Neues Pfandsystem, Sammelstellen, Verbote: Das geplante Abfallgesetz könnte weitreichende Folgen für Verbraucher und Unternehmen haben. Wie weit diese gehen, zeigt sich am Beispiel Crémant. Denn laut dem aktuellen Entwurf wären Schaumwein-Flaschen auf Volksfesten bald passé.

Wie hoch die Ziele des Umweltministeriums in Sachen Abfallvermeidung sind, lässt sich bereits am Namen der offiziellen Strategie erkennen: „Null Offall Lëtzebuerg“. Bei der Umsetzung dieser Strategie sollen primär drei neue Gesetze helfen. Im Zentrum steht dabei das Abfallgesetz, flankiert von einem Gesetz zum Plastikabfall und einem zur Reduzierung von Verpackungsmüll generell.

Die drei Entwürfe sollen europäische Richtlinien in nationales Recht umsetzen und dürften in ihrer jetzigen Form weitreichende Folgen für Verbraucher und Produzenten haben. So sollen etwa große Supermärkte verpflichtet werden, Sammelstellen für Glas, Kartonagen, Plastik, Batterien und kleine Elektrogeräte einzurichten. Zudem soll ein generelles Pfandsystem bei Getränken eingeführt werden. Auch bei Volksfesten und öffentlichen Veranstaltungen sollen Einwegflaschen und Einweggeschirr der Vergangenheit angehören.

Es überrascht daher wenig, dass die Entwürfe zunehmend auf Widerstand stoßen. So sah sich die „Chambre de commerce“ erst vergangene Woche dazu veranlasst, neben dem Gutachten zu den Entwürfen auch eine Pressemitteilung zu verfassen. Darin übt die Handelskammer deutliche Kritik an den derzeitigen Texten. Zwar lobte sie die Ambitionen der Regierung im Umweltschutz, kritisierte jedoch zugleich, dass die aktuellen Vorschläge über die EU-Richtlinien hinausgehen. Dies würde laut dem Gutachten einer einheitlichen europäischen Umsetzung im Wege stehen. Zudem befürchtet die Handelskammer, dass es aufgrund der eigenständigen Ziele Luxemburgs zu Wettbewerbsnachteilen für Luxemburger Unternehmen kommen könnte.

Neues Pfandsystem ohne Gewähr

Kritik übt die Handelskammer derweil auch an dem angedachten Pfandsystem. Dieses sei zwar im Gesetzentwurf zurückbehalten worden, jedoch ohne dass eine klare Regelung vorliege, kritisieren die Wirtschaftsvertreter. Bereits bei der Präsentation des Entwurfs im zuständigen Parlamentsausschuss relativierte Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) den eigenen Vorstoß. Denn auf Nachfrage des CSV-Abgeordneten Paul Galles erklärte die Ministerin, dass es für die Einführung eines Pfandsystems einer Lösung auf Benelux-Ebene bedürfe. Dies erkläre auch, weshalb das Pfandsystem im vorliegenden Text noch nicht ausgereift sei, so Carole Dieschbourg.

Der Grund für den Verweis auf den Benelux-Raum dürfte auch sein, dass ein Großteil der Getränke über belgische Großhändler eingeführt wird. Ein Punkt, den auch der Direktor von Valorlux, Claude Turping, im Gespräch mit Reporter.lu hervorhebt: „Ein Alleingang Luxemburgs bei einem Pfandsystem könnte ungeahnte Folgen haben. Entweder müssten alle eingeführten Getränke umetikettiert werden oder Luxemburg riskiert, massivem Pfandtourismus ausgesetzt zu sein.“ Gemeint ist damit, dass Kunden aus Nachbarländern ohne Pfandsystem, ihr Leergut nach Luxemburg bringen könnten, um Pfand einzufordern, das sie nie gezahlt haben.

Der Direktor des Verpackungsentsorgungsverbands bemängelt zudem die Herangehensweise des Umweltministeriums bei der Ausarbeitung des Entwurfs. „Ich bedauere, dass wir als Valorlux nicht bei der Ausarbeitung konsultiert wurden. Immerhin haben wir 25 Jahre Erfahrung mit der Entsorgung von Verpackungsabfall“, erklärt Claude Turping.

Schwierige Umsetzung in der Praxis

Neben dem Pfandsystem bei Getränken setzt die Regierung mit dem Gesetzentwurf auch auf ein Umdenken bei öffentlichen Veranstaltungen und Festen. Hier werden im aktuellen Text ganz klar kurzfristige Verbote anvisiert. So soll bereits ab dem 3. Juli 2021 jegliches Einweggeschirr aus Plastik bei öffentlichen Festen verboten werden. Darunter fallen neben Strohhalmen auch Becher, Besteck und Schälchen, wie sie etwa zum Portionieren von Pommes Frites benutzt werden. Sollte sie dieses Jahr stattfinden, würde die Schueberfouer bereits anders aussehen. Bei Volksfesten soll auch vermehrt ein Pfandsystem zum Einsatz kommen.

