Parteichef Frank Engel sorgt immer wieder für Kontroversen innerhalb der CSV. Der vor zwei Jahren unterlegene Kandidat Serge Wilmes kritisiert das Bild, das seine Partei nach außen abgibt. Ein Gespräch über parteiinterne Konfrontationen, Kernkompetenzen und machtpolitische Manöver.

Interview: Christoph Bumb

Serge Wilmes, was halten Sie eigentlich von einer Erbschaftssteuer in direkter Linie?

Diese Frage wurde von der Partei mittlerweile klar beantwortet. Das kommt für uns nicht in Frage. Die CSV will, dass Erbschaften innerhalb der Familie möglich sein sollen, ohne dass es hier zu einer zusätzlichen Besteuerung kommt. Unsere Steuerexperten in der Fraktion haben das klar und deutlich erklärt. Damit ist diese Diskussion für uns auch abgeschlossen.

Was halten Sie von einer neuen Vermögensteuer?

Ebenso. Ich bin nicht der Steuerexperte. Ich weiß aber, dass das Vermögen von Privatleuten in der Regel vorher schon einmal besteuert wurde. Eine Vermögensteuer ist für die CSV nicht der richtige Weg. Allerdings setzen wir uns natürlich für mehr Steuergerechtigkeit ein. Dazu gehört die Forderung, dass es im Zuge einer nächsten Steuerreform zu einer deutlichen Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen kommen soll. Zudem wollen wir den Grundfreibetrag in der Steuertabelle erhöhen und weitere Steuerkredite für Niedriglohnempfänger einführen.

Erbschafts- und Vermögensteuer waren zwei Forderungen von Frank Engel, für die der CSV-Präsident von der eigenen Partei schnell zurückgepfiffen wurde. Auch ganz rezent stellte sich die CSV-Fraktion wieder frontal gegen den Parteichef. Wie lange kann so eine Konstellation noch gutgehen?

Natürlich muss man innerhalb einer Volkspartei über alle möglichen Dinge sprechen können. Aber dann muss das auch zuerst innerhalb der Partei geschehen und man muss sich auch die nötige Zeit nehmen, um eine Position auszuformulieren. Das gilt ganz besonders für eine so komplexe Materie wie die Steuerpolitik. Dass es besser wäre, das erst einmal mit den eigenen Parteikollegen zu besprechen – zu dieser Erkenntnis ist der Parteichef ja dann auch schnell selbst gekommen. Dass unsere Fraktion immer wieder gezwungen wird, Dinge klarzustellen, die eigentlich klar sein sollten – das ist allerdings alles andere als optimal.

Es gab nach der Wahl eine Anfrage von den Grünen, um über eine Zusammenarbeit in der Hauptstadt zumindest zu diskutieren. Man muss aber immer aufpassen, wie ernst solche Gesprächsangebote gemeint sind.“

Schaut man sich die wiederholte Konfrontation zwischen Parteichef und Fraktion an, könnte man meinen: Es war wohl noch nie so einfach, um einen amtierenden Parteivorsitzenden der CSV im Amt abzulösen …

Dafür muss zuerst mal jeder für sich entscheiden, was er denn will. Ich habe bisher noch nicht gehört, dass der aktuelle Parteipräsident noch einmal antreten will. Und auch sonst hat sich noch kein Interessent offiziell gemeldet. Fest steht, dass die Mandate des Parteivorsitzenden und des Generalsekretärs der CSV nach zwei Jahren jetzt auslaufen. Ende April steht die nächste Wahl dieser Posten an. Da soll sich jeder, der sich dazu berufen fühlt, melden. Es stehen jedenfalls zwei überaus wichtige Jahre an. Wer auf dem nächsten Kongress zum Parteichef gewählt wird, wird voraussichtlich auch bei der ganzen Wahlkampagne des Jahres 2023 federführend sein. Das ist also durchaus eine wichtige Entscheidung, denn 2023 wird bekanntlich ein ‚Superwahljahr“, in dem sowohl National- als auch Kommunalwahlen stattfinden.

Sie selbst sind 2019 gegen Frank Engel bei der Wahl zum Parteivorsitzenden angetreten und waren ihm knapp unterlegen. Treten Sie dieses Mal wieder an?

Ich weiß zwar, dass man im Leben niemals nie sagen sollte. Das tue ich auch nicht. Zum aktuellen Zeitpunkt ist es aber höchst unwahrscheinlich, dass ich mich nochmals um eine solche Kandidatur bewerben werde.

Warum?

