Die Legalisierung von Cannabis war eine Priorität der Neuauflage von Blau-Rot-Grün. Dann kam die Pandemie. Jetzt steht die Reform wieder auf der Tagesordnung. Experten warnen jedoch vor rechtlichen Fragen, die das Konzept der Regierung bisher ausklammert.

Die verantwortlichen Minister sind nicht mehr im Amt. Politische Prioritäten mussten angepasst werden. Die Voraussetzungen für eine der größten Reformen aus dem Koalitionsabkommen könnten sicherlich besser sein. Und dennoch: Die Regierung hält an ihrem Ziel einer Legalisierung von Cannabis fest. Dies beschloss eine interministerielle Arbeitsgruppe am 7. September, die unter anderem Vertreter des Gesundheits- und Justizministeriums umfasst.

Dabei ist die Wiederaufnahme der Vorbereitungen der Reform nicht nur eine Formalität. Mehrere gesetzestechnische Fragen stehen noch offen. Zudem müssen die Koalitionsparteien auch in den eigenen Reihen noch Überzeugungsarbeit leisten. Vor allem bei der älteren Generation der Abgeordneten von Blau-Rot-Grün gibt es nach wie vor Skeptiker bezüglich einer vollständigen Legalisierung von Cannabis-Produkten.

Seit Ende letzten Jahres stehen allerdings die Grundpfeiler der Reform. Cannabis soll national produziert, an 14 Stellen verkauft und pro Person auf 30 Gramm monatlich beschränkt werden. Laut dem Konzept, das REPORTER vorliegt und über das „Radio 100,7“ im Februar erstmals berichtete, wird der Eigenanbau hingegen illegal bleiben.

Legalisierung als „juristisches Neuland“

Das bis dahin vertrauliche Reformkonzept wurde noch unter Ex-Minister Etienne Schneider (LSAP) ausgearbeitet. Manche Fragen, die in dem von mehreren Beamten verfassten Dokument aufgeworfen werden, sind immer noch strittig. Problematisch könnten vor allem Faktoren sein, auf die Luxemburg wenig bis keinen Einfluss hat: Internationale Verträge, Steuerrichtlinien und die Außenpolitik der USA.

Wenn, und das ist ein wichtiges wenn, es der Regierung gelingt, ein plausibles Konzept auszuarbeiten, das den Gesundheitsschutz verbessert, könnte man über diesen Umweg das internationale Recht einhalten.“
Piet Hein van Kempen, Rechtsprofessor

„Luxemburg begibt sich mit der Legalisierung von Cannabis auf juristisches Neuland“, formuliert es Steve Rolles von der „Transform Drug Policy Foundation“ im Gespräch mit REPORTER. Es gibt nur wenige Länder auf der Welt, die diesen Schritt gewagt haben. Die, die es getan haben, verstießen allerdings bewusst gegen geltendes Recht. Das internationale Kontrollorgan für Betäubungsmittel rügte Uruguay, Kanada und die USA, da sie mehrere Verträge der Vereinten Nationen missachten. Luxemburg versucht dies nun zu umgehen.

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Fernand Kartheiser und Jeff Engelen (beide ADR) erklärte die Regierung allerdings, dass die Legalisierung nicht gegen internationales Recht verstoße. „Hauptziel von unserer Reglementierung ist es, die Gesundheit der Menschen, die Cannabis konsumieren, bestmöglich zu schützen“, schreiben das Außen-, Gesundheits- und Justizministerium in ihrer Antwort. Ein Ziel, das unter anderem auch durch die UN-Konventionen verfolgt wird, so die Minister.

Spagat auf der internationalen Bühne

Allerdings handelt es sich hierbei um eine fragwürdige Auslegung des internationalen Vertragswerks. „Der Vertrag macht ganz klar, dass nur die Repression von Drogen den Gesundheitsschutz erhöht“, sagt der Rechtsprofessor Piet Hein van Kempen von der Radboud University im niederländischen Nijmegen. Er sieht allerdings andere Möglichkeiten, wie der Staat mit dem gleichen Argument seine Legalisierungsbestrebungen mit internationalem Recht vereinbaren könnte.

