Die Regierung will Ernst machen: Nach monatelangem Streit liegt nun ein Entwurf des Klimaschutzgesetzes vor, das eine deutliche Senkung der CO2-Emissionen vorschreibt. Doch wesentliche Streitpunkte wie das Schicksal des Tanktourismus bleiben ausgeklammert. Eine Analyse.
Vor dem Parlament machten sich die Klimademonstranten am vergangenen Freitag gut gelaunt über die Koalition und den Premierminister lustig. „Joghurtsmachine won’t save the Planet“ war auf einem Plakat zu lesen. Vor Monaten hatte Xavier Bettel den jungen Klimaschützern anvertraut, er und sein Partner würden jetzt Joghurt selbst machen und mit den eingesparten Plastikbechern quasi das Klima retten. Die Anekdote steht für eine Koalition, die in Sachen Klimaschutz bisher wenig vorzuweisen hat.
Nahezu gleichzeitig zu den Protesten stellten Umweltministerin Carole Dieschbourg und Energieminister Claude Turmes (beide Déi Gréng) ihren Entwurf für ein Klimaschutzgesetz der Presse vor. Statt eines Lobliedes auf die jungen Demonstranten gab es nur einen neutralen Verweis auf die „Menschen auf der Straße“. Die Regierung wollte offenbar den Eindruck vermeiden, handlungsunfähig zu sein.
Blau-Rot-Grün bleibt dem Ziel treu, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 2005 senken zu wollen. Das entspricht dem, was Klimawissenschaftler für erforderlich halten, um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Damit will Luxemburg auch ein Zeichen bei der Klimakonferenz COP25 setzen, die dieser Tage in Madrid stattfindet.
Eine Mogelpackung, um Zeit zu gewinnen
Doch hinter der Kulisse eines ehrgeizigen Klimaschutzes steht die Realpolitik. Auf Biegen und Brechen kam ein Kompromiss zustande, der es erst am Freitagvormittag durch das Kabinett geschafft hatte. Noch im Juli scheiterten die grünen Minister mit ihrer Vorlage – am Widerstand der LSAP und der Gleichgültigkeit der DP. Doch der Streit ist beileibe nicht beigelegt, denn das Herzstück der Klimapolitik der nächsten zehn Jahre fehlt im Entwurf.
Um das Gesamtziel von minus 55 Prozent zu erreichen, sieht der Entwurf verpflichtende Ziele für Industrie, Transport, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallentsorgung vor. Die Krux: Im Gesetz steht nicht, um wie viel diese fünf Sektoren ihre Emissionen senken müssen.
Die bezifferten Ziele will die Regierung in einer großherzoglichen Verordnung festlegen, die aber noch nicht ausgearbeitet ist. Daran solle das „Comité climat“ arbeiten, erklärte die Umwelt- und Klimaministerin am vergangenen Freitag. Doch dieses interministerielle Gremium wird überhaupt erst über das Klimaschutzgesetz geschaffen. Man wolle parallel zur Verabschiedung des Gesetzes am „Règlement“ arbeiten, versprach Carole Dieschbourg. Realistischerweise wird das aber Monate dauern.
Klar ist: Manche Branchen werden mehr Anstrengungen unternehmen müssen als andere. Das Klimaschutzgesetz ist demnach eine Hülle, in die man später den Kern einpflanzt. Denn die sektoriellen Ziele bergen Unmengen an politischem Sprengstoff. Dessen Entschärfung hat die Regierung nun verschoben.
Zapfsäulen gegen Pflugscharen
„Nicht jeder Sektor muss eine Senkung von 55 Prozent erreichen“, erklärte Carole Dieschbourg. Im Bereich Transport könne etwa mehr erreicht werden als in der Landwirtschaft. Doch was ist Blau-Rot-Grün wichtiger: die Milliarden aus dem Tanktourismus? Oder der Erhalt einer traditionellen Landwirtschaft? Oder doch die Industrie? Nicht nur die betroffenen Lobbyverbände rätseln über die Antwort.
