Die Krisen von CSV und LSAP sind real. Daran werden auch die jüngsten personellen Erneuerungen nichts ändern. Die Gründe für den Niedergang der beiden einstigen stolzen Volksparteien liegen weitaus tiefer als es deren Spitzen wahrhaben wollen. Eine Analyse.
Die CSV müsse eine „coole Partei“ werden, sagt Frank Engel. Und zwar „so wie die Piraten und die Grünen es in den Augen vieler Menschen sind“. Besser hätte man die Ratlosigkeit und latente Inhaltslosigkeit der CSV nicht auf den Punkt bringen können wie der frisch gekürte neue Parteichef der Christsozialen am Samstag. Wenn einer schwindenden „Volkspartei“ nichts anderes mehr einfällt, als cool werden zu wollen, dann ist ihr wohl nicht mehr zu helfen.
Unabhängig vom „Coolness“-Faktor wird bei der Erneuerung an der Spitze der CSV nämlich vor allem eines deutlich: Die wohl letzte verbliebene Volkspartei des Landes weiß nicht so recht, wie sie sich angesichts der zweiten Wahlniederlage in Folge positionieren soll. Jetzt zeigt sich: Die CSV hat zwar eine neue Parteiführung, doch die verzweifelte Suche nach einer neuen Strategie, die den eigenen Bedeutungsverlust aufhalten könnte, dauert an.
Früher war freilich alles einfacher. Über Jahrzehnte definierte sich die CSV vor allem über ihren Anspruch, an der Regierung zu sein. Die Popularität und der inhaltliche Pragmatismus ihres langjährigen Anführers Jean-Claude Juncker taten ihr Übriges. Seitdem Juncker nicht mehr da ist, lässt sich jedoch nicht mehr auf Anhieb sagen, wofür die CSV eigentlich noch gebraucht wird. Für die Regierung des Landes offensichtlich nicht mehr unbedingt. Viel weiter ist man bei der Mission Erneuerung auch innerhalb der Partei noch nicht gekommen.
Zur Realpolitik verdammt
Etwas anders verhält es sich mit der LSAP. Auch die Sozialisten wählten am vergangene Woche mit Franz Fayot zwar einen neuen Vorsitzenden. Und auch die ehemals klar zweitstärkste politische Kraft im Land sucht nach ihrem Markenkern. Im Unterschied zur CSV findet die Identitätskrise der LSAP aber als Teil der Regierung und arithmetisch auf einem niedrigeren Niveau statt. Die LSAP ist zwar die neue „ewige Regierungspartei“, anders als bei der CSV unter Juncker schlägt sich dieser Nimbus aber seit langer Zeit nicht in Wahlerfolgen nieder.
Auch Franz Fayot will natürlich seine Partei erneuern. Mehr Jugend, mehr Mitsprache, mehr kritische Diskussionskultur, lautet sein Motto. Doch ein inhaltlicher Wandel ist auch bei der LSAP nicht abzusehen. Der neue Vorsitzende übt sich zwar wie manche seiner Vorgänger in zaghafter Kapitalismuskritik. Doch aus der Logik einer zur Realpolitik verdammten Regierungspartei wird auch er die Sozialisten nicht führen – zumindest nicht vor 2023.
Neue Führung, altes Dilemma
Die Krise der LSAP ist zudem viel struktureller. Einerseits definiert sie sich nach wie vor als „Arbeiterpartei“. Diese Wählerschicht wird jedoch immer kleiner bzw. verfügt in Luxemburg auf nationaler Ebene nicht immer über das Wahlrecht. Andererseits will die Partei sich aber auch für sämtliche Schichten öffnen und läuft damit Gefahr, als beliebig wahrgenommen zu werden. Im Wettstreit des trendigen „Sozialliberalismus“ droht die LSAP zudem, in Konkurrenz zu DP und Grünen bald nur noch den dritten Preis zu gewinnen.