Als Erster Schöffe und Abgeordneter habe ich zwei Mandate, die ich sehr gerne ausübe und auf die ich mich voll konzentrieren möchte. In der Hauptstadt stehe ich in der Verantwortung, konkret Politik zu gestalten. Damit kann ich auch zeigen, dass die CSV nicht zur Opposition verdammt ist, wie es seit 2013 auf nationaler Ebene scheint. Das gilt übrigens nicht nur in der Hauptstadt, sondern in vielen Gemeinden, in denen unsere Mandatsträger zeigen, wie eine moderne christlich-soziale Politik ganz konkret aussehen kann. Das ist auch für mich persönlich die Priorität für die kommenden Jahre.

Bei den Gemeindewahlen 2017 ging die CSV mit Serge Wilmes als Spitzenkandidat in der Hauptstadt als klarer Wahlsieger hervor. Seitdem ist der 38-Jährige Erster Schöffe in einer Koalition mit der DP. Seit 2011 ist der studierte Historiker Mitglied der Abgeordnetenkammer. (Foto: Eric Engel)

Der Parteivorsitz ist eine Frage. Eine andere betrifft die Spitzenkandidatur der CSV. Da scheint das Rennen so offen wie wohl noch nie. Trauen Sie sich die Kandidatur zu?

Das ist natürlich eine interessante Frage. Es ist aber noch viel zu früh, um sie zu beantworten. Ich plädiere dafür, die Spitzenkandidatur zum richtigen Zeitpunkt offen und kreativ zu diskutieren. Vor den letzten Wahlen gab es mit Claude Wiseler einen klaren Premierkandidaten. 2023 werden wir jedoch schon zehn Jahre in der Opposition sein. Für mich ändert das auch die Voraussetzung für die ultimative Personalfrage. Vielleicht gibt es auch andere Modelle, an denen wir uns orientieren könnten. Ich denke etwa an die DP, die 2013 nicht mit einem nationalen Spitzenkandidaten angetreten ist, sondern mit vier. Andere Parteien haben zwei Spitzenkandidaten bzw. -kandidatinnen pro Bezirk aufgestellt. Letztlich geht es doch darum, dass die CSV alle Kräfte bündelt, um sich als wirkliche Alternative zur Regierung aufzudrängen. Da sollte man diese Fragen offen diskutieren.

Die Frage war eigentlich, ob Sie als Spitzenkandidat zur Verfügung stehen…

Jetzt stehen 2023 erst einmal die Gemeindewahlen an. Da will ich wie schon 2017 die CSV gerne als Spitzenkandidat in die Wahlen führen. Die Parlamentswahlen finden dann ein paar Monate später statt. Als CSV sollte es uns darum gehen, die gute Dynamik der vergangenen Kommunalwahlen zu bestätigen und dann auch in den nationalen Wahlkampf mitzunehmen. Wir sollten Schritt für Schritt vorgehen.

Ich habe eine sehr gute Beziehung zu Xavier Bettel. Wir sind beide sehr offen im Umgang mit unseren Mitbürgern. Das ist für mich auch eine der wichtigsten Kompetenzen für einen Politiker.“

Apropos Schritt für Schritt: Es soll ja Leute geben, die Sie mit Xavier Bettel vergleichen. Ist das eigentlich ein Kompliment oder für einen CSV-Politiker eher ein vergiftetes Lob?

Das habe ich in der Tat schon öfter gehört. Natürlich ist aber jede Person einzigartig. Ich gebe aber gerne zu: Ich habe eine sehr gute Beziehung zu Xavier Bettel. Wir sind beide sehr offen im Umgang mit unseren Mitbürgern. Das ist für mich auch eine der wichtigsten Kompetenzen für einen Politiker: Dass man gerne mit Menschen spricht, ihnen zuhört und sich für sie einsetzt. Das ist wohl der Grund, warum Manche da Parallelen erkennen. Ansonsten sind die Situationen aber nicht vergleichbar. Als gelernter Historiker weiß ich auch, dass sich Geschichte nicht wiederholt, falls das die nächste Frage wäre …

Die nächste Frage wäre eher: Neben dem Umgang mit Menschen ist eine Kernkompetenz von Politikern auch der Wille zur Macht. Den kann man Xavier Bettel sicher nicht absprechen. Sie persönlich haben aber zumindest einmal gezögert, nach der Macht zu greifen: 2017 hatte die CSV die rechnerische Möglichkeit, in einer Koalition mit Grünen und Sozialisten den Bürgermeister zu stellen. Sie haben sich aber für die „sichere“ Variante des Juniorpartners der DP entschieden. Wollten Sie nicht Bürgermeister werden?

