Das deutsche Finanzministerium offenbart, wie viel Geld Privatpersonen auf ausländischen Bankkonten deponiert haben. Im Fall Luxemburgs heißt das: 125,8 Milliarden Euro. Möglich macht diese neue Transparenz der automatische Informationsaustausch in Steuerfragen.
Lange konnten Regierungen nur mutmaßen, wie viel Geld ihre Bürger in anderen Ländern auf Bankkonten lagern. Seit dem 30. September 2017 wird den Steuerbehörden das Leben wesentlich leichter gemacht. Denn seitdem wird das von der OECD festgelegte Prinzip des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten angewendet. Seit Ende 2018 halten sich mehr als 100 Staaten an die Auskunftspflicht.
Das heißt konkret: Informationen über Bankkonten, die eine Person eines teilnehmenden Staates in einem anderen Staat hält, werden automatisch an die jeweilige Steuerbehörde des anderen Staates übermittelt. Die Auskünfte sind recht umfangreich. Darunter fallen Name, Anschrift, Geburtsdatum, Kontonummern, aber auch Zins- und Dividendeneinnahmen sowie Erlöse aus Wertpapiergeschäften.
« Wer Gelder ins Ausland verlagert hat, muss künftig noch stärker damit rechnen, dass die Finanzämter davon erfahren », freute sich der ehemalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble beim Start des Informationsaustauschs. Sein luxemburgischer Amtskollege Pierre Gramegna sah die neue Praxis dagegen eher als Gelegenheit, das Großherzogtum weiter aus der internationalen steuerpolitischen « Schmuddelecke » herauszuführen. Finanzplatz-Akteure sahen darin eher das endgültige Ende des Bankgeheimnisses und damit eine Gefahr für Luxemburgs Geschäftsmodell.
Übliche Verdächtige und ein ungeahnter Spitzenreiter
Dementsprechend haben auch eher Staaten wie Deutschland, die sich als Opfer von massiver Steuerhinterziehung begreifen, ein Interesse an den übermittelten Informationen. Das bestätigen auch neue Daten, die das deutsche Finanzministerium nun auf Anfrage der Fraktion « Die Linke » im Deutschen Bundestag preisgab.
Mindestens rund 591 Milliarden Euro (Stand 2018) haben deutsche Privatpersonen auf ausländischen Bankkonten deponiert, ist aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums zu entnehmen. Spitzenreiter ist die Kanalinsel Jersey mit 180,8 Milliarden an Vermögen aus Deutschland, gefolgt von der Schweiz mit 133,1 Milliarden Euro. In Luxemburg hatten Deutsche im Jahre 2018 immerhin rund 125,8 Milliarden in Bankkonten geparkt – mit deklarierten Gesamterträgen von über 49 Milliarden Euro.
Der internationale Trend geht zum internationalen Informationsaustausch. Den lehnen wir anders als früher nicht mehr strikt ab. »Finanzminister Pierre Gramegna in 2018
Über die bisher in dieser ausführlichen Form nie veröffentlichten Zahlen hatten die « Süddeutsche Zeitung » und der NDR vorab berichtet. Dabei konzentriert sich die deutsche Berichterstattung vor allem auf die britische Kanalinsel Jersey, die bisher nicht zu den üblichen Verdächtigen der mutmaßlichen Steuerhinterziehung aus der Bundesrepublik zählte. « In der öffentlichen Debatte bislang unbekannt ist, dass auch deutsche Privatpersonen sehr gerne Geld auf Jersey parken », schrieb die « Süddeutsche » am Mittwoch unter dem Titel « Grüße von der Kanalinsel ».
Auffällig ist aber nicht nur die Rangliste, auf der Luxemburg auf Platz drei der beliebtesten Destinationen für das Geld der Deutschen landet. Ebenso fällt auf, welche Staaten keine Angaben an die deutschen Behörden übermittelten bzw. einer Offenlegung der Informationen über die Bankkonten von Ausländern widersprechen. Dazu gehören Bermuda und die Kaimaninseln, aber auch das Vereinigte Königreich. Die Kanalinseln Jersey und Guernsey hängen als sogenannte Kronbesitzungen (« crown dependencies ») nicht von der britischen Regierung ab, sondern genießen einen politischen Sonderstatus.
