Die Legalisierung von Cannabis sollte zum gesellschaftspolitischen Vorzeigeprojekt von Blau-Rot-Grün werden. Wie schwer sich die Politik aber schon heute mit dem Hanf tut, zeigt der Umgang mit medizinischem Cannabis und dem Handel mit CBD-Produkten.

Wenn man Norbert Eilenbecker auf die geplante Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch anspricht, wiegelt der Landwirt aus Kalborn ab: „Daran sind wir eigentlich nicht interessiert. Wir wollen langfristig medizinischen Hanf anbauen und unsere Produkte von der Santé zertifiziert bekommen. Das ist schon schwierig genug.“

Norbert Eilenbecker ist Pionier des Hanfanbaus in Luxemburg. 1995 hat er zum ersten Mal Industriehanf auf seinen Ackerflächen angepflanzt und seinen Betrieb in Kalborn seitdem komplett auf die Produktion von legalem Nutzhanf umgestellt. Auf rund sechs Hektar baut der Landwirt derzeit Hanf an. Zunächst verarbeitete Eilenbecker lediglich die Samen der Pflanzen zu Öl. Doch seit 2013 dürfen auch die Hanfblüten weiterverarbeitet und der darin enthaltene Wirkstoff Cannabidol (CBD) extrahiert werden.

Ermöglicht wurde dies durch eine Anpassung der EU-Richtlinien zum Nutzhanfanbau. Aus diesem stellt Norbert Eilenbecker mit seinem Geschäftspartner, dem Molekularbiologen André Steinmetz, als einziger Betrieb in Luxemburg CBD-Öl her. Neben dem psychoaktiven Wirkstoff THC, der aktuell in Luxemburg noch verboten ist, enthält die Cannabis-Pflanze eine Vielzahl an weiteren Wirkstoffen, den sogenannten Cannabinoiden. Der bekannteste neben THC ist CBD.

Wenig politische Anerkennung

Dem Wirkstoff wird eine beruhigende Wirkung zugeschrieben. Zudem verfügt CBD über ein breites medizinisches Profil. Bisher von der WHO anerkannt ist die Wirkung bei Epilepsie. Erste Forschungsergebnisse deuten zudem auf eine Linderung bei Arteriosklerose, Autoimmunerkrankungen und Multipler Sklerose hin. Im Vergleich zu anderen Wirkstoffen hat CBD fast keine Nebenwirkungen und ist generell gut verträglich. Eine psychoaktive Wirkung hat CBD im Gegensatz zu THC hingegen nicht.

Auch deshalb greifen Patienten vermehrt auf eine Eigenbehandlung mit CBD zurück. Ein Trend, den auch Norbert Eilenbecker und André Steinmetz bestätigen können. Über die genaue Kundenzahl schweigen sich die Unternehmer zwar aus. Doch sie lassen durchblicken, dass ihr Kundenstamm deutlich größer ist, als die Zahl an Patienten, denen in Luxemburg medizinisches Cannabis verschrieben wird. Das Öl vertreibt die Firma „Cannad’our“ direkt, auf Werbung verzichtet sie. Den Kundenstamm habe man sich allein durch Mund-zu-Ohr-Empfehlungen aufgebaut, so Norbert Eilenbecker.

Doch wenn es nach der Regierung geht, soll es eigentlich nicht bei CBD bleiben. Blau-Rot-Grün will Cannabis, also auch THC, für den Freizeitgebrauch legalisieren. Bei den Hanfbauern trifft die Ankündigung aus dem Koalitionsprogramm von 2018 jedoch auf Skepsis. „Ich war eher enttäuscht. Wir bemühen uns seit Jahren mit dem Gesundheits- und dem Landwirtschaftsministerium zusammenzuarbeiten, damit nur der medizinische Nutzen unserer CBD-Extrakte anerkannt wird. Jedoch bisher ohne wirklichen Erfolg“, erklärt Norbert Eilenbecker. In den CBD-Shops würden etwa Produkte aus Österreich und der Schweiz verkauft, die Unterstützung für heimische Produkte sei jedoch quasi inexistent.

Luxemburgs Sonderweg bei CBD

Der rechtliche Rahmen bei CBD-Produkten ist dabei von Unklarheiten gekennzeichnet. Die EU klassifiziert CBD nach einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs offiziell nicht als Narkotikum, sondern als „Lebensmittel“. Luxemburg selbst geht seit 2020 allerdings einen Sonderweg. So werden CBD-Produkte zwar toleriert, gleichzeitig jedoch als reines Genussmittel und nicht als Lebensmittel oder Medikament besteuert. Seit dem  1. Januar 2020 entfällt auf alle CBD-Produkte neben einer Mehrwertsteuer von 17 Prozent zusätzlich eine Tabaksteuer von 33,75 Prozent. Mit Folgen für die zahlreichen CBD-Shops in Luxemburg, von denen einige bereits wieder schließen mussten.

