Der Deal zwischen ADR und Piratenpartei hat vor allem finanzielle Vorteile für beide Parteien. Auch ganz persönlich werden die Koordinatoren der „groupe technique“ von der Zusammenarbeit im Parlament profitieren. Mehr politischer Einfluss ist dagegen fraglich.

Die Ankündigung einer Zusammenarbeit zwischen ADR und Piratenpartei im Parlament stieß in der Öffentlichkeit auf gemischte Reaktionen. Unabhängig von der politischen Bewertung des neuen „groupe technique“ bringt die Kooperation für beide Parteien aber klare Vorteile – vor allem in finanzieller Hinsicht.

So werden ADR und Piraten künftig mehr Geld für die Einstellung von Personal erhalten. Als „groupe technique“ stehen ihnen gemeinsam Zuschüsse in Höhe von knapp 90.000 Euro pro Jahr zu. Wie es in der Vereinbarung beider Parteien festgehalten wurde, werden die neuen Mittel zu zwei Dritteln an die ADR und zu einem Drittel an die Piratenpartei gehen.

Dabei handelt es sich um sogenannte „Crédits de fonctionnement“, die das Parlament an alle Fraktionen (bzw. Gruppen mit mindestens fünf Abgeordneten) überweist. Die zusätzlichen Mittel können für Personalkosten, Informatik oder sonstige Funktionskosten verwendet werden, erklärt die Parlamentsverwaltung auf Nachfrage. Unabhängig davon erhalten die im Parlament vertretenen Parteien laut dem Wahlgesetz bereits eine finanzielle Unterstützung von je mindestens 50.000 Euro im Jahr sowie von je 10.000 Euro pro gewählten Abgeordneten.

Mehr Gehalt für die Koordinatoren

Doch auch ganz persönlich lohnt sich der Deal – zumindest für die „Koordinatoren“ der ADR-Piraten-Gruppe. Auch diesen Posten wollen sich ADR und Piraten künftig nach dem gleichen Schlüssel aufteilen. 40 Monate wird die ADR diesen Posten stellen, danach übernehmen die Piraten für 20 Monate.

Der Koordinator einer „groupe technique“ ist laut dem Reglement der Abgeordnetenkammer dem Präsidenten einer Fraktion gleichgestellt. Das heißt, dass die Person, die diese Funktion ausübt, auch ein Anrecht auf das Gehalt eines Fraktionschefs erhält. Das macht im Monat einen Zuverdienst von ca. 3.700 Euro bzw. rund 45.000 Euro pro Jahr.

Gast Gibéryen, der dem „Tageblatt“ bereits bestätigte, dass er diesen Posten übernehmen werde, würde so über die kommenden Jahre fast 150.000 Euro mehr verdienen als in seiner Funktion als gewöhnlicher Abgeordneter. Sven Clement, der voraussichtliche Koordinator der Piraten könnte sein Gehalt als Abgeordneter am Ende der Legislaturperiode um insgesamt rund 74.000 Euro aufgebessert haben.

Die Gehälter der Abgeordneten

Ein Abgeordneter in Luxemburgs Parlament verdient laut dem Wahlgesetz als Grundgehalt ca. 7.200 Euro brutto pro Monat (Stand: November 2018), die Hälfte davon ist von der Einkommensteuer und den Rentenbeiträgen befreit. Fraktionschefs bzw. Leiter von technischen Gruppen verdienen zusätzlich rund 3.700 Euro, also insgesamt jeweils rund 10.900 Euro pro Monat. Der Parlamentspräsident erhält eine monatliche Vergütung von insgesamt knapp 12.800 Euro.

Hinzu kommen für alle Abgeordneten unter anderem eventuelle Familienzulagen und Aufwandsentschädigungen für Reisekosten im In- und Ausland. Unabhängig von Fraktionsstatus und Position der Abgeordneten zahlt das Parlament weitere besondere Vergütungen, etwa Sitzungsgelder pro Teilnahme an Sitzungen im Plenum und in Ausschüssen (die sogenannten „jetons de présence“). Diese Beträge variieren wesentlich zwischen den Abgeordneten, werden aber im Durchschnitt auf rund 1.000 Euro pro Monat beziffert.

Piraten wollen noch Details klären

Sven Clement gilt in den Medien als der aussichtsreichere Kandidat der Piraten für den lukrativ entlohnten Posten. Wie der Parteipräsident auf Nachfrage von REPORTER betont, habe er sich mit seinem Partei- und Abgeordnetenkollegen Marc Goergen über diese Frage aber noch nicht ausgetauscht.

