Knapp ein Jahr haben es die ADR und die Piratenpartei in ihrem „Groupe technique“ gemeinsam ausgehalten. Jetzt gehen beide Parteien im Parlament wieder getrennte Wege. Vor allem für die Piraten dürfte dieser Schritt eine befreiende Wirkung haben. Ein Kommentar.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung verkünden ADR und Piratenpartei das Ende ihrer Zusammenarbeit als „Groupe technique“. Zum Jahresende soll Schluss sein mit der politisch umstrittenen Formation. Umstritten war sie deshalb, weil die Piraten nach den vergangenen Wahlen entgegen anders lautender Ankündigungen eine Kooperation mit der konservativen, in Teilen rechtspopulistischen Partei eingegangen waren.
Als Begründung führen die Partner die rezente Erhöhung der finanziellen Hilfen für Fraktionen und „sensibilités politiques“ im Parlament an. Damit habe sich die pragmatische Kooperation letztlich erübrigt. Damit geben die Parteien freimütig zu, worum es ihnen von Beginn an bei ihrer ungewöhnlichen Zusammenarbeit gegangen war: um Geld.
Wie REPORTER im vergangenen Jahr zum Anlass des neuen „Groupe technique“ berichtet hatte, brachte die Kooperation vor allem finanzielle Vorteile für beide politische Gruppierungen. Aber auch ganz persönlich sollten die Koordinatoren der gemeinsamen Gruppe profitieren. Konkret heißt das, dass Gast Gibéryen (ADR) durch das Ende der Kooperation auf rund 45.000 Euro pro Jahr verzichtet, das ihm als bisheriger Koordinator der ADR-Piraten-Gruppe zustand.
Piraten entschuldigen sich für ihren „Fehler“
Die Auflösung des „Groupe technique“ wird aber vor allem für die Piratenpartei spürbare Folgen haben, die nicht nur finanzieller Natur sind. Vor allem die beiden Neu-Abgeordneten Sven Clement und Marc Goergen waren vor einem Jahr nämlich wegen ihrer Kooperation mit der ADR in die Kritik geraten – nicht zuletzt aus den eigenen Reihen. Damals verwahrten sich beide Piraten noch gegen den Vorwurf, es ginge dabei vor allem ums Geld. Mit einem Jahr Verspätung geben sie ihren damaligen Kritikern aber recht.
Den Piraten hätte von Beginn an klar sein müssen, dass sie durch die Zusammenarbeit mit der ADR Gefahr laufen, sich selbst politisch zu schaden.“
Dabei dürften letztlich auch politische bzw. innerparteiliche Gründe eine Rolle gespielt haben. In einer internen Mitteilung an ihre Mitglieder geht die Piraten-Führung nämlich näher auf ihre Beweggründe ein. Der „Groupe technique“ habe bei manchen Mitgliedern für Enttäuschung gesorgt, heißt es dort etwa. Diese Bedenken seien über das vergangene Jahr konstant geblieben. Die Kooperation mit der ADR habe so von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden. Heute sehe man aber ein: „de Groupe technique war e Feeler“.
Mehr noch: Die Parteiführung entschuldigt sich bei ihren Mitgliedern für ihren „Fehler“. Man habe durch den „Groupe technique“ zwar eine solide Basis für die eigene parlamentarische Arbeit aufbauen können. Gleichzeitig habe man aber auch „e puer vun eisen Memberen virun de Kapp gestouss. Dofir wëlle mir eis bei Iech entschëllegen.“
Reichlich späte, aber vorhersehbare Einsicht
Für eine politische Partei ist dies sicher ein ungewöhnlich ehrliches Eingeständnis. Doch es kommt reichlich spät. Den Piraten im Parlament hätte von Beginn an klar sein müssen, dass sie durch die Zusammenarbeit mit der ADR Gefahr laufen, sich selbst politisch zu schaden. Zur Erinnerung: Sven Clement hatte die Kooperation mit der ADR noch kurz vor ihrer Verkündung deutlich kritisch gesehen, wie die „Woxx“ damals berichtete.
Auch ohne die Kooperation mit der ADR hatten sich bereits einige Mitglieder und Sympathisanten von der Piratenpartei abgewendet. Über den pragmatischen Zusammenschluss mit der Rechtspartei erfuhren die meisten Parteimitglieder aus den Medien. Der „Groupe technique“ war denn auch nur der vorläufige Höhepunkt der rezenten Entwicklung der Piraten von einer Programmpartei zu einer Ansammlung von Karrieristen und Opportunisten ohne politisch-inhaltlich nachvollziehbare Substanz – und zunehmend ohne nennenswerte Parteibasis.
Keine politische Distanzierung von Rechts
Bei der aktuellen Entscheidung hätte man sich denn auch erwarten können, dass die Piraten aus politischen Gründen einen Schlussstrich unter die Zusammenarbeit mit der ADR ziehen. Denn die Entscheidung kommt in einer Zeit, in der die ADR mal wieder wegen fremdenfeindlichen Aussagen eines Parteimitglieds in den Schlagzeilen steht. Doch die „Affäre Sylvie Mischel“ war offenbar nicht der Grund, warum die kurze politische Ehe zwischen den ungleichen Partnern in die Brüche ging.
Clement, Goergen und Co. können jetzt zeigen, dass es ihnen um mehr als nur um Geld und den Genuss der Vorzüge des parlamentarischen Betriebs geht.“
Zwar halten die Piraten in der Mitteilung an die eigene Basis fest: „D’Piraten sinn eng oppen Partei, eng Partei, déi fir fräiheetlech Wäerter asteet an de Mënsch an de Mëttelpunkt stellt.“ Doch bei diesem abstrakten Bekenntnis bleibt es letztlich. Anders als von den übrigen Parteien gibt es an dieser Stelle und bis heute keine deutliche Distanzierung der Piraten von den rechtspopulistischen Auswüchsen ihres Kooperationspartners im Parlament.
Die Chance zum „Reboot“ der Piratenpartei
Dennoch könnte der jetzige Schritt für die Piraten durchaus eine Chance sein. Der Überraschungssieger der Parlamentswahlen 2018 war im vergangenen Jahr nur allzu oft mit sich selbst beschäftigt. Gleichzeitig erwiesen sich die beiden Abgeordneten Clement und Goergen jeweils aber durchaus als lernfähig. Reagierten sie bisher noch allzu allergisch auf Sticheleien der politischen Konkurrenz und betitelten kritische Medienberichte als „Fake News“, konzentrieren die Neu-Parlamentarier sich mittlerweile mehr auf ihren eigentlichen Job als Volksvertreter in der Opposition.
Unabhängig von der künftigen politischen Ausrichtung der Piratenpartei, hat sie jetzt zumindest die Chance, ihren selbst eingestandenen „Fehler“ wieder gut zu machen. Bis zu den nächsten Wahlen sind es noch fast vier Jahre. Also reichlich Zeit, damit die Wähler ihnen das machtpolitische Husarenstück verzeihen oder es zumindest vergessen. Bis dahin können Clement, Goergen und Co. zeigen, dass es ihnen um mehr als nur um Geld und den Genuss der Vorzüge des parlamentarischen Betriebs geht.
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