Die Grünen haben Gefallen an der Regierungsarbeit gefunden. Ihre ausgesprochene Realpolitik hat sie in den vergangenen Jahren flexibel und attraktiv für jegliche Koalitionspartner gemacht. Ein Kommentar.
François Bausch und Claude Wiseler können gut miteinander. Regelmäßig treffen sie sich zum informellen Mittagessen. Politisch sind die beiden Pragmatiker oft auf einer Wellenlänge. In den vergangenen fünf Jahren durften sie das nach außen zwar nicht so zeigen. Doch der grüne Minister und der CSV-Spitzenkandidat verstehen sich. Wenn es rein nach den persönlichen Beziehungen der beiden Spitzenpolitiker geht, steht Schwarz-Grün nichts im Weg.
Diesen Eindruck konnten die Zuschauer auch bei der letzten „Kloertext“-Diskussionsrunde bei „RTL“ gewinnen. Bausch und Wiseler auf der einen Seite argumentierten vor allem in der Wachstumsfrage so, als wären sie längst schon Koalitionspartner. Ihnen gegenüber saßen Wirtschaftsminister und LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider sowie Fedil-Präsident Nicolas Buck. Beide traten als Verteidiger des traditionellen luxemburgischen Wachstumsmodells und somit immer wieder als Widersacher der schwarz-grünen Wachstumskritiker auf.
Vereint in der „Wachstumskritik“
Bausch und Wiseler warben wie schon seit einigen Wochen für eine wirtschaftliche Entschleunigung und Infragestellung dieses Modells. Bausch wollte in der Sendung noch nicht einmal von Wachstum sprechen. Wachstum sei ein „schlechter Begriff“ bzw. „als solches nicht unbedingt etwas Positives“, sagte der Nachhaltigkeitsminister. Stattdessen bevorzuge er den Begriff der positiven „Weiterentwicklung“ des Landes. Da fiel selbst Bauschs Kabinettskollegen, dem sonst so streit- und meinungslustigen Etienne Schneider erst einmal nichts mehr ein.
Was Déi Gréng dieser Tage unmissverständlich klarstellen: Ihre erste Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene soll nicht die letzte gewesen sein.“
Es ist nicht das erste Mal, dass die Gemeinsamkeiten von CSV und Déi Gréng in dieser Frage offen zutage treten. Etienne Schneider kann noch so oft betonen, dass man aus der „Wachstumsspirale“ nicht ohne Weiteres herauskomme und alle Wachstumskritiker vergessen würden, dass auch Luxemburgs großzügiger Sozialstaat auf diesem Modell beruht. Schwarz und Grün haben ihr Wahlkampfthema längst gefunden. Doch Wachstumskritik ist nicht gleich Wachstumskritik. Während es Bausch bei seiner Kritik nämlich klassisch und konkret um den Schutz von Umwelt und Natur geht, versteht Wiseler darunter fast schon wie ADR und „Wee 2050“ eher abstrakt das Bremsen der „Folgen des demografischen Wachstums“.
Bis zu der von manchen Medien fast schon herbei geschriebenen schwarz-grünen Koalition ist es also noch ein weiter Weg. Nicht nur arithmetisch – CSV und Grüne kommen aktuell gemeinsam nur auf 29 von 60 Sitzen im Parlament. Auch politisch ist ein gemeinsames Projekt Schwarz-Grün über die Gemeinsamkeiten im Wachstumsdiskurs hinaus noch nicht erkennbar. Doch dies trifft momentan wohl für alle Koalitionsoptionen zu. Auch Blau-Rot-Grün müsste sich bei allem Machthunger der drei Parteien im Fall einer Mehrheit nach den Wahlen erst einmal zusammensetzen und über ein Projekt für die kommenden fünf Jahre diskutieren.
Grüne realpolitische Flexibilität
Der Wahlkampf scheint jedenfalls mit vier realistischen Koalitionsoptionen so offen zu sein wie wohl noch nie. Die Grünen sind für diese Auseinandersetzung gut gerüstet. Das zeigten auch die internen Debatten über das Wahlprogramm am vergangenen Wochenende. Programmatisch gibt man sich flexibel, personell ist man trotz des Todes von Camille Gira und der Abgänge von Claude Adam, Viviane Loschetter und Françoise Folmer noch gut aufgestellt.