Luxemburg steht mit dem Plan nämlich vor der gleichen Herausforderung wie bereits zuvor Kanada und Uruguay. Diese Staaten könnten versuchen, sich für eine Reform einzusetzen, dafür müssten aber zwei Drittel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zustimmen – realpolitisch ein nahezu unmögliches Vorhaben.

„Es gibt keinen Konsens in der UNO, aber um ihre Existenz zu rechtfertigen, muss sie so tun, als sei er möglich“, sagt ihrerseits Pien Metaal. Die Projekt Koordinatorin des „Transnational Institute“, das sich für eine Reform des Drogenrechts einsetzt, schlägt vor, das Problem anders anzugehen. Laut Metaal müsse ein Staat zuerst belegen, dass die Repression nicht funktioniert und dass dadurch das eigentliche Ziel des Vertrags verfehlt wird. Erst dann könne ein Staat argumentieren, dass Menschen ein Recht auf gute Gesundheit hätten und der Gesundheitsschutz durch eine Legalisierung zunehme.

Das Problem: Eigentlich wird erst ersichtlich, ob der Schutz zunimmt, wenn man die Legalisierung bereits umgesetzt hat. „Wenn, und das ist ein wichtiges wenn, es der Regierung gelingt, ein plausibles Konzept auszuarbeiten, das den Gesundheitsschutz verbessert, könnte man über diesen Umweg das internationale Recht einhalten“, erklärt der Rechtsprofessor Piet Hein van Kempen.

Regierung wirbt um Akzeptanz und Verständnis

Dies scheint auch der Weg zu sein, den die Regierung zu verfolgen versucht. Bereits seit Ankündigung der Pläne steht Luxemburg in ständigem Kontakt mit den anderen Mitgliedstaaten und Vertretern der Vereinten Nationen. „Ziel der UN-Drogenkonventionen ist es, das Wohlergehen des Menschen und die öffentliche Gesundheit in den Vordergrund zu stellen. Von Anfang an hat Luxemburg diese Prinzipien in internationalen Foren geteilt und verteidigt“, heißt es auf Nachfrage von REPORTER aus dem Außen- und dem Gesundheitsministerium.

Die Umsetzung genau dieser Ziele verfolge die luxemburgische Regierung auch jetzt mit der geplanten Regulierung von Cannabis. Laut der Regierung verstößt die Legalisierung also nicht unbedingt gegen internationales Recht. Die Regulierung von Cannabis stelle auch „keine Kehrtwende in Luxemburgs Außenpolitik dar“. „Luxemburg wird auch künftig ein hehrer Verfechter des internationalen Rechts bleiben“, so das offizielle Statement.

Die Regierung hält an ihrem Plan zur vollständigen Legalisierung von Cannabis fest. Wann jedoch der erste Luxemburger „Coffeeshop“ öffnet, steht noch lange nicht fest. (Foto: Martijn Baudoin via Unsplash)

Die Regierung müsse ihre internationalen Partner von dieser Interpretation noch vollends überzeugen. In den letzten Jahren habe in der internationalen Drogenpolitik „ein unverkennbarer Wandel stattgefunden“, heißt es aus den Ministerien. „Die Sichtweise zur Regulierung von Cannabis hat sich in einigen Teilen der Welt spürbar geändert.“ Um den Luxemburger Ansatz im Detail darzulegen, hätten denn auch eine Reihe von Arbeitsbesuchen stattgefunden.

Möglicher Fall für den Europäischen Gerichtshof

Dennoch ist es damit nicht getan. Luxemburg wäre das erste Land in der EU, das den Verkauf und den Besitz von Cannabis legalisiert. In den Niederlanden wird der Cannabis-Konsum zum Beispiel nur toleriert. Und das aus gutem Grund. Die Droge ist in der EU als illegale Substanz eingestuft. Auch hier könnte Luxemburg mit der gleichen Argumentation versuchen, einen Vertragsbruch zu umgehen. Allerdings ist der Verweis auf den Schutz der Gesundheit und der Menschenrechte im europäischen Vertragswerk nicht zwingend erfolgreich.

