Welche Debatten haben das politische Luxemburg diese Woche geprägt? REPORTER-Chefredakteur Christoph Bumb wirft in unserer neuen Rubrik „De Briefing“ einen Blick hinter die Kulissen der politischen Aktualität. Diese Woche: Kabinettsumbildung und ausgelagerte Verfassungsreform.
1. Regierungsrochade mit Ansage
Ankündigung zur Umbildung. Dass es zu einer dauerhaften Kabinettsumbildung kommen soll, war in Regierungskreisen schon länger klar. Am Mittwoch kündigten Déi Gréng an, dass sie bei allem Mitgefühl und aller Unterstützung des erkrankten Felix Braz auch ihrer politischen Verantwortung nachkommen wollen. Felix Braz werde „in absehbarer Zeit seine Regierungsarbeit nicht weiterführen können“, sagte die Co-Parteisprecherin Djuna Bernard. Die Lösung: François Bausch wird Vize-Premier. Sam Tanson übernimmt neben dem Kultur- auch dauerhaft das Justizressort. Ein/e neue/r Minister/in für den Wohnungsbau soll kommende Woche vorgeschlagen und auf einem Parteikongress ernannt werden.
Henri Kox als beste Lösung. Als aussichtsreicher Ministerkandidat zeichnet sich Henri Kox ab, wie es bereits am Rande des „Comité éxécutif“ am vergangenen Dienstagabend aus Parteikreisen verlautete. Am Freitag meldete das „Lëtzebuerger Land“, dass die Entscheidung für Kox bereits gefallen sei. Der ehemalige Bürgermeister von Remich würde zwar den Bezirksproporz sprengen, gilt aber aufgrund seiner Erfahrung in der aktuellen Situation als beste Lösung. Der langjährige Abgeordnete aus dem Ost-Bezirk ist aktuell Vorsitzender der Wohnungsbaukommission im Parlament. Kox wurde schon 2013 bei der Kabinettsbildung übergangen, was damals zur Enthaltung von einigen Ost-Delegierten beim Votum über das Personalpaket beim Eintritt in die Dreierkoalition führte.
Rechtliche Grauzone. Eigentlich wäre ja Roberto Traversini als Zweitgewählter im Süden der nahe liegende Ersatzkandidat für Felix Braz gewesen. Doch Traversini ist wegen seiner Affäre als Bürgermeister von Differdingen nicht nur aus dem Rennen für einen Kabinettsposten. Auch sein Platz im Parlament ist angesichts der andauernden Untersuchung der Staatsanwaltschaft gegen den Abgeordneten nicht gesichert. Ein Ministerposten für die nächste Kandidatin aus dem Süden, Fraktionschefin Josée Lorsché, wird dagegen durch die Tatsache erschwert, dass in diesem Fall laut der Verfassung der aus dem Kabinett ausscheidende Felix Braz der erste Ersatz für das frei werdende Parlamentsmandat wäre. Solange Braz jedoch gesundheitlich nicht in der Lage ist, dieses Mandat eigenständig anzunehmen oder abzulehnen, würde man sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Nicht nur die Parteien, sondern auch Mitarbeiter der Abgeordnetenkammer prüfen aktuell die rechtliche Lage, wie es aus der Verwaltung des Parlaments auf Nachfrage von REPORTER heißt.
2. Klärende Koalitionsgespräche
Koalitionspartner in Sorge. Die anstehende Umbildung des Kabinetts kommt indes zu einem durchaus heiklen Zeitpunkt. Der Rücktritt von Roberto Traversini als Bürgermeister von Differdingen belastet nicht nur die grüne Parteiseele, sondern hat auch bereits die Spitzen von DP und LSAP alarmiert. In der vergangenen Woche kam es laut Koalitionskreisen zu mehreren Gesprächen zwischen führenden Vertretern der Regierungsparteien. Liberale und Sozialisten pochten dabei vor allem auf eine enge Abstimmung über die nächsten Schritte. Man wolle von neuen Entwicklungen nicht aus der Presse erfahren, hieß es etwa seitens der Partner von Déi Gréng. Zudem drängten manche Koalitionspartner bei der Suche nach einem Ersatz für Felix Braz auf die Nominierung eines erfahrenen Politikers. Bei diesen Gesprächen stand zudem die Frage im Raum, ob Traversini sein Abgeordnetenmandat behält oder nicht. Auch im Fall eines Ausscheidens des Süd-Abgeordneten hätte man es aber mit der besagten rechtlichen Grauzone zu tun (s.o.).
