Gratis, schneller, grüner – und als Sahnehäubchen, ein größeres Angebot. Die verschiedenen Reformen aus dem Verkehrsministerium sollen Busfahren attraktiver machen. Für manche der betroffenen Unternehmen könnten die Änderungen aber zum Problem werden.
Der Tatendrang des Mobilitätsministers François Bausch (déi Gréng) ist groß. In nicht mal einem Monat wird der öffentliche Transport kostenlos. Im September 2021 werden die Busse des nationalen Busnetzes nach neuem Fahrplan fahren und bis 2030 sollen nur noch Elektrobusse auf den Straßen Luxemburgs unterwegs sein.
Die Reorganisation des „Régime général des transports routiers“ (RGTR) ist in ihrer Endphase. Der Minister will in zehn öffentlichen Konferenzen den Bürgern den neuen Plan vorstellen. Kleine Anpassungen sind noch möglich, am Grundkonzept soll sich aber nichts mehr ändern.
Jährlich sollen 30 Prozent mehr Kilometer von den verschiedenen Buslinien gefahren werden. Sonntags sollen gar 4 Mal mehr Busse unterwegs sein. Ein besseres Angebot bedeutet mehr Aufträge für Busunternehmen und höhere Einnahmen. Dennoch ist die Stimmung gedrückt. Die Linien des neuen Fahrplans sollen nämlich europaweit ausgeschrieben werden.
Das Ende einer heilen Welt
Jedes luxemburgische Busunternehmen übernimmt zurzeit einen Teil der nationalen Buslinien – und das unabhängig von seiner Größe. Zuschläge für neue Buslinien erhielt meist das Unternehmen, dessen Sitz in der Nähe der Strecke liegt. Seit der Einführung des RGTR im Jahr 1978 gilt dieses Prinzip als ausschlaggebend. Alle zehn Jahre hat das Ministerium die Verträge erneuert, die Betreiber änderten sich kaum. 2018 wurden Verträge ausnahmsweise um weitere drei Jahre verlängert.
Für viele Busunternehmen bereitet die öffentliche Ausschreibung Schwierigkeiten“Fabrizio Romano (Sales-Lentz)
Der Rechnungshof stellte schon 2017 fest, dass „die Transportunternehmen durch das Prinzip der Nähe nie in wahrer Konkurrenz standen.“ Zudem wurden die Auswahlkriterien nie formell festgelegt. Bis Ende 2021 bleibt noch alles beim Alten – danach könnte es für die Unternehmen unangenehm werden. Kleine Unternehmen riskieren die Verlierer der Ausschreibung zu werden.
Angst vor Konkurrenz
„Für viele Busunternehmen bereitet die öffentliche Ausschreibung Schwierigkeiten“ sagt Fabrizio Romano. „Eine europäische Ausschreibung ist kompliziert und läuft sehr strukturiert ab, für kleine Unternehmen könnte der administrative Aufwand schwer zu bewältigen sein“, so der Generaldirektor von Sales-Lentz Transport im Gespräch mit REPORTER. Als eines der größten Busunternehmen Luxemburgs wird dies für Sales-Lentz aber wohl leichter zu bewältigen sein.
Das Unternehmen bereitet sich auf alle möglichen Szenarien vor. Jedoch wisse man weder, welche Kriterien in der Ausschreibung festgelegt werden, noch wie genau sie ablaufen soll. Neu wäre auch, dass ausländische Unternehmen Buslinien in Luxemburg übernehmen.
Wenig ist über das Lastenheft bekannt. Auf Anfrage von REPORTER heißt es aus dem Ministerium, dass man zurzeit noch daran arbeite. François Bausch hat im Parlament lediglich angekündigt, dass man zum einen auf Qualität setzen wolle und zum anderen die Unternehmen den neuen sektoriellen Kollektivvertrag anwenden müssen. So kann verhindert werden, dass ausländische Unternehmen durch niedrige Personalkosten den Zuschlag erhalten.
