Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: die Zerstörung der CSV und eine liberale Terminatorin.
Die Selbstsprengung einer einstigen Volkspartei ist ein seltenes Spektakel, man kann nicht wirklich zu- aber auch nicht komplett wegschauen. Es ist die perfekte Ablenkung für jede und jeden. Vor allem aber für jene Parteien, die sich längst selbst zerlegt haben. „D’CSV schléit all Rekorder wat Vizeposten ugeet“, spöttelte der rote Mars Di Bartolomeo auf Twitter. Der beste Covid-Gesetz-Berichterstatter, den dieses Land je gesehen hat, ist seines Zeichens übrigens Vizepräsident des Parlaments.
Ein anderer, der seine Schadenfreude nur schlecht verbergen konnte, DP-Fraktionspräsident Gilles Baum, sprach vor einer Woche von einem „Intrigantenstadl“. Wie die CSV mit Frank Engel umgehe, sei ein Tiefpunkt seines (also Baums) politischen Lebens, meinte der liberale Regierungsfan. Wobei natürlich bemerkt wurde, dass seine politische Karriere noch nicht allzu weit zurückreicht. Die Liberalen gehen bekanntlich alle super menschlich miteinander um. Und die DP-Fraktion hat auch noch nie gegen die große Parteipräsidentin, Corinne I., rebelliert. Das sind böse Gerüchte.
„Sexy und solide zugleich“
Der einzige „adult in the room“ kommt beim Postengeschacher der CSV am schlechtesten weg. „Martine Hansen als Opfer“, kommentierte der frauenfreundlichste unter den Wort-Redakteuren. Logisch, denn Frank Engel sagt über Frank Engel „nicht opfertauglich“ zu sein. Einen oder eine muss es ja treffen.
Aber auch die testosteron-gestählten Kerle, die jetzt übernehmen und denen jeweils eine Frau „zur Säit steet“ (dixit RTL) haben hohe Ansprüche. „Setzt endlich ein Team ein, das den Wagen nicht in den Straßengraben lenkt“, lautet die Forderung der Mitglieder an Claude Wiseler. Zumindest erzählte der Mann mit dem „Plang fir Lëtzebuerg“ das dem „Tageblatt“. Also jener Zeitung, die vor ein paar Wochen noch exklusiv und aus überaus gut unterrichteten Kreisen berichtet hatte, dass Luc Frieden und Paul Galles die „Favoriten“ für den CSV-Vorsitz seien.
Dabei fehlt es in der Partei in der Tat nicht an Kompetenz. Luc Frieden als Präsident der Handelskammer und der CSV in Personalunion, das hätte schon was. Und Paul Galles, der mit seinen 47 Jahren als Hoffnungsträger gehandelt wird, ist mindestens so gut im Omi-Bezirzen wie Xav der Große. „Meine Mutter ist völlig hin und weg von ihm“, sagt Wiseler über Galles. „Sexy und solide zugleich“ müsse eine konservative Partei heute sein, rät denn auch CSU-Chef und möglicher Merkel-Nachfolger Markus Söder.
Die CSV soll also nicht nur solide, sondern auch sexy werden. Dann klappt das vielleicht auch wieder mit dem Regieren. An das Gelingen glaubt aber niemand so richtig. „D’Oppositiounsbänk kann eng weider Kéier mat orangë Bueddicher reservéiert ginn, déi Kéier wäerten et awer wuel manner Still sinn“, kommentierte RTL gewohnt messerscharf und metaphorisch.
Kreative Zerstörung
Andere trauern Frank Engel noch etwas nach: „Trauen Sie sich“, ruft der „Tageblatt“-Co-Chefredakteur in die politische Wüste. Aber der beste Sommerloch-Füller aller Zeiten hat bereits andere Pläne. „De fréieren CSV-President hätt Loscht drop, eng nei Partei ze grënnen“, titelte RTL.
Natürlich wäre der Gründer auch Präsident und Spitzenkandidat auf Lebenszeit. Wie Etienne immer sagte: „Ech gi net do Massendénger, wou ech Paschtouer war.“ Wir finden: Eine Frank-Engel-Partei, das hat Potenzial – zumindest, was den Unterhaltungs- und Satirefaktor angeht.
Wir bieten denn auch schon mal kostenlose Beratung in der Namensfindung an:
- Die Engel-Go-Partei (kurz EGO) – Slogan: Me, myself and I
- Chrëschtlech-sozial-ökologesch-liberal-alternativ Vollekspartei (CSÖLAV) – Slogan: Déi mam Frank
- De Lëtzebuerger Dram (DLD) – Programm: Ein selbst aufgesetzter Arbeitsvertrag und 6.000 Euro Grundeinkommen für alle
- The Victims of the Establishment (VICE) – Vorteil: Monica Semedo wäre als Vize-Präsidentin auch mit an Bord
Andererseits: Frank Engel hat das Problem eigentlich längst erkannt. Es gibt bereits zu viele austauschbare Parteien im Land. Deshalb wäre es ratsam, wenn er auf die Gründung einer neuen Partei verzichten würde und sich stattdessen der Avantgarde der postmodernen Beliebigkeit – kurz: Piraten – anschließen würde.
Klingt komisch, macht aber absolut Sinn. Die Piraten sind bekannt für ihre ultra-liberale Buchführung in Sachen Parteifinanzen, daran kann Frank Engel nahtlos anknüpfen. Ein weiterer Vorteil: Partei-interne Demokratie ist ein Fremdwort für die Piraten, denn Mitglieder gibt es praktisch nicht. Damit kann auch jeder fordern, was er will, ohne dass irgendwelche Partei- oder Fraktionsbonzen von Einheit, Wahlprogramm oder inhaltlicher Konsistenz schwadronieren.
