Charles Goerens (DP) kritisiert, dass Europas Parteien Spenden von Konzernen angenommen haben. Meris Sehovic (Déi Gréng) plädiert in der Debatte für mehr Transparenz. Frank Engel (CSV) sieht dagegen eher ein Problem darin, dass sich die Presse überhaupt mit dem Thema beschäftigt.
„Kontraproduktiv, wirkungslos, falsch und unnütz“: So beschreibt Charles Goerens (DP/ALDE) die Spenden großer Unternehmen an die europäischen Parteien. Bereits im März wurde bekannt, dass Bayer, Google und Co. als Sponsoren den Kongress der liberalen Parteifamilie unterstützten. Innerhalb der ALDE-Fraktion sorgte das Sponsoring für Unmut, erinnert sich der EU-Parlamentarier.
Wie einige seiner Fraktionskollegen wusste Goerens nach eigener Aussage über die Spenden nicht Bescheid. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, so der DP-Politiker. Die Spenden waren für die ALDE auch deshalb problematisch, da sie die Zusammenarbeit mit Emmanuel Macrons „La République en marche“ (LREM) gefährdeten. Nachdem diese die Praxis offen kritisierte, kündigte die ALDE-Führung an, künftig auf Sponsoring durch Unternehmen zu verzichten.
Charles Goerens betont, dass die Spenden der Unternehmen ausdrücklich für die Organisation von Events genutzt worden seien. Beim letzten Parteikongress der liberalen Europapartei 2018 in Madrid waren zum Beispiel Google und Facebook mit Ständen vertreten. Vertreter der Konzerne haben zudem an Diskussionsrunden teilgenommen, wie aus dem Programm des Kongresses ersichtlich wird.
Übliche Spendenpraxis
Doch wie Recherchen der niederländischen investigativen Plattform „Follow the Money“ zeigen, ist die Spendenpraxis durchaus üblich und beschränkt sich nicht auf punktuelles Sponsoring. Die Chemie-Konzerne Bayer und Syngenta spendeten etwa seit 2014 jährlich eine Summe von jeweils 12.000 Euro an die ALDE. Ebenso gehören Firmen wie Deloitte und AT&T zu den dauerhaften Finanziers der europäischen Liberalen.
Ein falscher Eindruck entsteht hauptsächlich dann, wenn die Presse dabei hilft.“Frank Engel, EU-Abgeordneter und CSV-Präsident
Laut dem Finanzierungsgesetz der europäischen Parteien darf das gesamte Budget einer Partei übrigens nicht ausschließlich aus Subventionen des Europäischen Parlaments bestehen. Für mindestens zehn Prozent des Budgets müssen die Parteien jeweils selbst aufkommen. Das geschieht in der Regel über den Weg von Mitgliederbeiträgen oder Spenden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Unternehmen diesen Teil beisteuern müssen.
„Allein der Verdacht schadet“
„Wir brauchen keine Spenden von Konzernen“, sagt Charles Goerens. Gleichzeitig stellt er aber klar: Er lasse sich ohnehin nicht durch Spenden beeinflussen. „Ich bin trotzdem dafür, dass Google Steuern zahlen muss. Dann kann sich eine solche Firma über diesen Weg an der Finanzierung von Parteien beteiligen.“ In den Augen des DP-Politikers sind die Spenden der Unternehmen jedenfalls politisch wirkungslos.
Es liegt im Interesse aller Parteien, einen solchen Verdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen.“Meris Sehovic, Spitzenkandidat von „Déi Gréng“ bei den Europawahlen
Für Meris Sehovic, Kandidat von Déi Gréng bei den Europawahlen, ist das aber nicht der entscheidende Punkt. Selbst wenn es bei den Spenden um vergleichsweise geringe Summen gehe und sie keinen direkten Einfluss auf politische Entscheidungen hätten, könne so der Verdacht entstehen, dass Unternehmen „sich einkaufen.“
„Es liegt im Interesse aller Parteien, einen solchen Verdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen. Denn allein dadurch entsteht schon ein gewisser Schaden“, betont der ehemalige Bürochef von Claude Turmes. Wie die Recherchen von „Follow the Money“ ergaben, haben die Grünen fast ausschließlich Spenden durch nationale Parteien, parteinahe Stiftungen und Think Tanks erhalten. Für Sehovic ist das eine Erleichterung.
Parteispenden und Lobbyismus
Der grüne Politiker warnt außerdem davor, die Spenden aufgrund der verhältnismäßig geringen Beträge als unproblematisch abzutun: Die Spenden seien eine Sache. Die Großkonzerne würden darüber hinaus aber enorme finanzielle Ressourcen für Lobbying-Aktivitäten aufbringen.
Tatsächlich gehören die großen Spender Google, Facebook, Microsoft und Bayer mit Ausgaben von bis zu sechs Millionen im Jahr zu den größten Lobbyisten in der EU, wie aus dem Transparenzregister hervorgeht. Für Unternehmen wie Bayer steht zum Beispiel viel auf dem Spiel. Die Bestimmungen für Chemikalien fallen unter die Kompetenzen der EU. „Bei Abstimmungen über die Bestimmungen für Chemikalien, kämpfen die Grünen meist gegen ALDE und EVP“, sagt Meris Sehovic.
Die Millionensummen setzen sich unter anderem aus den Gehältern der Lobbyisten, Bürokosten, Kosten für Events und Meetings, sowie Zahlungen an Lobbyagenturen zusammen. Bei Google zum Beispiel kümmern sich in Brüssel 15 Mitarbeiter um die Lobbyarbeit. Diese haben sich in der letzten Legislaturperiode rund 200 Mal mit hohen Vertretern der EU-Kommission getroffen.
Frank Engel gegen „arme Parteien“
Die Spenden an die Parteifamilien sollte man nicht überbewerten, sagt hingegen Frank Engel (CSV). Auch die Parteifamilie der Christdemokraten (EVP) hat Großspenden von internationalen Unternehmen erhalten. Die Gefahr einer möglichen Einflussnahme durch das Sponsoring sieht Engel dabei nicht. „Schon gar nicht bei den geringen Summen.“
Wenn der Verdacht aufkomme, dass Unternehmen sich einkaufen, liege das auch an den Medien, so der CSV-Parteivorsitzende. „Ein falscher Eindruck entsteht hauptsächlich dann, wenn die Presse dabei hilft.“ Die Medien sollen besser abschätzen, ob und wie sie über solche Themen berichten, so Frank Engel.
Wenn wir nicht einmal wissen, dass sie Geld spenden, wie können wir uns denn von ihnen beeinflussen lassen?“Mady Delvaux, EU-Abgeordnete (LSAP)
Lediglich Spenden durch nicht-europäische Konzerne findet der scheidende EU-Abgeordnete problematisch. Spenden durch Unternehmen wie in Luxemburg ganz zu verbieten, sei jedoch „nicht zielführend“, so Engel. „Deswegen haben wir in Luxemburg arme Parteien.“
Mady Delvaux ist ihrerseits über die Finanzierung der sozialdemokratischen S&D nicht im Bild. Dass diese Spenden durch den Telekommunikationskonzern AT&T erhält, wusste die LSAP-Politikerin nicht. Wie Goerens, glaubt Delvaux nicht, dass die Unternehmen durch das Sponsoring Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können – jedenfalls nicht auf EU-Ebene. „Wenn wir nicht einmal wissen, dass sie Geld spenden, wie können wir uns denn von ihnen beeinflussen lassen“, argumentiert die Sozialistin.