David gegen Goliath
Für Kleinunternehmen bereitet die Konkurrenz aus dem Ausland weniger Sorgen als die hiesige. Von den insgesamt 32 Busunternehmen des RGTR-Netzes besitzen die meisten eine recht kleine Flotte. Die Abhängigkeit vom RGTR ist gerade bei diesen Unternehmen groß. Oft macht das nationale Busnetz mehr als 50 Prozent des eigenen Betriebs aus. Bereits kleinste Änderungen könnten diesen Unternehmen also zum Verhängnis werden.
Die Furcht besteht, dass das Auswahlverfahren größere Unternehmen, wie Sales-Lentz, Emile Weber oder Demy Schandeler mit höheren Kapazitäten begünstigen könnte. Mehrere Aufträge könnten zum Beispiel in große Gruppen zusammengefasst werden. Sollten in einem solchen sogenannten Los viel mehr Aufträge enthalten sein, als die Flotte des Unternehmens hergibt, sind sie bei der Ausschreibung chancenlos.
Zuarbeit für die Großen
Die Unternehmen sprechen aus Erfahrung. 2014 gründeten Sales-Lentz zusammen mit Voyages Emile Weber die „Transport Union Lëtzebuerg“ (TUL). Das neue Unternehmen beteiligte sich an einer Ausschreibung des Ministeriums für den Behindertentransport CAPABS. Die Lose waren zu groß für die meisten Unternehmen, also sollte die TUL fast alle luxemburgische Busbetreiber als Zulieferer einstellen. Der Fall landete vor dem „Conseil de la Concurrence“. 2017 musste die TUL aufgelöst werden.
Sollte sich die Sorge bestätigen, gibt es trotz dieser Entscheidung noch die Möglichkeit für größere Unternehmen zuzuarbeiten. Nur wenn Sales-Lentz ihren Marktanteil erhöhen sollte, die Zulieferung wirtschaftlich interessant wäre und der Vertrag es auch erlauben sollte, könnte Generaldirektor Fabrizio Romano sich vorstellen, diesen Weg einzuschlagen. Eine Garantie für kleinere Unternehmen ist dies sicherlich nicht.
100 Prozent Elektrobus bis 2030
Auch der Verband der Busunternehmen FLEAA spricht von einer schwierigen Situation. Neben der Öffnung des Marktes bereitet der Plan der Regierung, bis 2030 auf eine vollständige Elektrobusflotte umzusteigen, dem Verband Kopfzerbrechen. Die Sekretärin des Verbandes Agnès Coupez sagt: „Ich glaube nicht, dass das machbar ist.“ Es solle aber nicht an den Unternehmen scheitern, meint Fabrizio Romano.
Sein Unternehmen besitzt zurzeit bereits 70 Elektrobusse, weitere sollen folgen. Die Frage ist, ob Bushersteller die Akkukapazität erhöhen können und ob die Infrastruktur mitzieht. Um das Ziel zu erreichen, müssten mehrere Ladestationen im Land gebaut werden. Die Ladezeit müsse zudem verkürzt werden. Der Generaldirektor von Sales-Lentz Transport ist aber optimistisch, dass das Ziel erreichbar bleibt.
In einem Schreiben an die Busunternehmen bekräftigte François Bausch, dass der Staat für die Unterhaltskosten und die Schuldentilgung der Elektrobusse über die nächsten zehn Jahre bürgen werde – unabhängig davon, ob das Unternehmen eine Ausschreibung für sich entscheiden sollte oder nicht. Kleine Unternehmen fürchten dennoch, dass sie die erst kürzlich erworbenen fast neuen Busse wieder verkaufen müssen, falls sie die Ausschreibung verlieren. Der Verkauf könnte sich als schwierig erweisen, denn zurzeit gibt es keinen Markt für gebrauchte Elektrobusse.
Die kommenden Monate und Jahre werden das Busnetz und auch die Unternehmen grundlegend verändern. Eine leichte Anspannung ist sowohl bei kleinen, als auch bei großen Unternehmen, wie Sales-Lentz zu spüren. Das Gespräch endete mit der Anmerkung, dass alle kommenden Reformen angesprochen wurden. Er lacht: „Ich hoffe es.“
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