Clement, Goergen und Engel: Das wäre das wahre Dream Team der Luxemburger Politik. Aus „Pinky and the Brain“ könnte dann bald Tick, Trick und Track werden, die zusammen das Entenhausener Parlament unsicher machen.
Big Sister in da Hood
Eine lässt sich vom Partei-Geplänkel dagegen nicht ablenken: Lydie Polfer. Ihre parteiinterne Konkurrentin ist damit beschäftigt, Särge in Altersheimen so zu stapeln, dass sie möglichst nicht auffallen. Deshalb ist der Weg frei für „Iron Lydie – 40 years and counting“. Ihr Wahlprogramm steht bereits: „War on drugs“, Kameras überall und eine Armee an privaten Security-Männern. Lydie ist ein umgedrehter „Terminator“: Sie reist aus den Zeiten von Ronald Reagan und Maggie Thatcher in die Gegenwart, um uns vor wohlstandsmüder und gefühlsduseliger Post-Politik zu retten. 2023: She’ll be back!
Und auch sonst läuft es eigentlich ganz gut: Die Minister von LSAP und Déi Gréng machen die legislative Drecksarbeit und zahlen den politischen Preis bei ihren Gutmenschen-Wählern. Lydie kann dann die Lorbeeren einer konsequent gentrifizierten Stadt ernten. „Die Menschen wollen mehr Überwachung“, übersetzte sie die „vox populi“ für „L’Essentiel“. Vor allem wollen sie auch endlich Überwachungskameras in Bonneweg. Quasi Big Sister in da Hood.
Selbst Fakten bringen das ewige liberale Poster-Girl nicht aus der Fassung. Im Grunde wollen die „Menschen“ saubere Straßen, Fahrradwege und weniger Verkehr – oder sonst irgendwelches sozialistisch-grün-versifftes Zeug. Wie viel geiler ist es dagegen, dass Beamte bis Punkt 19 Uhr vor 34-Zoll-Bildschirmen sitzen und dem bunten Treiben am Bahnhof via Kamera zuschauen? Oder dass Lydie Security-Firmen bezahlt, damit sie Parkuhren bewachen?
Hier kommst du nicht rein
War sonst noch was? Ach ja, der wohl exklusivste Club Luxemburgs hat ein neues Mitglied und einen neuen Präsidenten. Marc Meyers, Direktor des Konservatoriums der Stadt ist seit dieser Woche stolzes Mitglied des Staatsrats, dafür musste er nur seine Seele an Corinne Cahen verkaufen. Denn ohne Parteikarte gibt es keinen Zutritt in den Club der alten weißen Gesetzesprüfer.
Das mit der Parteikarte ist allerdings alles nicht so schlimm. „Et geet hei net em Politik“, verteidigt sich Marc Meyers bei Radio 100,7. Schließlich habe man ihm gesagt, dass „wenn man eine Parteikarte hat, dass man die in der Garderobe des Staatsrats abgibt.“ Was man ihm nicht sagte: Es ist der ultimative Running Gag unter den Politikscherzkeksen aus der Rue Sigefroi.

Das Ganze ist aber auch voll logisch. Zuerst braucht man eine Parteikarte, um überhaupt für den Posten in Erwägung gezogen zu werden, um sie dann wieder beim Portier des Staatsrats abzugeben. Wie gesagt, „es geht hier nicht um Politik.“
Das weiß auch der neue Präsident des (Achtung, ein weiterer Insider Joke) „Weisenrates“. Christophe Schiltz hat seine ganze Karriere in der LSAP verbracht, scheiterte grandios bei Wahlen, wurde kürzlich von LSAP-Minister Franz Fayot als politischer Beamter zum Top-Berater ernannt. Aber mit Politik hat das rein gar nichts zu tun. Seine Parteikarte hat der neue Vorsitzende auch immer schön brav am Eingang des Rates abgegeben, wie es sich gehört. Übrigens verweigern Lydies Security-Männer den Zutritt, wenn man seine Parteikarte mal wieder vergessen hat.
Bettels Handy-Skandal
Die Nummer der Woche war dagegen: Xav, erster Facebook-Premier des Landes, ist persönlich betroffen vom Leak des Oma-und-Opa-Netzwerks. Journalisten von „Politico“ fanden seine Handynummer in den Daten und riefen prompt an. Wir können uns vorstellen, wie das ablief:
Salutti, de Xav héi! Wéi ass et??
Is this Prime minister Xavier Bettel? I am a reporter at Politico …
Aaah, hi guys! What do you want? Angelas number? Or some catchy set phrases about the latest EU summit?
Actually, we are tech reporters. We wanted to talk to you about the Facebook leak … tuuuut
Leicht peinlich – also für Facebook, die Handynummern von Luxemburger Politikern sind kein Staatsgeheimnis. Das Leak brachte sogar die irische Datenschutzbehörde dazu, zu ermitteln. Und die ist fast so bissig wie die Luxemburger Steuerverwaltung.
Keine Behörde der Welt hat uns dagegen davor bewahrt, dass Chat-Protokolle des Most-Babyface-Regierungschefs Europas geleakt wurden – nein, nicht die von Xav, sondern von Basti. Im Stil unterscheiden sich der Luxemburger und der Österreicher allerdings nicht. Sebastian Kurz beförderte einen Spezi auf einen gut dotierten Posten. Die passende Nachricht: „„Kriegst eh alles, was du willst. “ Die Antwort: „ich bin so glücklich :))) Ich liebe meinen Kanzler“.
In diesem Sinne: <3 <3 <3