Sollte das Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof landen, schätzt Piet Hein van Kempen Luxemburgs Erfolgschancen als gering ein. „Es kommt nur selten vor, dass der Gerichtshof in Luxemburg Menschenrechte als Argument für einen Verstoß gegen einen Vertrag annimmt“, so der Rechtsprofessor von der Radboud University in Nijmegen.

Der rege Austausch mit unseren internationalen Partnern unterstreicht den Willen der Regierung, das Projekt der Regulierung von Cannabis auf möglichst transparente und kooperative Art und Weise anzugehen.“Statement des Außen- und des Gesundheitsministeriums

In erster Linie ist dies allerdings eine politische Frage. Entweder ein Mitgliedstaat oder die Europäische Kommission müsste gegen Luxemburg klagen. „Ich bin gar nicht sicher, ob es je zu einem solchen Fall kommen wird“, sagt der Jurist Piet Hein van Kempen.

Steve Rolles von der „Transform Drug Policy Foundation“ sieht dies ähnlich. „Luxemburg ist von Anfang an im ständigen Dialog mit den Nachbarstaaten, um genau das zu verhindern“, sagt der Drogenpolitik-Experte, der Luxemburgs Regierung bei der Ausarbeitung der Reform berät. „Der rege Austausch mit unseren internationalen Partnern unterstreicht den Willen der Regierung das Projekt der Regulierung von Cannabis auf möglichst transparente und kooperative Art und Weise anzugehen“, heißt es dazu auch aus dem Außen- und dem Gesundheitsministerium.

Frage der Besteuerung noch völlig offen

Sollte niemand gegen Luxemburg klagen, würde sich auch ein weiteres Problem in Luft auflösen: Die Frage der Besteuerung von Cannabis-Produkten. Die Ausgangslage ist in diesem Punkt nämlich klar: Laut europäischem Recht dürfen Mitgliedstaaten keine Steuern auf illegale Produkte erheben. Der Clou lautet jedoch: Cannabis wäre in Luxemburg ja dann nicht mehr illegal, auch wenn das auf EU-Ebene weiterhin der Fall bliebe.

Wie genau diese Steuern aussehen sollen, muss sich allerdings noch zeigen. Zu diesem doch zentralen Punkt der Legalisierungsstrategie schweigt nämlich das bisherige Konzept der Regierung. In dem Dokument wird lediglich erwähnt, dass der Preis des Endprodukts unter dem Wert auf dem Schwarzmarkt liegen müsse. Tatsächlich würde der Staat sonst auch nicht dem eigenen Anspruch des Gesundheitsschutzes gerecht werden.

Auf diese Frage angesprochen, weicht die Regierung weiterhin aus. Die Besteuerung von Cannabis sei „Gegenstand der noch stattfindenden Arbeiten im Rahmen der geplanten Regulierung von Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken“, so die Antwort aus dem Finanzministerium.

Legalisierung als Risiko für den Finanzplatz?

Eine letzte Hürde bleibt dennoch zu überwinden. Mit dem „Patriot Act“ erheben die USA nämlich Sanktionen gegen Banken, die durch den Verkauf von Cannabis Geld erwirtschaften. Das gilt sowohl für national als auch international agierende Banken. Da bereits elf US-Staaten den Weg einer Legalisierung beschritten haben, besteht allerdings großes Interesse an einer Gesetzesänderung.

Ein entsprechender Antrag wurde bereits vom Repräsentantenhaus angenommen und muss noch im US-Senat debattiert werden. Vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen im November wird der von den Republikanern kontrollierte Senat den Text aber wahrscheinlich nicht mehr verabschieden.

In Luxemburg wollen die Banken noch nicht auf die Pläne der Regierung reagieren. Auf Nachfrage erklärt die Bankenvereinigung „ABBL“, man habe sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt. Erst wenn ein Gesetzentwurf vorliege, werde die Bankenvereinigung Stellung beziehen. Wann das der Fall sein wird, wäre angesichts der vielen aktuell noch ausstehenden Fragen pure Spekulation.