„Wir wollen unsere Produkte von der Santé zertifiziert bekommen. Das ist schon schwierig genug“: Norbert Eilenbecker (l.) und André Steinmetz gehören zu den Pionieren des Hanfanbaus im Großherzogtum. (Foto: Gilles Kayser)

Der Frust über die Entscheidung der Regierung ist Sascha Theis noch immer anzusehen. Der Geschäftsmann aus dem Hunsrück betreibt mit seiner Firma „CBD24“ landesweit 18 Shops mit CBD-Automaten. In seiner Filiale in Grevenmacher findet er deutliche Worte für die Entscheidung der Regierung: „Die Tabaksteuer hat die Marge auf CBD-Produkte zerstört und wir waren gezwungen, die Preise zu erhöhen.“ Mit, laut Theis, absurden Folgen: „Es hat sich ein Schwarzmarkt für CBD-Produkte entwickelt, das haben mir einige meiner Kunden berichtet.“

Aktuell geht Sascha Theis vor dem Verwaltungsgericht rechtlich gegen die Tabaksteuer vor. Eine Entscheidung steht in dem Verfahren allerdings noch aus. Sollte die Klage abgewiesen werden, will Theis jedoch durch alle Instanzen gehen: „Im Fall der Fälle reiche ich Klage beim Europäischen Gerichtshof ein.“

Darauf angesprochen, ob er seine Geschäfte nur wegen der möglichen Legalisierung von Cannabis eröffnet habe, wiegelt Sascha Theis hingegen ab: „Das Geschäft mit THC-haltigem Cannabis interessiert mich nicht. Ich habe mit dem CBD-Handel angefangen, weil ich gesehen habe, wie es bei meiner Mutter, die an Fibromyalgie (Anm. d. Redaktion: eine chronische Schmerzerkrankung) leidet, gewirkt hat.“

Cannabis als Medizin

Während CBD-Produkte in Luxemburg weiterhin mit Tabakprodukten gleichgesetzt werden, erkennt die Regierung medizinisches Cannabis seit 2018 als Behandlungsmethode an. Anders als Nutzhanf, der nur bis zu 0.3 Prozent THC enthält, weist medizinisches Cannabis deutlich mehr von der psychoaktiven Substanz auf. Je nach Art kann in den getrockneten Blüten mehr als doppelt soviel THC enthalten sein wie CBD. Zuständig für den gesetzlichen Rahmen war die damalige Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP). Geregelt wurde die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke über eine Anpassung der Drogengesetzgebung. Seitdem sind Patienten, denen Cannabis durch einen Arzt verschrieben wird, von der Strafverfolgung befreit. Wem und wie medizinisches Cannabis verschrieben werden kann, ist in einem eigenen Règlement Grand-Ducal festgelegt.

Eine Indikation für die Behandlung mit medizinischem Cannabis gibt es unter anderem bei chronischen Schmerzerkrankungen, einer Chemotherapie bei Krebsleiden sowie bei muskulären Spastiken. Zudem müssen Ärzte, die medizinisches Cannabis verschreiben wollen, eine Weiterbildung absolvieren. Bisher sollen laut dem Interessenverband Cannamedica rund 150 Mediziner an einem solchen Kurs teilgenommen haben. Darüber, wer genau die Ausbildung absolviert hat, schweigt die Santé jedoch. So gibt es auch über drei Jahre nach der Teil-Legalisierung keine offizielle Liste mit Ärzten, an die sich Patienten wenden könnten.

Neben dem Verschreiben von Hanfblüten zu medizinischen Zwecken sieht das Gesetz auch die Möglichkeit vor, Cannabis-Öle und Tinkturen zu verschreiben. Allerdings nur, wenn diese nicht aus Industriehanf gewonnen werden. Zudem müssen die Produkte von der Gesundheitsbehörde zugelassen sein.

Frust und Lieferengpässe

Eigentlich war die Legalisierung von medizinischem Cannabis als Pilotprojekt angedacht und auf zwei Jahre festgelegt. Danach sollte Bilanz gezogen und über Anpassungen nachgedacht werden. Mit der Coronavirus-Pandemie rückten jedoch offensichtlich andere Prioritäten in den Fokus des Gesundheitsministeriums. Und so weiß momentan niemand, wie es mit dem Projekt weitergehen soll.