CSV läuft sich warm. Unbeachtet dessen läuft sich hinter den Kulissen die CSV warm und lotet alle Möglichkeiten aus, um die Affäre auf die Rolle der grünen Umweltministerin Carole Dieschbourg auszuweiten. Dieschbourgs Ministerium hatte die Genehmigung für Arbeiten am Gartenhaus des Ex-Bürgermeisters Roberto Traversini erteilt, obwohl laut einem hohen Beamten ein klarer Verstoß gegen das Naturschutzgesetz vorlag. Wie das „Lëtzebuerger Land“ berichtet, könnte es zudem eine weitere „Affäre“ geben, in der die Umweltministerin im Mittelpunkt steht. Die grüne Ministerin hält sich indes weiter an das von ihren Beratern verordnete öffentliche Schweigen. Aussitzen und Hoffen auf die Unbedarftheit der CSV-Opposition, heißt laut einem Koalitionspolitiker die Devise von Déi Gréng. So richtig kann die Oppositionsmaschinerie aber erst ab übernächster Woche anlaufen, wenn das Parlament wieder tagt und die CSV die Ministerin im Plenum zur Rede stellen könnte.
3. Außerparlamentarische Opposition
Grundgesetz auf Eis. Wer bei der politischen Rentrée auf neue Entwicklungen im Dossier Verfassungsreform gehofft hatte, wurde bisher enttäuscht. Obwohl die Reform aller Reformen am Dienstag auf der Tagesordnung des zuständigen Ausschusses stand, fiel eine Aussprache dazu aus. Auf die Frage nach dem Warum gab es vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Léon Gloden (CSV) nur ein müdes Lächeln. Auch die anderen Parteien scheinen sich indes damit arrangiert zu haben, dass die Verfassungsreform auf Eis liegt. Auch wenn dies niemand offiziell verlautbarte, wurde die ab Anfang Oktober geplante Informationskampagne zur Reform stillschweigend abgesagt.
Klärendes Gespräch. Doch es gibt wohl noch einen Grund für die ausgesparte Diskussion im parlamentarischen Ausschuss. Hinter den Kulissen kam es nämlich zu einem klärenden Gespräch zwischen dem Vorsitzenden der Verfassungskommission, Alex Bodry (LSAP), und dem CSV-Präsidenten Frank Engel. Letzterer hatte bekanntlich im Sommer eine neue Position seiner Partei formuliert, wonach man das neue Grundgesetz nur mittragen werde, wenn es zu einer neuen Runde von konsultativen Referenden kommt. Bodry, der Engels Vorstoß als „Vertrauensbruch“ bezeichnet hatte, äußert sich mittlerweile etwas zuversichtlicher. Die Position der CSV sei heute nicht mehr so starr und kategorisch, wie sie ursprünglich formuliert worden war.
Engel kapert die Debatte. Diesen Eindruck bestätigt auch Frank Engel, der mittlerweile nicht mehr mit einem kompletten Scheitern der Reform droht. In den kommenden Tagen soll es denn auch zu weiteren Gesprächen zwischen den Mehrheitsparteien und der CSV kommen. An diesen Gesprächen wird dem Vernehmen nach auch Frank Engel teilnehmen, obwohl der CSV-Präsident nicht im Parlament sitzt und damit auch nicht an den Gesprächen im eigentlich zuständigen Gremium, dem Ausschuss für Institutionen und die Verfassungsreform, teilnehmen kann.