Das war in der Tat eine rein rechnerische, also theoretische Möglichkeit. Praktisch war es keine wirkliche Option. Es gab nach der Wahl eine Anfrage von den Grünen, um über eine Zusammenarbeit in der Hauptstadt zumindest zu diskutieren. Man muss aber immer aufpassen, wie ernst solche Gesprächsangebote gemeint sind. Unser Ziel als CSV war es, dass wir gestärkt aus den Wahlen hervorgehen, damit bei der Koalitionsbildung kein Weg an uns vorbeiführt. Wir haben zwei Sitze hinzugewonnen. Die Liberalen blieben in der Stadt die stärkste Partei, deshalb war es für mich normal, dass wir zuerst mit ihnen sprechen. Wir wollten auch nicht riskieren, dass wir durch Gespräche mit anderen Parteien am Ende doch wieder in der Opposition landen.

Lange galt Serge Wilmes als Hoffnungsträger der CSV. 2019 musste er sich jedoch Frank Engel in der Wahl um den Parteivorsitz knapp geschlagen geben. Seitdem ist nicht nur das Verhältnis der beiden Politiker, sondern zwischen Fraktion und Parteichef merklich angespannt. (Foto: Eric Engel)

Die Angst vor einem taktischen Manöver der Grünen war also stärker als der Wille, den Bürgermeisterposten zu übernehmen?

Es geht in der Politik um inhaltliche Schnittmengen, aber auch um eine Vertrauensbasis, die über längere Zeit aufgebaut werden muss. Im Verhältnis zwischen CSV und DP war und ist das auf Gemeindeebene der Fall. Hätten wir uns auf experimentelle Gespräche eingelassen, wäre dieses Vertrauen wohl schnell verspielt gewesen. Die vergangenen drei Jahre geben mir letztlich Recht, denn wir arbeiten sehr kollegial und vertrauensvoll zusammen.

Apropos Vertrauensbasis: Nach Ihrer Niederlage gegen Frank Engel, haben Sie den Parteichef in einem Interview scharf kritisiert. Es gehe ihm nicht um das Wohl der Partei, sondern vor allem um seine persönlichen Ambitionen, so ein Zitat von Ihnen. Frank Engel ließ sich später zur Aussage verleiten, dass er keinen Bedarf dafür sehe, überhaupt noch mit Ihnen zu sprechen. Ist es mittlerweile zu einem klärenden Gespräch gekommen?

Wir haben zwei Mal miteinander gesprochen. Einmal Anfang des vergangenen Jahres und einmal etwas später. Seitdem macht jeder seine Aufgabe weiter.

Wir müssen als geschlossenes Team auftreten: Das heißt für mich auch, dass ein Parteipräsident nicht das Bild von sich vertreten sollte, dass er alles weiß und alles alleine kann.“

Frank Engel und die CSV-Fraktion geraten immer wieder aneinander. Ist das nicht eine untragbare Situation, die der ganzen Partei schadet?

Für mich ist es wichtig, dass die Partei als Team auftritt. Das ist auch eine Forderung, die ich von vielen Mitgliedern höre, wenn es um die Vorstandswahl im kommenden April geht. Das ist übrigens genau das, was ich 2019 in meiner Bewerbungsrede hervorgehoben hatte. Wir müssen als geschlossenes Team auftreten: Das heißt für mich auch, dass ein Parteipräsident nicht das Bild von sich vertreten sollte, dass er alles weiß und alles alleine kann. Die Partei wird eben nicht von einer Person angeführt, sondern von einem Team aus Parteichef, Generalsekretär und Fraktionschef. Um eine Partei zu führen, kann man nicht immer auf Alleingänge setzen. Man muss auch die Abgeordneten und die anderen Mandatsträger, und natürlich auch unsere vielen motivierten Mitglieder einbinden.

Ein Parteichef, der öffentlich zurückgepfiffen werden muss und aus den eigenen Reihen hart kritisiert wird: Wäre es nicht eine logische Konsequenz, wenn einer seiner Kritiker sich mit offenem Visier der Wahl zum Parteivorsitz stellt?

Jedes CSV-Mitglied weiß, dass am 24. April ein Parteitag ansteht. Und jeder, der die Lage so einschätzt und sich das zutraut, kann eine Kandidatur stellen. Wir sind eine demokratische Partei und da sollten Wahlen kein Zeichen der Schwäche sein. Der aktuelle Parteichef ist nicht das einzige Gesicht der Partei. Es geht in den kommenden Monaten darum, ein Team zusammenzustellen, das auch als Team auftritt und die CSV in das enorm wichtige Wahljahr 2023 führen kann. Alles Weitere wird sich zeigen.


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