Höherer Aufwand für Steuerhinterziehung
Bemerkenswert ist auch das Verhältnis zwischen den Gesamtsummen und der Zahl der Konten. Im Durchschnitt lagen 2018 auf einem Bankkonto eines Deutschen in Jersey 14,7 Millionen Euro. In Luxemburg ist diese Zahl weitaus niedriger. Die 125,8 Milliarden Euro in 2018 verteilen sich nämlich laut der Auskunft des Bundesfinanzministeriums auf ganze 1,34 Millionen Datensätze, also gemeldete Luxemburger Bankkonten. Der Durchschnitt eines Luxemburger Datensatzes beträgt demnach nur rund 93.500 Euro.
Die Gründe dafür können vielfältig sein. Im Fall Luxemburgs spielen sicherlich die rund 47.000 Grenzgänger eine Rolle. Generell kann nicht jede Person, die im Ausland ein Konto besitzt, gleich als potenzieller Steuerhinterzieher gelten. Über den wahren Grund, warum man im Ausland ein Bankkonto besitzt, sagen die automatisch übermittelten Informationen letztlich nichts aus. Für die Steuerbehörden können diese Daten nur dann zur Strafverfolgung genutzt werden, wenn bereits ein Anfangsverdacht gegen eine Person besteht.
Auch automatischer Informationsaustausch kann umgangen werden. »Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
Hinzu kommt, dass die vom deutschen Finanzministerium veröffentlichten Daten bereits veraltet sind. Finanzexperten rechnen einerseits damit, dass die sukzessive ausgeweitete Auskunftspflicht zu einem Rückgang der verwalteten Vermögen in jenen Staaten führt, die bisher vom Bankgeheimnis profitiert haben. Bis zu 40 Prozent hätten sich die Bankeinlagen in sogenannten Steueroasen durch den automatischen Informationsaustausch verringert, heißt es in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Oktober 2018.
Gleichzeitig betonen die Experten, dass sich durch den automatischen Informationsaustausch zwar « der Aufwand für internationale Steuerhinterziehung erhöht ». Die DIW-Studie zeige, dass sich Steuerhinterzieher stets anpassen würden. Konkret heißt das: Sie weichen entweder in die wenigen noch verbliebenen Steueroasen aus, die sich nicht an den internationalen Abkommen beteiligen oder bauen schwerer nachzuweisende Strukturen, etwa mit komplexen Firmenkonstrukten auf. Am Ende bleibt zudem immer auch die Option, sich in einer Steueroase niederzulassen.
Ungewisse Zukunft und Corona-Verzögerung
Die jüngere Entwicklung deutet allerdings ohnehin darauf hin, dass Bankkunden aus den Nachbarstaaten in Luxemburg längst nicht die Mehrheit ausmachen. Laut einer Studie der Bankenvereinigung ABBL kamen 2018 nur 16 Prozent des verwalteten Vermögens im Bereich Private Banking aus Belgien, Deutschland oder Frankreich – 22 Prozent aus Luxemburg selbst. 56 Prozent der Anlagegüter stammten von Anlegern mit einem Vermögen von jeweils mindestens 20 Millionen Euro.
Der automatische Informationsaustausch scheint sich denn bisher auch nicht negativ auf die Attraktivität des Luxemburger Bankenstandorts auszuwirken. Zwischen 2008 und 2018 sei ein konstantes Wachstum des verwalteten Vermögens im Private Banking erkennbar gewesen, heißt es in der Studie der ABBL. Allerdings steht die Zwischenbilanz des automatischen Informationsaustauschs seit 2018 – und damit der Anpassungsfähigkeit von vermögenden Anlegern, ihren Banken und Beratern – eben noch aus.
Indes wird auch der automatische Informationsaustausch von der Coronavirus-Pandemie beeinflusst. Anfang Mai brachte die Europäische Kommission eine Richtlinie auf den Weg, dank der den Mitgliedstaaten eine Fristverlängerung von drei Monaten beim Austausch von steuerrelevanten Informationen gewährt wird. Der entsprechende Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie wurde vergangene Woche vom Kabinett gebilligt.
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