Eine Koalition mit der CSV würde weder an der Basis noch bei den Mandatsträgern zu Freudensprüngen führen.“
Angesichts des der Partei zum Teil aufgezwungenen Umbruchs wird es dabei mehr denn je auf die elektoralen Zugpferde François Bausch und Felix Braz ankommen. Auch der Umweltministerin Carole Dieschbourg wird nach ihrem unverhofften Aufstieg 2013 eine wichtige Rolle zugetraut. Sie alle vereint die Hoffnung: Die Wähler werden die geräuschlose Arbeit der grünen Minister schon honorieren. Und die Basis wird hoffentlich weiterhin darüber hinwegsehen, dass man ansonsten in der Dreierkoalition nicht allzu viel aus dem letzten Wahlprogramm umsetzen konnte.
Dabei lässt sich die Parteiführung keine Koalitionspräferenz entlocken. Hinter den Kulissen wird zwar klar geäußert, dass man bei einer Mehrheit für Blau-Rot-Grün gerne weiter in dieser Konstellation regieren wolle – am liebsten mit genau den gleichen Ministern und Ressorts. Eine Koalition mit der CSV würde weder an der Basis noch bei den Mandatsträgern zu Freudensprüngen führen. In der Partei erinnert man sich noch gut an die Wahlen von 2004, und noch mehr von 2009, als es gewisse Avancen der Juncker-CSV in Richtung der Grünen gab, die aber letztlich im Sand verliefen. Vor allem Bausch scheint diese Erfahrung der Ablehnung durch die Christsozialen nachhaltig geprägt zu haben, heißt es in der Partei.
Eine Präferenz und ein „Plan B“
Doch genauso klar ist, dass man sich bis zum Oktober die Hintertür für eine alternative Machtoption offenhalten will. Wie es Parteichef Christian Kmiotek mittlerweile bei jeder Gelegenheit betont, gab es auch in den vergangenen Jahren solche ernüchternden Erfahrungen. Mehrmals ließen DP und LSAP den „Juniorpartner“ bei seinen Forderungen einer ökologischen Agenda auflaufen. Im Wahlkampf positionieren sich jetzt alle drei Regierungsparteien als eigenständige, nicht unbedingt auf Blau-Rot-Grün fixierte Kräfte. Das einstige „Regieren auf Augenhöhe“ gehört längst der Vergangenheit an. Die CSV darf sich bis auf Weiteres zurücklehnen und zusehen.
Neben den persönlichen Beziehungen könnte dabei die pragmatische und loyale Regierungsarbeit der Grünen in den vergangenen Jahren noch entscheidend sein.“
Kein Wunder also, dass man sich nicht festlegt. Neben den persönlichen Beziehungen könnte dabei die pragmatische und loyale Regierungsarbeit der Grünen in den vergangenen Jahren noch entscheidend sein. Der Realo-Ruf der Luxemburger Grünen ging in den vergangenen Jahren sogar so weit, dass Bausch und Co. im Ausland schon als Ratgeber gefragt waren. So etwa im Vorfeld der Sondierungsgespräche für eine „Jamaika“-Koalition in Deutschland Ende des vergangenen Jahres. Hier nahm sich die Parteiführung der deutschen Grünen dem Vernehmen nach neben Erfahrungen in den Bundesländern auch die langjährige blau-grüne Koalition in Luxemburgs Hauptstadt zum inspirierenden Vorbild.
Was Déi Gréng mit anderen Schwesterparteien im Ausland sicher gemeinsam haben und dieser Tage unmissverständlich klarstellen: Ihre erste Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene soll nicht die letzte gewesen sein. Die Partei schämt sich nicht mehr, nach der Macht zu streben. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Und dafür wird sie unabhängig von der Konstellation erneut bereit sein, die eine oder andere programmatische Kröte zu schlucken.