11. September, Finanzkrise, Eurokrise: Es fehlt nicht an Vergleichen, wie schlimm die Coronavirus-Pandemie für die Wirtschaft werden könnte. Das jetzt beschlossene komplette Herunterfahren des öffentlichen Lebens hat drastische Folgen. Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung.
Alle nicht lebenswichtigen Geschäfte sowie Restaurants und Cafés bleiben zu. In anderen Wirtschaftszweigen geht die Arbeit zwar weiter, wird aber eingeschränkt durch fehlende Mitarbeiter und Engpässe beim Nachschub: Die aktuelle, nie da gewesene Einschränkung des öffentlichen Lebens hat dramatische Konsequenzen für die Wirtschaft.
Doch auch für die Unternehmen ist es letztlich entscheidend, dass die rasche Ausbreitung des Coronavirus möglichst eingedämmt wird. Auch wenn die wirtschaftliche Aktivität in den nächsten Wochen drastisch sinken wird: Je mehr die akute gesundheitliche Krise abgeschwächt wird, desto besser.
Was ist die größte Gefahr für die Wirtschaft?
Besonders gefährlich für Unternehmen sind Liquiditätsprobleme. Der Grund ist recht einfach: Restaurants, Cafés und Kinos schließen. Das bedeutet, dass die Einnahmen ausbleiben. Gleiches gilt für Industriebetriebe, die weniger produzieren können, weil Mitarbeiter fehlen oder Zulieferer ausfallen. Doch die Ausgaben bleiben: Miete und Mitarbeiter müssen trotzdem bezahlt werden. Das Wichtigste: „Es geht darum, Arbeitsplätze zu erhalten“, betonte UEL-Präsident Nicolas Buck am Freitag.
Wird die Regierung helfen?
Die gute Nachricht: Es stehen Hilfsmaßnahmen bereit. Die Regierung erweitert die Möglichkeiten zur Kurzarbeit, also dem „chômage partiel“. Die Unternehmen können Sozialabgaben und Steuervorschüsse später zahlen. Für Steuern gibt es einen Aufschub bis zum 15. Mai.
Außerdem will die Regierung schnellstmöglich sogenannte „De-Minimis-Beihilfen“ einsetzen. Dabei geht es um Vorschüsse von bis zu 200.000 Euro, die Einkommenseinbußen überbrücken sollen. Die Hälfte der Summe muss in Raten zurückgezahlt werden, sobald die Lage sich normalisiert, erklärte Minister Lex Delles (DP) am Freitag. Allerdings muss dazu noch ein Gesetz verabschiedet werden. Die Regierung will auf EU-Ebene erreichen, dass das Limit von 200.000 auf 500.000 Euro erhöht wird.
Die Handelskammer bietet Garantien von bis zu 250.000 Euro für Unternehmen, die einen Überbrückungskredit bei ihrer Bank anfragen. Die Mittel sollen für etwa 300 Betriebe reichen. Staatliche Garantien für Unternehmen will die Regierung mit Brüssel absprechen.
Reichen diese Maßnahmen?
Je länger die Krise dauert, desto schwieriger wird es besonders für kleine Unternehmen. Allerdings ist klar, dass der Staat bereit ist, weitere Maßnahmen zu treffen. Zudem stellte die Europäische Kommission ein ganzes Maßnahmenpaket vor. „Wir werden alles Mögliche unternehmen, um die Europäer und die europäische Wirtschaft zu stützen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag. Die Mitgliedsstaaten erhalten die nötige Flexibilität für Konjunkturprogramme. Die Europäische Zentralbank stellt bereits weitere Liquidität für Banken bereit. Die Eurogruppe trifft sich an diesem Montag um über weitere Maßnahmen zu beraten.
Der frühere Wirtschaftsberater von Präsident Obama in den Krisenjahren nach 2008 warnt Regierungen davor, zu vorsichtig mit Konjunkturprogrammen zu sein. Das sei der größte Fehler während der Finanzkrise gewesen, sagt Jason Furman. Er schlägt vor, jedem Erwachsenen 1.000 US-Dollar oder mehr zu geben, um den Konsum nach der Pandemie schnellstmöglich wieder anzukurbeln. Auch in der EU wird diese Idee des „Helikopter“-Geldes diskutiert, berichtet die ARD. Zumal die Zentralbanken mit den sehr niedrigen Zinsen nicht mehr viele Möglichkeiten zum Eingreifen haben.
Drohen kurzfristige Engpässe?
Premierminister Xavier Bettel (DP) betonte am Sonntag erneut, dass die Supermärkte ausreichend versorgt sind. Problematischer könnten Grenzkontrollen bzw. -schließungen werden, wie sie etwa Deutschland am Sonntag für die Grenzen zu mehreren Nachbarländern – darunter Luxemburg – beschlossen hat. Waren- und Pendlerverkehr sollen weiterlaufen, werden aber wohl aufgrund der Kontrollen deutlich schwieriger.
Die EU-Kommission sorgt sich ebenfalls um die Auswirkungen von Exportbeschränkungen, die mehrere Länder etwa für Gesichtsmasken und gar Medikamente verhängt haben. Einzig positive Nachricht: Da die Produktion in China wieder anläuft, werden die Lieferengpässe aus dieser Richtung wohl abnehmen.
Welche Folgen hat die Virus-Krise langfristig?
„Covid-19 taucht in einem weltweiten wirtschaftlichen Umfeld auf, das bereits schwierig war. Das Virus ist damit ein weiterer Faktor für die Abschwächung der Wirtschaft“, lautet die Einschätzung des Statistikamtes Statec. Die Prognosen haben allerdings das Problem, dass sie der rapide ändernden Lage nicht hinterherkommen.