Line Olinger ist Präsidentin der Vereinigung „Cannamedica“ und setzt sich für die therapeutische Behandlung mit Cannabis ein. Auch sie zieht nach fast drei Jahren eine gemischte Bilanz: „Es ist zu begrüßen, dass in Luxemburg die Möglichkeit besteht, mit medizinischem Cannabis behandelt zu werden, wie das aktuell für rund 600 Patienten passiert.“ Doch es gebe noch hohe Hürden beim Zugang zur Behandlung. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass weiterhin nur Krankenhausapotheken medizinisches Cannabis abgeben dürfen, während jede beliebige Apotheke des Landes Morphine und Opioide verkauft“, erklärt die Juristin im Gespräch mit Reporter.lu.

Durch die Zentralisierung des Verkaufs komme es immer wieder zu Problemen in der Praxis. „Immer wieder kommen Patienten auf mich zu und beklagen sich über Lieferausfälle. Sie bekommen legal Cannabis verschrieben, das es am Ende aber nicht gibt“, berichtet Line Olinger.

Durchwachsene Erfahrungen

Da medizinisches Cannabis zwar legal ist, bisher jedoch kein Produzent in Luxemburg die Pflanzen selbst anbauen darf, ist das Ministerium auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen. Diese werden über europäische Ausschreibungen vergeben. Meist erhalten Produzenten aus Kanada den Zuschlag. So bestellte der Luxemburger Staat 2019 für 1,7 Millionen Euro medizinisches Cannabis bei der „Canopy Growth Germany GmbH“, dem deutschen Ableger eines kanadischen Großproduzenten.

Doch der Weg über europäische Ausschreibungen birgt auch Risiken bei der Versorgungssicherheit. So musste der damalige Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP) bereits 2019 eingestehen, dass die Regierung die Nachfrage nach medizinischem Cannabis unterschätzt hatte. Die Reserven an medizinischem Cannabis waren aufgebraucht und Patienten konnten nicht weiterbehandelt werden, so der Ex-Minister damals in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Piraten-Abgeordneten Sven Clement.

Die Regierung will laut ihrem Koalitionsprogramm THC-haltige Produkte auch für den Freizeitgebrauch legalisieren. Doch schon beim medizinischen Cannabis kam es mehrfach zu Lieferengpässen. (Foto: Shutterstock.com)

Auch momentan scheint es für die Gesundheitsbehörde eher schwierig zu sein, die Lieferungen von medizinischem Cannabis sicherzustellen. So musste das Ministerium den öffentlichen Auftrag für die Beschaffung von medizinischem Cannabis Anfang dieses Jahres erneut ausschreiben, weil offenbar niemand sich auf die Ausschreibung gemeldet hatte. Auch Sven Clement bestätigt auf Nachfrage von Reporter.lu, dass ihn momentan zahlreiche Berichte von Patienten erreichten, die nicht weiterbehandelt werden könnten. „Ich habe seit 2018 bereits vier Lieferengpässe gezählt. Wenn man medizinisches Cannabis als Medikament ansieht, ist das ein Unding. Niemand würde tolerieren, dass Aspirin nicht lieferbar wäre, aber bei medizinischem Cannabis werden die Patienten einfach vertröstet.“

In Kalborn bei „Cannad’Our“ geben Norbert Eilenbecker und André Steinmetz indes die Hoffnung nicht auf, irgendwann medizinisches Cannabis aus Luxemburg herzustellen. „Wir haben ein Architekten-Büro beauftragt, eine den Anforderungen der Santé entsprechende Produktionsstätte zu planen“, erklärt Norbert Eilenbecker. Zudem arbeite man daran, den Auflagen der GMP-Zertifizierung bei der Cannabis-Produktion zu entsprechen, so Eilenbecker zum Schluss. Das „Good Manufacturing Practice“-Zertifikat bescheinigt Lebensmittel- und Landwirtschaftsbetrieben, sich bei der Nahrungsmittelsicherheit an hohe Standards zu halten.

Etwas Klarheit darüber, wie die politische Zukunft des Cannabis aussieht, könnte es am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer geben. Auf Initiative des CSV-Parlamentariers Claude Wiseler soll über die Cannabispolitik der Regierung debattiert werden. Dabei dürfte auch die Frage eine Rolle spielen, inwiefern eine komplette Legalisierung realistisch erscheint, wenn die bisherigen Erfahrungen mit dem Hanf eher durchwachsen sind.


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