Eine Theorie lautet: Die Regierung erhöht die Akzisen auf Diesel drastisch, um so die Emissionen aus dem Tanktourismus zu senken. Zur Erinnerung: Zwei Drittel der Luxemburg angerechneten Treibhausgase stammen aus dem Transport. Doch ein Einbruch beim Spritverkauf könnte die Schließung von Tankstellen sowie einen Millionenverlust an Einnahmen für den Staat bedeuten.
Die andere Theorie: Um den Tanktourismus und damit den Staatshaushalt zu schützen, wird mehr von der Landwirtschaft und der Immobilienbranche abverlangt. Das Problem: Die Einsparung ist in diesen Bereichen schwieriger und kostspieliger. So einfach wie den Spritpreis zu erhöhen, ist es in diesen Branchen beileibe nicht. Zudem könnten die Bauern noch mehr unter finanziellen Druck geraten. Und das Bauen von Wohn- und Bürokomplexen könnte noch teurer werden als es hierzulande ohnehin schon ist.
Dauerstreit über Tanktourismus
Die Verordnung mit den sektoriellen Ziele werde eng an den nationalen Energie- und Klimaplan angelehnt sein, sagte Dieschbourg. Dieses Maßnahmenpaket wird die Regierung voraussichtlich an diesem Freitag annehmen. Im besten Fall ergibt sich daraus eine deutlichere politische Richtung.
Im Dossier Tanktourismus ist allerdings kaum etwas zu erwarten. Denn es ist unklar, ob die angekündigte CO2-Steuer auch für den Verkehr gilt. Finanzminister Pierre Gramegna (DP) und die grünen Minister Dieschbourg und Turmes konnten sich im November nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Die Arbeitsgruppe zum Spritverkauf treffe sich im Januar nochmals, um eine mögliche Akzisenerhöhung zu diskutieren, erklärte Claude Turmes.
Im Haushaltsgesetz für 2020 werden allerdings bereits die Maximalbeträge angepasst. Eine Erhöhung der Akzisen könnte die Regierung also zügig mit einer Verordnung beschließen. Der Aufschlag von zwei Cent bei Diesel und einem Cent beim Benzin ab Mai hatte laut einer Analyse der Zentralbank nur eine begrenzte Wirkung.
Klimaziel 2020 wird verfehlt
Der Wirtschaftsverband Fedil hatte rezent vorgerechnet, dass es billiger sein könnte, Emissionsrechte zu kaufen, statt den Spritverkauf eindämmen zu wollen. Das heißt, Luxemburg würde andere Länder bezahlen, die ihre Emissionen über ihre Verpflichtungen hinaus gesenkt haben.
Im Klimafonds stehen Millionenbeträge bereit, um solche Emissionsrechte zu kaufen. Doch die Regierung will die Fondsmittel nutzen, um Klimaschutzmaßnahmen in Luxemburg zu finanzieren – auch wenn das langfristig schwierig ist.
Energieminister Claude Turmes hält nichts vom Freikauf über Emissionsrechte: „Das ist ein reines Fantasiegebäude“, schimpfte er vergangenen Freitag. Emissionsrechte seien in Zukunft kaum noch verfügbar, da die Regeln verschärft würden und auch andere Länder Mühe hätten, ihre Ziele zu erreichen. Auch Finanzminister Gramegna hält wenig von dieser Lösung, weil sie trotz allem Millionen Euro verschlingt – für wortwörtlich „heiße Luft“.
Es bleibt also dabei, dass Luxemburg aus eigenen Stücken weiterkommen muss. Und das obwohl die Bilanz nicht allzu rosig ist: Das Klimaziel von minus 20 Prozent bis 2020 wird Luxemburg laut den Prognosen der EU-Kommission verfehlen.
Trotz sechs Jahren grüner Regierungsbeteiligung und Sonntagsreden des Premiers bleibt die Klimapolitik ein Brachfeld. Das Klimaschutzgesetz wird aber zumindest dafür sorgen, dass es 2030 keine Ausreden mehr gibt.
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