„Es würde mich freuen, diesen Posten zu übernehmen, aber dazu gibt es noch keinen formalen Beschluss“, sagt Clement. Er sei zudem dafür, die Frage zügig zu klären und die Funktion des Koordinators für die 20 Monate, die seiner Partei laut der Vereinbarung zustehen, auch nicht auf zwei Personen aufzuteilen.

Während die finanziellen Vorteile einer „groupe technique“ auf der Hand liegen, halten sich die dadurch erhaltenen zusätzlichen Einflussmöglichkeiten in Grenzen.“

Man habe sich zudem dazu entschlossen, einen Teil der beiden regulären Abgeordnetengehälter an die Parteizentrale zu überweisen. Bei den Piraten macht das 15 Prozent des steuerfreien Teils des Gehalts bzw. 7,5 Prozent der gesamten Vergütung eines Abgeordneten aus. Auch 15 Prozent der Prämie des Koordinators gehen laut Clement in jedem Fall an die Partei.

Bei anderen Parteien gelten ähnliche Regelungen, jedoch meist mit höheren Anteilen. Am meisten führen die Parlamentarier von Déi Lénk an ihre Partei ab, nämlich laut den Parteistatuten den gesamten steuerbefreiten Teil bzw. mindestens die Hälfte des Gehalts eines Parlamentariers.

„Etwas mehr als den Mindestlohn“

Insgesamt können die Piraten im Parlament mit rund 100.000 Euro an Zuschüssen pro Jahr planen. Damit wird vor allem das Personal bezahlt, das Clement und Goergen bereits eingestellt haben. Dazu zählt die neue Fraktionssekretärin Nathalie Goedert sowie zweieinhalb weitere Stellen als „Attachés parlementaires“.

Durch die Kooperation mit der ADR könne man schließlich noch eine weitere Person einstellen, die höchst wahrscheinlich ein juristisches Profil erfüllen soll, so Sven Clement im Gespräch mit REPORTER. Ebenso erklärt der Abgeordnete, dass seine Mitarbeiter alle „etwas mehr als den Mindestlohn“ verdienen würden. Auch in diesem Punkt unterscheiden sich die Piraten von den etablierten Parteien, die ihre Fraktionsmitarbeiter in der Regel nach den im Öffentlichen Dienst üblichen Gehältern entlohnen.

Jenseits der finanziellen Vorzüge

Während die finanziellen Vorteile einer „groupe technique“ auf der Hand liegen, halten sich die dadurch erhaltenen zusätzlichen Einflussmöglichkeiten in Grenzen. An der Präsenz in den regulären Ausschüssen ändert die Kooperation jedenfalls nichts. Auch in anderen Punkten sind die Unterschiede zwischen einer „groupe technique“ (wie ADR und Piraten) und einer „sensibilité politique“ (wie Déi Lénk) nicht mehr allzu groß.

Das liegt nicht zuletzt an der jüngsten, überparteilich getragenen Reform des Reglements der Abgeordnetenkammer aus dem Jahre 2014. Die Details dazu lesen Sie hier: Die neuen Rechte der „sensibilités politiques“

Eine Ausnahme bildet jedoch die Geheimdienst-Kontrollkommission. Dort sind jeweils ein Mitglied der Fraktionen und technischen Gruppen vertreten. Ohne die Zusammenarbeit als „groupe technique“ hätten weder ADR noch Piratenpartei ein Recht, an den streng vertraulichen Sitzungen in dem Kontrollgremium teilzunehmen.

Sven Clement ist dieser Punkt besonders wichtig. „Es reizt mich schon, Mitglied in der SREL-Kontrollkommission zu sein.“ Das liege aber nicht unbedingt an politischem Voyeurismus oder persönlichem Interesse am Geheimdienst, sondern vielmehr am eigenen Wahlprogramm, in dem man sich für eine Reform des „Service de Renseignement de l’État“ ausspricht. Dafür muss sich der Piraten-Politiker jedoch noch etwas gedulden. Denn auch hier kommt laut Abmachung zunächst die ADR zum Zug.


Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels stand, dass im Parlament vertretene Parteien laut dem Wahlgesetz Anrecht auf eine finanzielle Unterstützung von 50.000 Euro pro gewählten Abgeordneten haben. Das ist falsch. Richtig ist, dass kleine Parteien wie die ADR und die Piratenpartei insgesamt 50.000 Euro an Parteienfinanzierung erhalten sowie jeweils 10.000 Euro pro gewählten Abgeordneten.