Die Immobilienpreise in der Hauptstadt laufen aus dem Ruder. Dabei trägt auch die Politik einen Teil der Verantwortung, die sich die unterschiedlichen Akteure gegenseitig zuschieben. Auf kommunaler Ebene neigen die politisch Verantwortlichen mittlerweile zur Resignation.
Laut diversen Rankings gehört Luxemburg-Stadt zu den teuersten Städten der Welt. Die neuesten Zahlen deuten darauf hin, dass sich an dieser zweifelhaften Spitzenposition so schnell auch nichts ändern wird. Die Preisentwicklung zeigt seit Jahren steil nach oben und ist kaum noch aufzuhalten.
Eine systematische Recherche von Reporter.lu zu den aktuellen Immobilienanzeigen ergab, dass der durchschnittliche Quadratmeterpreis in der Hauptstadt bereits an der 13.000-Euro-Grenze kratzt. In den meisten Stadtteilen stiegen die angezeigten Preise in den vergangenen vier Jahren jeweils um mehr als zehn Prozent – jedes Jahr.
Schon länger versuchen die politischen Verantwortlichen der Hauptstadt stärker in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Doch in Luxemburg-Stadt offenbart sich nicht nur das Grundproblem des fehlenden Angebots. Es hapert auch an der Umsetzung von politischen Lösungen wie die mühsame Nutzung des Vorkaufsrechts, der schleppende Bau von Sozialwohnungen oder die weitgehende Ausblendung von steuerpolitischen Maßnahmen.
Zunehmende soziale Ausgrenzung
„Es wundert mich nicht, dass Hamm als einziges Viertel einen Durchschnittspreis von weniger als 10.000 Euro pro Quadratmeter aufzeigt“, sagt Guy Foetz (Déi Lénk) im Gespräch mit Reporter.lu. Die Nähe zum Flughafen bleibe für viele Käufer ein Argument, anderorts eine Wohnung zu suchen, so das Mitglied des Gemeinderats von Luxemburg-Stadt. Allerdings sind in den letzten Jahren auch Viertel wie Gasperich oder Cessange, die sonst von den großen Preissteigerungen verschont blieben, zunehmend teurer geworden.
„Das sind normale Entwicklungen. Die Prioritäten der Menschen haben sich verändert. Während die Menschen früher lieber in ruhigen Straßen lebten, wollen sie nun in der Nähe des Einzelhandels und der Arbeit wohnen“, sagt Laurent Mosar (CSV). Der für Wohnungsbau zuständige Schöffe der Hauptstadt sieht hierin einen Grund für das steigende Interesse etwa am Bahnhofsviertel oder dem benachbarten Bonneweg.
Diese Menschen zahlten eine Miete von 800 Euro monatlich, für sie besteht keine Möglichkeit mehr, in der Hauptstadt eine Wohnung zu finden.“Jean-Michel Campanella, „Mieterschutz Lëtzebuerg“
Auch die Einwohner der einzelnen Stadtteile beginnen die Konsequenzen langsam zu spüren. Vor einem Monat wurden acht Familien in der Rue Glesener im Bahnhofsviertel auf die Straße gesetzt. Familien, die in zwei weiteren Gebäuden in Hollerich lebten, waren kürzlich in der gleichen Lage. Jean-Michel Campanella vom Verein „Mieterschutz Lëtzebuerg“ sieht darin einen besorgniserregenden Trend, der zunehmend zur sozialen Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung führen werde.
„Diese Menschen zahlten eine Miete von 800 Euro monatlich, für sie besteht keine Möglichkeit mehr, in der Hauptstadt eine Wohnung zu finden“, erklärt Jean-Michel Campanella im Interview mit Reporter.lu. Noch handele es sich zwar um Einzelfälle. Doch die erst kürzlich gegründete Mieterschutz-Organisation schätzt, dass solche Vorfälle in Zukunft zunehmen werden.
Nutzen und Grenzen des Vorkaufsrechts
Gegen die damit einhergehende „soziale Selektivität“ auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt könne der Schöffenrat nur wenig unternehmen, meint Laurent Mosar. „Als Gemeinde haben wir nur wenig Einflussmöglichkeiten.“ Ihn überkommt bei diesem Thema schon ein leichter Fatalismus. Das einzige effiziente Mittel, das den Kommunen zur Verfügung stand, war das Vorkaufsrecht. „Und das wurde für über ein Jahr außer Kraft gesetzt“, erläutert der verantwortliche Schöffe und Abgeordnete der CSV.