Das naheliegende Rezept – eine linke Partei, der die eigene Glaubwürdigkeit wichtiger ist als Macht und Status ihrer Führungspersonen – wird auch Fayot seiner Partei nicht verschreiben.“
Allerdings hat der neue LSAP-Parteichef das Problem durchaus erkannt. Luxemburgs Sozialisten würden sich in einem „Dilemma“ befinden, wonach der ansehnliche Sozialstaat auf „illegitimen Steuermodellen“ sowie auf einer Bevorteilung von Eigentum und internationalem Kapital beruht, so Fayot im „Tageblatt“-Interview. Doch auch bei ihm bleibt es bei der Diagnose. Das naheliegende Rezept – eine linke Partei, der die eigene Glaubwürdigkeit wichtiger ist als Macht und Status ihrer Führungspersonen – wird auch Fayot seiner Partei nicht verschreiben.
Doch genau genommen ist die Situation der LSAP noch auswegloser. Denn ein Dilemma ist per Definition eine Lage, bei der keine Lösung zu dem erhofften Ergebnis führt. Da mutet der unbedingte Wille zur Machterhaltung der aktuellen Ministerriege dann doch realistisch an, selbst wenn er der eigenen Partei weiter schadet. Etienne Schneider, Dan Kersch und Co. haben erkannt, dass sie die Lage der LSAP als Mehrheitsbeschafferin solange ausnutzen sollten, wie es noch geht.
Konkurrenz für die Volkspartei
Auf den ersten Blick hat es die CSV etwas einfacher. Sie hat zumindest die Chance, sich in den kommenden Jahren als Widerpart zur Regierung zu profilieren. Auch wenn sie sich selbst mit der Formulierung eines neuen Programms schwer tun sollte, hat sie so zumindest eine inhaltliche Perspektive. Der neue Parteichef Frank Engel scheut keine Kontroverse. Damit werden zumindest die Hemmungen, die bisher das Selbstverständnis einer wahrhaftigen Oppositionspartei erschwerten, ziemlich sicher fallen.
Aus eigener Kraft wird die CSV wohl so schnell nicht mehr in der Lage sein, die Fortsetzung eines Dreierbündnisses rein arithmetisch zu verhindern. Da kann sie so „cool“ werden, wie sie will.“
Doch auch die CSV steht vor einem grundlegenden Problem. Sie ist zwar immer noch die einzige luxemburgische Partei, die von sich behaupten kann, eine Volkspartei zu sein. Sie spricht noch immer Bürger aus allen Schichten an und versucht programmatisch die Brücken zu schlagen von einem traditionellen Konservatismus über die Überzeugungen der christlichen Soziallehre bis zur Anpassung an die Realitäten einer liberalen Gesellschaft.
Doch das im Oktober 2018 demokratisch bestätigte Bündnis aus DP, LSAP und Déi Gréng droht, ihr auch auf diesem Terrain den Rang abzulaufen. Es stimme schon, „dass die drei Koalitionsparteien zusammen ähnlich breite Schichten der Bevölkerung abdecken wie wir als traditionelle Volkspartei“, lautet die entsprechende Analyse der neuen Fraktionschefin Martine Hansen. Mit dem Zusatz: „Das ist sicher eine Herausforderung.“
In den vergangenen fünf Jahren hat Blau-Rot-Grün bewiesen, dass das Land auch ohne die CSV stabil regiert werden kann. In den kommenden Jahren wird die Dreierkoalition sicher alles daran setzen, dass sich dieser Eindruck bei den Wählern verfestigt. Der CSV wird nichts anderes übrig bleiben, als wirkliche Opposition zu betreiben und auf die Schwäche der Koalitionsparteien zu hoffen. Denn aus eigener Kraft wird sie wohl nicht mehr in der Lage sein, die Fortsetzung eines Dreierbündnisses rein arithmetisch zu verhindern. Da kann sie so „cool“ werden, wie sie will.
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