Die Diskussionen über die Personalpolitik am großherzoglichen Hof zeigen: Selbst die Monarchie kann sich einer gewissen Rechenschaftspflicht nicht entziehen. Der Hof sollte die Debatte als Chance auffassen und die Standards einer modernen Demokratie akzeptieren. Ein Kommentar.
Wenn es um das Selbstverständnis seiner Staatsform geht, hat Luxemburg einen gewissen Nachholbedarf. Das zeigen nicht zuletzt die Diskussionen über die Ernennung eines Sonderbeauftragten des Premiers, der die Personalpolitik bei Hofe im Detail analysieren soll. Was sich wie ein beispielloser Präzedenzfall anhört, ist letztlich ein allzu normaler Vorgang. Die Regierung hat schlicht das Recht, zu untersuchen, wie der großherzogliche Hof – und jede andere Institution – mit Steuergeldern umgeht.
Auch wenn die Monarchie aus einer anderen Zeit mit anderen politischen Selbstverständlichkeiten stammt: So funktioniert die Demokratie, auch in Luxemburg. Unabhängig davon, ob diese Demokratie ein monarchisches Staatsoberhaupt hat oder nicht. Wenn eine Institution jedes Jahr über zehn Millionen Euro aus dem Staatshaushalt erhält und es einen wohlbegründeten Verdacht gibt, dass der Umgang mit den Steuergeldern nicht über alle Zweifel erhaben ist, dann ist eine Kontrollmission die logische Folge.
Zur Transparenz gehört in einer offenen Gesellschaft jedoch auch, dass man eine solche Debatte überhaupt zulässt. Die Art und Weise, wie der großherzogliche Hof mit Kritik umgeht, deutet bisher nicht darauf hin, dass jeder im Umfeld des Großherzogs den Sinn und Zweck einer demokratischen Debatte verstanden hat. Die großherzogliche Krisenkommunikation bekräftigt vielmehr den Eindruck, dass die Monarchie die Transparenz scheut wie der Teufel das Weihwasser.
Eine Debatte, die auszuhalten ist
Bei der besagten Debatte geht es denn auch nicht um das Pro und Kontra eines Monarchen als Staatsoberhaupt einer parlamentarischen Demokratie. Vielmehr geht es darum, dass Politik und Gesellschaft darauf achten müssen, dass ihre selbst aufgestellten Regeln eingehalten werden – und zwar von jedem. In einer Demokratie ist das Volk der Souverän. In einer Demokratie gehört Transparenz und Kontrolle zur Tagesordnung. In einer Demokratie ist niemand politisch unantastbar, auch das Staatsoberhaupt und sein Hofstaat nicht.
Eine stabile Monarchie sollte eine Debatte über ihren Umgang mit öffentlichen Geldern aushalten.“
Das Einfordern von mehr Transparenz und finanzieller Rechenschaft ist keine Majestätsbeleidigung und auch kein Ausdruck von Agitation gegen die Monarchie – im Gegenteil. Nicht die Transparenz, sondern die Tradition der Verschwiegenheit fördert die Skepsis und das Misstrauen in eine Institution.
Dabei könnte man das Staatsoberhaupt mit Blick auf ähnliche Diskussionen im Ausland auch zu einer selbstbewussteren Haltung ermutigen. Eine stabile Monarchie sollte eine Debatte über ihren Umgang mit öffentlichen Geldern aushalten. Durch einen offeneren, nachvollziehbaren Umgang mit seinen Finanzen kann der großherzogliche Hof eigentlich nur gewinnen. Es sei denn, er hätte tatsächlich etwas zu verbergen.
Legitime Fragen zur Finanzierung
Zu dieser Debatte gehört allerdings auch die Frage, welchen Zweck die staatliche Finanzierung letztlich hat. Der Großherzog ist zugleich Staatschef sowie Symbol der Einheit und Garant der Unabhängigkeit des Landes, heißt es in der luxemburgischen Verfassung. Dabei ist es absolut legitim und notwendig, dass der Großherzog und sein Mitarbeiterstab für die Erfüllung dieser verfassungsmäßigen Rolle vom Staat entlohnt wird.
In einer Demokratie ist niemand politisch unantastbar, auch das Staatsoberhaupt und sein Hofstaat nicht.“
Doch über diese traditionell repräsentative Rolle des Staatsoberhaupts im politischen System hinaus darf die Frage erlaubt sein, ob die Mittel aus dem Staatshaushalt angemessen sind:
Ist es die Aufgabe des Staates stets für Abfindungszahlungen von in Ungnade gefallenen Mitarbeitern aufzukommen? Ist es zur Ausübung der Rolle des Staatschefs absolut notwendig, dass der Steuerzahler Dutzende Chauffeure, Gärtner, Handwerker und Kammerdiener bezahlt? Ist die Übernahme dieser Kosten des Lebensstils der großherzoglichen Familie nicht ein Relikt aus vordemokratischen Zeiten, die bisher nur niemand so recht in Frage zu stellen wagte? Und vor allem: Wer und was wird am großherzoglichen Hof überhaupt mit öffentlichen Geldern finanziert?
All das sind Fragen, die man im Rahmen einer demokratischen Debatte stellen darf. Die Antworten sollte im Zweifel nicht der Monarch selbst, sondern das demokratisch legitimierte Parlament geben. In diesem Sinn trägt übrigens auch die Politik eine Verantwortung, die Debatte in angemessener Form zu führen. Die „informelle“ Ernennung von Jeannot Waringo zum Sonderbeauftragten für die Personalpolitik des Hofes deutet dagegen eher darauf hin, dass auch die Regierung eine Debatte über die Finanzierung der Monarchie lieber im ganz kleinen Kreis führen möchte.
Demokratie im Jahre 2019
Vor bald genau 100 Jahren stimmten rund 78 Prozent der Luxemburger für die Beibehaltung der Monarchie und gegen die Einführung einer Republik. Da Luxemburgs Dynastie im Vergleich zu anderen Monarchien lange nicht fest im Land verankert war, dient diese fast einmalige demokratische Legitimation einer monarchischen Staatsform bis heute als stärkstes Argument für die Fortführung der politischen Tradition.
In einem demokratischen Staat muss die Akzeptanz einer Institution bei Bedarf mehr als alle 100 Jahre begründet werden.“
Heute kann man davon ausgehen, dass die Luxemburger Dynastie immer noch eine Mehrheit des Volkes hinter sich hat. Fest steht jedenfalls, dass sich Luxemburgs parlamentarische Demokratie mit monarchischem Staatsoberhaupt bewährt hat. Es ist jedenfalls nicht so, dass der Monarch oder sein Umfeld dem politischen Fortschritt des Landes im Weg stehen würde. Und wenn es so weit kommen sollte, wie bei der institutionellen Krise 2008, dann zeigt sich umso mehr, dass die demokratischen Spielregeln intakt sind.
Auch die Misstöne im Zusammenhang mit der abwechslungsreichen Personalpolitik bei Hofe taugen nicht dazu, deshalb gleich die repräsentative Rolle der Monarchie in Frage zu stellen. Doch gleichzeitig hat sich die Gesellschaft seit dem 28. September 1919 wesentlich gewandelt. Es reicht nicht aus, sich auf die damals ausgesprochene demokratische Legitimation zu berufen. In einem demokratischen Staat muss die Akzeptanz einer Institution bei Bedarf mehr als alle 100 Jahre begründet werden. In einer offenen Gesellschaft muss es zumindest möglich sein, die Monarchie daran zu erinnern, dass auch für sie die demokratischen Mindeststandards des Jahres 2019 gelten.
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