Der Hintergrund: Das Verwaltungsgericht kippte das Vorkaufsrecht für ein Bauland in Sassenheim. Dies veranlasste viele Gemeinderäte, auf das Recht komplett zu verzichten, bis eine Lösung gefunden werden kann.
Die Stadt hat versäumt, Flächen zu kaufen, als sie noch billig waren. Erst als die Preise sich zuspitzten, schaltete sie sich ein.“Guy Foetz, Mitglied im Gemeinderat
Das Gericht hat den Gemeinden damit allerdings ihr stärkstes Mittel genommen, oder es zumindest stark eingeschränkt. Wird Bauland verkauft, muss der Notar die Gemeinde über den möglichen Kauf informieren, die Gemeinde kann die Fläche zum festgelegten Preis erwerben. Der Verkäufer muss im Gegenzug keine Steuern auf den Gewinn zahlen. Doch seit dem besagten Gerichtsurteil müssen die Gemeinden bereits im Vorfeld ein Projekt für das zum Verkauf stehende Gelände erstellen. Der Aufwand überfordert viele Gemeinden.
Auch die im Vergleich besser aufgestellte Hauptstadt stößt in der Praxis öfter an Grenzen. Denn verschiedene Investoren sehen bereits eine hohe Anzahlung im Verkaufsvertrag vor, die es den Gemeinden weiter erschwert, vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. „Übersteigt es das Budget, muss zuerst der Gemeinderat die Zahlung billigen und anschließend das Ministerium. Die Bauträger werden immer innovativer, um den Gemeinden Steine in den Weg zu legen“, sagt Laurent Mosar. Sein Fazit: „Es ist kein Instrument mehr, was uns wirklich vorantreibt.“
Mangelware Sozialwohnungen
Dennoch trägt die Politik natürlich einen Teil der Verantwortung für die rasante Preisentwicklung. „Die Stadt hat versäumt, Flächen zu kaufen, als sie noch billig waren. Erst als die Preise sich zuspitzten, schaltete sie sich ein“, kritisiert Guy Foetz. Die Preise seien mittlerweile so hoch, dass auch die größte Stadt des Landes nur bei kleineren Grundstücken in der Lage sei, den Kaufpreis zu stemmen.

Bei größeren Projekten mit mindestens 25 Wohneinheiten kann die Stadt zudem zehn Prozent der Wohnungen für 80 Prozent des Kaufpreises kaufen, erklärt Guy Foetz. „Diese werden dann per Erbpacht („bail emphytéotique“) weiter verkauft, anstatt sie als Sozialwohnungen weiter zu vermieten“, kritisiert das Gemeinderatsmitglied von Déi Lénk. Die Gemeinde schaffe somit nur Wohnraum für die Mittelschicht. Denn auch ohne die Kosten der Baufläche seien 80 Prozent des Marktpreises für einen großen Teil der Bevölkerung schlicht nicht erschwinglich, sagt Guy Foetz.
Auch beim Thema Sozialwohnungen hält sich die politische Dynamik demnach in Grenzen. Laut den letzten verfügbaren Zahlen besitzt die Stadt 598 Sozialwohnungen, das sind 22 weniger als noch Ende 2019. Währenddessen steigt die Nachfrage nach erschwinglichen Wohnungen. Im vergangenen Jahr soll die durchschnittliche Zeit, um eine Sozialwohnung von der Stadt zu erhalten, für nicht als Notfall geltende Familien drei bis vier Jahre betragen haben, antwortete der Schöffenrat auf eine Anfrage von Guy Foetz.
Das finanzielle Eigeninteresse
Doch das Problem des Mangels an erschwinglichem Wohnraum in der Hauptstadt hat längst die Mittelschicht erreicht. „Die eigentliche Debatte müsste über den Zugang zum Eigenheim geführt werden“, sagt Jean-Paul Scheuren. Der Präsident der „Chambre Immobilière“ hatte der Politik vorgeschlagen, den Bauherren zu erlauben, höher zu bauen, und im Gegenzug damit mehr erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. „Das haben wir seit 40 Jahren einfach verschlafen“, so Jean-Paul Scheuren.
Gleichzeitig stoßen die erwähnten politischen Lösungen an ihre Grenzen. Das Problem: Niemand habe zurzeit ein finanzielles Interesse daran, brachliegendes Bauland zu verkaufen, sagt Laurent Mosar. „Wenn wir bei Eigentümern anklopfen, um ein Bauland abzukaufen, wollen die meistens kein Geld, sondern ein anderes Grundstück im Gegenzug“, sagt der Wohnungsbauschöffe. Durch die ständig steigenden Preise lohnt sich eine sofortige Auszahlung nicht. Dies insbesondere auch, weil seit Jahren brachliegendes Bauland kaum besteuert wird.