Die Experten gehen allerdings davon aus, dass die Wirkung der Pandemie nach 2021 zu vernachlässigen ist. Der Einbruch der Börsen wird jedoch Folgen für den Finanzplatz haben, dessen Aktivitäten sehr stark vom Börsenhandel beeinflusst werden, wie das Statec hervorhebt. Im „Worst Case“-Szenario einer weltweiten Rezession gingen die Experten (Stand Anfang März) von einem Verlust beim Wirtschaftswachstum um 1,7 Prozentpunkte dieses Jahr gegenüber dem Referenzszenario aus. Das entspräche einer Entwicklung wie während der Eurokrise 2011/2012. Dazu kommen eine höhere Arbeitslosigkeit und geringere Staatseinnahmen.
Die besonders schlimme Lage in Italien könnte dem Land langfristig schaden und damit auch die Eurozone in Gefahr bringen, meinen zudem Experten laut dem „Spiegel“. Allerdings betonte der Chef des europäischen Rettungsschirms ESM, Klaus Regeling, dass genügend Mittel vorhanden seien, um den italienischen Staat falls nötig während zwei Jahren finanziell zu unterstützen.
Passt der Vergleich mit dem 11. September und der Finanzkrise 2008?
„Es ist als ob der 11. September und die Finanzkrise 2008 gleichzeitig passieren“, meinte UEL-Chef Nicolas Buck. Doch der Vergleich hinkt. Zwar sind die Unsicherheit nach den New Yorker Terroranschlägen und die eingeschränkten Reisemöglichkeiten mit der aktuellen Lage zu vergleichen. Doch was 2001 für düstere Aussichten sorgte, war das Bewusstsein in einer Welt angekommen zu sein, die instabiler ist als jene der 1990er Jahre.
Gegenüber 2008 ist die aktuelle Lage zugleich schlimmer und besser. Während die Subprime-Krise in den USA sich über ein ganzes Jahr entwickelte und in der Pleite von Lehman Brothers kulminierte, passiert gerade alles innerhalb von wenigen Wochen. Und anders als in Krisen zuvor, sind die ganze Welt und zahlreiche Branchen betroffen.
Doch es geht heute um einen externen Schock, nicht um interne Probleme der Unternehmen und Banken. Wie es Handelskammerpräsident und Ex-Finanzminister Luc Frieden formulierte: „Wir haben anders als 2008 keine Bankenkrise“. Bisher ist der Börsenrückgang auch geringer als zwischen 2007 und 2009, schreibt „The Economist“. Die Wirtschaft wird sich voraussichtlich schnell erholen, sobald die Infektionswelle abflacht und das öffentliche Leben wieder ein normales Niveau erreicht. Davon geht etwa die Rating-Agentur Standard&Poor’s aus.
Was bedeutet die Krise für den Staatshaushalt?
Klar ist, dass auf den Staat hohe Ausgaben zukommen werden, um auf die Krise zu reagieren. Aber die Regierung betont, dass Luxemburg sich in einer guten Ausgangslage befindet. „Die vorsichtige Budgetpolitik der Regierung bilden eine solide Grundlage, damit unsere Wirtschaft, unsere Unternehmer und unsere Beschäftigten die Auswirkungen des wirtschaftlichen Schocks abfedern können“, sagte Finanzminister Pierre Gramegna (DP).
Zu den Ausgaben gehören etwa die Gehälter im Rahmen der Kurzarbeit. Während der Finanzkrise habe diese Maßnahme 60 Millionen Euro pro Jahr gekostet – gegenüber fünf bis sieben Millionen Euro in einem normalen Jahr, erklärte Wirtschaftsminister Franz Fayot am vergangenen Mittwoch. Auch auf die CNS werden hohe Ausgaben aufgrund des „Congé pour raisons familiales“ zukommen.
Premierminister Xavier Bettel ließ am vergangenen Mittwoch aber keine Zweifel aufkommen, dass die Regierung die nötigen Mittel einsetzen will, auch wenn dadurch bisherige politische Ziele infrage gestellt wären. Das könnte aber auch bedeuten, dass hinter der geplanten Steuerreform ein großes Fragezeichen steht – zumindest, dass es weniger Geld zum Verteilen gibt. Die ganze finanzielle Prämisse des Koalitionsprogramms, wonach ein Spielraum von mehreren Hundert Millionen Euro vorhanden sei, dürfte jedenfalls bald nicht mehr haltbar sein.
Bringt es wenigstens dem Klima etwas?
Kurzfristig ja. Für China gehen die Schätzungen von einem Rückgang von etwa einem Viertel der CO2-Emissionen seit Beginn des Covid-19-Ausbruchs aus. Doch läuft die Industrieproduktion wieder an, steigen die Emissionen wieder. Deshalb sei dieser Effekt nicht nachhaltig ohne eine Energiewende, warnte kürzlich der Direktor der Internationalen Energieagentur. Hinzu kommt: Wirtschaftliche Probleme bedeuten voraussichtlich weniger Investitionen in erneuerbare Energien.
Klar ist aber, dass der aktuelle Ölpreiskrieg zwischen Saudi-Arabien, Russland und den USA längerfristige Folgen haben wird als das Coronavirus. Ein niedriger Ölpreis während Jahren könnte dazu führen, dass der Wechsel zu Elektroautos und weg von der Ölheizung langsamer passiert. Andererseits hilft diese geringere Ausgabe aber der Wirtschaft insgesamt, die aktuelle Krise zu überstehen.
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