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass jeder Besucher seine eigene Tasse und seine eigene Tupperware-Dose mitbringt, um Pommes zu essen“, bringt Claude Turping die Tragweite der neuen Regelungen auf den Punkt. Zudem würde der sofortige Verzicht auf Einweggeschirr einen immensen Spülaufwand für die Schausteller bedeuten, sollten sie gezwungen werden, ein Pfandsystem zu nutzen, so Turping zum Schluss.

Neben dem Verbot von Einweggeschirr aus Plastik will das Umweltministerium ab Mitte 2024 noch einen Schritt weiter gehen. Ab dem 4. Juli bezieht sich das Gesetz dann nicht mehr nur auf Geschirr und Gläser aus Plastik, sondern auf jegliche Einwegprodukte, also auch auf Pappbecher und Bambusstrohhalme. Ab diesem Stichtag sind zudem auch explizit Einwegflaschen aus Glas verboten. Ein Verbot, das besonders bei Winzern auf Unverständnis stößt.

Die Sache mit den Crémant-Flaschen

Ern Schumacher, Präsident des Verbandes der Privatwinzer, erklärt: „Seit mindestens 15 Jahren kommen in Luxemburg beim Wein nur noch Einwegflaschen zum Einsatz, schon allein aus Kostengründen.“ Denn in Luxemburg gibt es keine industrielle Spülanlage für Weinflaschen und der maschinelle Spülvorgang würde den hohen Hygieneanforderungen nicht gerecht werden, so Ern Schumacher. Vor allem bei Weinfesten würde die angedachte Lösung einen enormen Arbeitsaufwand bedeuten. Fraglich sei zudem, wie das Verbot sich auf importierte Weine auswirken dürfte, so der Präsident der Privatwinzer.

Auch Claude Turping von der Valorlux sieht das Verbot von Einwegflaschen kritisch. Zumal sich Glas gut recyceln lässt: „Der Prozess ist zwar energieintensiv, aber Flaschen lassen sich in der Regel sehr gut wiederverwerten.“

Erscheint eine Umstellung auf ein Pfandsystem beim Wein schwierig, ist er beim Crémant unmöglich. Denn, wie Ern Schumacher erklärt, handelt es sich bei Crémant-Flaschen aus Sicherheitsgründen um Einwegflaschen, die nicht wiederverwendet werden dürfen. „Eine Crémant-Flasche ist genormt, da sie einem Druck bis zu 12 Bar standhalten muss. Stand sie einmal unter Druck, darf sie kein zweites Mal verwendet werden. Es kann nämlich nicht sichergestellt werden, ob sich möglicherweise feine Haarrisse im Glas gebildet haben“, erklärt der Präsident der Privatwinzer. Ein generelles Verbot von Einwegflaschen, wie es der aktuelle Text vorsieht, würde Weinfeste mit Crémant-Ständen deshalb unmöglich machen.

Superdreckskëscht in den Startlöchern

Neben den angedachten Regeln zur Abfallvermeidung stoßen auch die neuen Konzepte zur Abfallsammlung auf Kritik. Die Chambre de Commerce bezweifelt etwa, ob die Sammelstationen in Supermärkten wirklich zu einer Verbesserung bei der Wiederverwertung führen würden. Zudem hätten die Sammelstationen erhebliche Mehrkosten für die Unternehmen zur Folge.

Der Vize-Direktor des Handelsverbandes CLC, Claude Bizjak, bemängelt zudem die fehlende Faktenlage: „Der aktuelle Gesetzentwurf würde unseren Berechnungen zufolge zu 40 bis 50 neuen Recylingparks führen. Dabei weiß niemand, ob das System wirklich funktionieren würde.“ Zudem habe das einzige Pilotprojekt im Cactus Howald bei einer unabhängigen Prüfung durch ein Umweltberatungsunternehmen sehr schlecht abgeschnitten, so Claude Bizjak weiter.

Zusätzlich zur Qualität des gesammelten Materials stellt sich bei neuen Sammelstationen auch die Frage, wer sie betreiben soll. Zumal das Betreiben einer Abfallsammelstelle eigentlich nicht in den Kompetenzbereich von Supermarktbetreibern fällt. Hinzu kommt, dass der aktuelle Entwurf die Supermärkte dazu verpflichtet, die Umweltverwaltung über die Qualität und die Quantität der Sammlung zu informieren.

Auch wenn der Gesetzentwurf die Frage nach den Betreibern der neuen Sammelstellen ausklammert, finden sich an anderer Stelle bereits erste Hinweise. Denn im Vertrag zur „Aktioun Superdreckskëscht“ zwischen der Firma Oeko-Service Luxemburg (OSL) und der Umweltverwaltung wurde die Sammlung im Handel bereits vorgesehen. So ist OSL vertraglich gebunden „die Sammlung bestimmter Altproduktfraktionen im Handel (…) zu organisieren und durchzuführen. Es geht gegenwärtig um folgende Fraktionen: Batterien, Arzneimittel, Feuerzeuge. Die Liste der betroffenen Altproduktfraktionen kann erweitert werden.“ Der aktuelle „Superdreckskëscht“-Konventionsvertrag stammt aus dem Jahre 2018. Zwei Jahre bevor der Gesetzesentwurf überhaupt stand, wurde also bereits an einen potentiellen Dienstleister gedacht.


Lesen Sie mehr zum Thema