Wie tief diese Furcht vor einem möglichen Wertverlust reicht, zeigt sich etwa im Norden der Hauptstadt. Dort setzte sich Déi Lénk gegen ein Bauvorhaben neben einer Deponie ein, da das Grundstück vermutlich verseucht sei. „Danach schrieben uns Anrainer, wir würden deren Immobilien entwerten“, erzählt Guy Foetz. Die Wohnungen im zukünftigen Neubau wurden bereits alle verkauft. „Das Absurde ist, dass wohl 80 Prozent der Bevölkerung das Problem erkennt, aber niemand will, dass die Wertsteigerung der eigenen Immobilien abnimmt“, sagt auch Jean-Michel Campanella.
Mehr oder weniger Großgrundbesitzer
Demnach bleibt als Lösungsansatz eigentlich nur noch die Steuerpolitik. Doch gerade hier wird die politische Interessenlage offensichtlich. Die Oppositionsparteien im Gemeinderat versuchten, den Entwicklungen entgegenzuwirken, indem sie im vergangenen Juli vorschlugen, ungenutzte Bauflächen mit einem Hebesatz von 15.000 Prozent zu besteuern. Das käme einer „30-fachen“ Erhöhung der Grundsteuer gleich, rechneten Déi Gréng, LSAP und Déi Lénk vor. Sie erhofften sich dadurch „einen deutlichen Anreiz zur Mobilisierung von direkt bebaubarem Bauland“, wie es im Antrag heißt.
Um das Problem wirklich anzugehen, brauchen wir eine funktionierende Grundsteuer und eine nationale Spekulationssteuer.“Laurent Mosar, Schöffe von Luxemburg-Stadt
Die Mehrheit im Gemeinderat lehnte den Vorschlag ab, da seit Längerem brachliegende Flächen nur zu einem geringeren Teil davon betroffen seien und vor allem neues Bauland dadurch zu stark besteuert würde. „Wir haben 230 Flächen, die sofort bebaut werden könnten, doch ein Großteil davon sind kleine Flächen neben dem Einfamilienhaus des Besitzers. Diese Menschen behalten die Fläche etwa für ihre Kinder und sind eigentlich nicht das Ziel einer solchen Steuer“, rechtfertigt Laurent Mosar die Position des Schöffenrats.
Tatsächlich sind Familien mit kleinem Bauland jedoch nur für einen Bruchteil der ungenutzten Bauflächen verantwortlich. 2016 besaßen in der Hauptstadt laut Antoine Paccoud vom „Observatoire de l’habitat“ elf Familien und elf Firmen ganze 63 Prozent des verfügbaren Baulands. 91 Prozent des Wertes des verfügbaren Baulandes sei demnach im Besitz von Familien, die zu den reichsten zehn Prozent des Landes gehören. Als Grund für das zögerliche Vorgehen erwähnen Politiker allerdings stets nur kleine Investoren, die man nicht bestraft sehen wolle.
Kommunale und nationale Verantwortung
Auch wenn er gegen eine Erhöhung der Grundsteuer in der Hauptstadt stimmte, weiß auch Laurent Mosar, dass eine Lösung der Problematik nur über eine konsequente Steuerpolitik möglich ist. „Um das Problem wirklich anzugehen, brauchen wir eine funktionierende Grundsteuer und eine nationale Spekulationssteuer“, sagt der CSV-Politiker. Nur so könne man die großen Grundstückbesitzer treffen und zumindest zum Verkauf eines Teils der baufähigen Flächen veranlassen.
Doch auch hier ist bisher trotz ähnlicher Forderungen von anderen Parteien wenig passiert. Mehrere Gemeinden hätten zwar bereits auf kommunaler Ebene eine Spekulationssteuer eingeführt, doch niemand habe die Steuer auch eingezogen, sagt Laurent Mosar. Die Rechtsgrundlage sei zu dünn. „Jeder ist sich einig, was zu tun ist, nur niemand will es machen“, fasst Jean-Michel Campanella die politische Lage zusammen.
Im Fall der Hauptstadt hat der Verweis auf die Verantwortung der Anderen aber schon eine gewisse Tradition. Der erste Schöffe Serge Wilmes (CSV), der mit Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) das Ressort der Stadtentwicklung teilt, verwies auf Nachfrage von Reporter.lu für diesen Artikel auf Laurent Mosar. Maurice Bauer (ebenfalls CSV) ist indes zuständig für Sozialwohnungen. Im Zweifel bleibe aber ohnehin keine andere Option, als „auf nationaler Ebene nach Lösungen zu suchen“, bemerkt schließlich Laurent Mosar.
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