „Editpress“ mit 80 Prozent beteiligt ist, schreibt rote Zahlen und hat über die Jahre nahezu eine Million Euro an Schulden beim Mutterkonzern angehäuft.

Laut Informationen von REPORTER kam es zudem in der Redaktion der „Revue“ Anfang dieses Jahres zu mehreren Entlassungen „pour raisons économiques“. Jean-Lou Siweck, Generaldirektor von „Editpress“ und seit vergangenem November Präsident des Verwaltungsrats der „Editions Revue“, bestätigt dies auf Nachfrage. Auch das Wochenmagazin habe seit einigen Jahren mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, sagt Siweck. Im Rahmen von „Sanierungsmaßnahmen“ sei es deshalb kürzlich zu „punktuellen Entlassungen“ gekommen.

Laut Quellen, die mit den Beratungen im Verwaltungsrat von „Editpress“ vertraut sind, stand in den vergangenen Monaten denn auch eine weitaus umfangreichere Restrukturierung des Konzerns zur Debatte. Der Grund: Nicht nur einzelne Titel sind defizitär, sondern auch dem gesamten Konzern, an dem die Gewerkschaft OGBL die Mehrheitsanteile hält, geht es finanziell nicht sonderlich gut. Anfang 2018 bezeichnete der Verwaltungsratschef von „Editpress“, Nico Clement, die finanzielle Lage seines Betriebs im Gespräch mit REPORTER bereits als „schwierig“.

Die verborgenen Ausmaße der Pressekrise

Über die Jahrzehnte hatte das Verlagshaus mit Sitz in Esch/Alzette seine Beteiligungen an anderen Medien und sonstigen Unternehmen ausgebaut. Manche dieser Projekte waren und sind dabei wirtschaftlich durchaus erfolgreich, wie die Beteiligungen an „Edita“ (Herausgeber der Gratis-Zeitung „L’Essentiel“) oder an „Eldoradio“. Andererseits schleppt der Herausgeber des „Tageblatt“ aber auch einige Altlasten mit, die nicht profitabel sind und an die Substanz des Unternehmens gehen.

Das zeigt sich etwa an der Summe an Schulden, die Tochterunternehmen bei „Editpress“ angehäuft haben. Im Jahr 2016 standen beim Mutterkonzern über elf Millionen Euro an Forderungen gegenüber Subunternehmen offen. Ohne weitere Kapitalzuschüsse von „Editpress“ bzw. dem Hauptaktionär OGBL scheint bei manchen dieser Tochterfirmen und Beteiligungen wie der Anzeigenfirma „Espace Média“, dem Druckdienstleister „Polygraphic“, der Werbeagentur „Comed“ oder eben den „Editions Revue“ der Weg zurück zur Rentabilität nur schwer möglich.

Zudem hatte auch „Editpress“ selbst laut den eigenen Bilanzen 17,5 Millionen Euro (Stand 2016) an Verbindlichkeiten, davon rund zehn Millionen an Schulden gegenüber von Banken, angehäuft. Wie es schon im vergangenen Jahr aus Konzernkreisen verlautete, sei phasenweise die Kreditwürdigkeit bei den Banken nicht mehr gegeben gewesen. Verwaltungsratschef Nico Clement wollte dies damals weder bestätigen noch dementieren. Klar scheint, dass die Entscheidung zum abrupten Stopp von „Le Jeudi“ für Insider nicht so plötzlich kam wie es manche Reaktionen in den vergangenen Tagen vermuten lassen. Fest steht aber auch, dass der Konzern sich durch die schmerzhaften Maßnahmen von heute rein wirtschaftlich eine bessere Perspektive erwartet.

Der wirtschaftliche Druck wird durch das eingestandene Scheitern von „Le Jeudi“, das laut dem „Editpress“-Management nicht ohne Entlassungen umsetzbar sei, aber wohl nur bedingt abnehmen. Zudem zeigen sich die gleichen Symptome der Pressekrise auch bei anderen luxemburgischen Medienhäusern.


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